Brandenburg: Brandenburger gegen frühere Stasi-Leute in Politik
Viele sehen die DDR positiv, wollen aber eine intensive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit – das zeigt eine neue Umfrage
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Potsdam - Die Mehrheit der Brandenburger will keine früheren Stasi-Mitarbeiter in Politik und öffentlichem Dienst. Das geht aus einer repräsentativen Forsa-Umfrage zum „DDR-Bild“ der Bevölkerung hervor, die am Freitag in der Enquetekommission zur Nachwendezeit vorgestellt wurde. Danach lehnen 74 Prozent Ex-Stasi-Mitarbeiter in der Politik, 67 Prozent im öffentlichen Dienst ab. Gleichzeitig befürworten 62 Prozent eine „zweite Chance“ für frühere Spitzel, sind 82 Prozent für eine Einzelfallbewertung. Und viele Brandenburger sehen die DDR, die für 57 Prozent „kein Unrechtsstaat“ war, im Rückblick eher positiv. Für 71 Prozent werden die Lebensleistungen von Osteutschen nicht ausreichend anerkannt. Als Einheits-Verlierer sehen sich nur 7 Prozent, 47 Prozent als Gewinner.
Forsa hatte Anfang Oktober tausend Erwachsenen in 30-minütigen Telefoninterviews 76 Fragen zu DDR, Demokratie und Rechtsstaat gestellt. Zwar galt Brandenburg lange als „kleine DDR“. Doch zeigt die 117-Seiten-Umfrage nun etwa, dass die Vergangenheitsdebatte seit der rot-roten Regierungsbildung 2009 die Bevölkerung bewegt, obgleich die Ergebnisse widersprüchlich-ambivalent sind. 60 Prozent wollen, dass man 20 Jahre nach der Wiedervereinigung „endlich einen Schlussstrich“ zieht und „mehr in die Zukunft“ schaut. Zugleich halten die Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur 67 Prozent, mit dem Stasi–Erbe 57 Prozent für nötig, wobei die Stasi für 49 Prozent ein „Geheimdienst war, wie ihn jeder Staat hat“. 63 Prozent finden die Enquete zur SED-Diktatur richtig. Deren Arbeit sehen freilich 29 Prozent negativ, 24 Prozent positiv. 46 Prozent finden, dass an Schulen zu wenig über die DDR gelehrt wird, was sich mit Erkenntnissen der Kommission deckt. Lediglich 26 Prozent geben da gute Noten.
Bei den Brandenburgern überwiegen positive Assoziationen zur DDR. Für 28 Prozent hatte der SED-Staat mehr gute als schlechte Seiten, für 25 Prozent war das Gegenteil der Fall, 47 Prozent antworten „beides“. Als „gut“ an der DDR werden in dieser Reihenfolge Arbeitslage, soziale Sicherheit, Zusammenhalt, Kinderfreundlichkeit, „besseres Bildungssystem“ genannt. Für 42 Prozent war vor der Wende die Bundesrepublik „nicht besser als die DDR“. Und 37 Prozent glauben, dass von der Wiedervereinigung die Westdeutschen mehr profitiert haben, 34 Prozent sehen die „Ossis“ als Gewinner.
Auffällig sind die Befunde zu den Institutionen. Das höchste Vertrauen genießen Ärzte (75 Prozent), gefolgt von Polizei (66), dem Radio (54) und Bürgermeister im Ort (53). Das geringste Vertrauen haben Brandenburgs Parteien und katholische Kirche (jeweils 8). Wenig Vertrauen haben die Märker auch zu Gerichten (49) und zur Presse (29). Und das Vertrauen in Polizei, Gerichte, aber auch Presse ist zudem geringer als in anderen neuen Ländern. Landtag (32) und Landesregierung (39) stehen zumindest höher in der Gunst als Bundestag und Bundesregierung (jeweils 21). Allerdings sei Brandenburg auch eine Ausnahme, sagte Forsa-Chef Manfred Güllner, anderswo sei das Vertrauen in die Legislative höher als in die Regierung. „Hier ist das umgekehrt.“ Dafür sind die Brandenburger mit ihrem Land im Reinen. 87 Prozent leben gern hier, eine „extrem hohe“ Identifiktion, sagte Güllner. „70 bis 80 Prozent wären normal.“
Erste Reakionen waren eher nachdenklich. Trotz auch „sichtbarer ostalgischer Gefühle“ und eines „geschönten DDR-Bildes“, sagte etwa die Diktaturbeauftragte Ulrike Poppe: „Die überwiegende Mehrheit will Aufarbeitung“, sie sei da „vorher unsicher“ gewesen. Dass das Vertrauen in Justiz und Polizei in Brandenburg geringer als in anderen Ost-Ländern sei, könne mit der Stasi-Problematik zusammenhängen. Für die Gerichte sei dies „erschreckend“, sagte auch die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg. Hingegen erklärte SPD-Obmann Thomas Günther, man sehe, „mit Schwarz-Weiß-Bildern über die DDR kommt man nicht weiter“. Und Linke-Obmann Peer Jürgens warnte vor einer „Schelte der Brandenburger“. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, die Ergebnisse seien „durchwachsen“, teils anders als erwartet. So gehe die Haltung der Brandenburger gegen Stasi-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst weiter als die politische Debatte. Kritisch sehe er das schönende DDR-Bild, etwa auf das Gesundheitswesen. Es habe ja Gründe habe, dass die Lebenserwartung im Osten „seit der Wiedervereinigung um 5 Jahre gestiegen sei.“ Und CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski sieht einerseits den Anti-Stasi-Kurs der Union bestätigt, sagt aber insgesamt auch: „Ich erkenne die Brandenburger wieder.“
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