
© ZAB
Von Alexander Fröhlich: Brandenburgs Auslands-Agent
Ein Ex-Stasi-Offizier im besonderen Einsatz vertrat märkische Politik und Wirtschaft in aller Welt
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Potsdam – Schon vor dem Ende der DDR kannte sich Hermann Häber auf internationalem Parkett bestens aus, war nicht nur beim Außenministerium der DDR angestellt, sondern zugleich auch als verdeckter, aber hauptamtlicher Agent der Staatssicherheit in Japan aktiv. Die Dossiers, die er als Diplomat schrieb, landeten sogar bei der Staats- und SED-Führung um Erich Honecker. Die Berichte, die er für die Auslandaufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), der der Hauptabteilung A (HVA), verfasste, sind nicht dagegen überliefert. In Brandenburg machte der frühere Stasi-Offizier im besonderen Einsatz (OibE) dennoch wieder Karriere.
An herausgehobener Stelle war der heute 61 Jahre alte Häber jahrelang als Brandenburgs erster Ansprechpartner für Auslandskontakte in der Wirtschaftspolitik zuständig. Bei der Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB) leitete der frühere Auslands-Agent und Diplomat bis zum vergangenen Donnerstag das Serviceteam Außenwirtschaft, organisierte Auslandsreisen auch für Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), zuletzt mitsamt Unternehmern nach Israel. Nun hat die Spitze der Wirtschaftsförderagentur „im Einvernehmen mit dem Betroffenen“ beschlossen, ihn bis zur Klärung der Vorwürfe zu beurlauben, wie ZAB-Sprecher Alexander Gallrein am Freitag sagte. „Wir werden gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium prüfen, was an den Vorwürfen dran ist.“
Zu Häbers Aufgaben gehörte es bis zur Enttarnung in dieser Woche, Zukunftsmärkte für brandenburgische Unternehmen zu prüfen und Investoren aus dem Ausland in die Mark zu locken. Für beide Seiten – exportorientierte Firmen aus der Mark und Unternehmer aus der ganzen Welt – war er im Land Brandenburg der Ansprechpartner schlechthin. Intern gilt er als ausgewiesener Fachmann mit besten Fremdsprachenkenntnissen: Japanisch, Englisch und Russisch.
Der sichere Umgang mit Gästen aus dem Ausland und stilsichere Auftreten auf internationaler Ebene kommen nicht von ungefähr. Häber war in der DDR im diplomatischen Dienst tätig, im Außenministerium erst der USA-Abteilung zugeordnet und dann zum stellvertretenden Botschafter in Japan aufgestiegen. Das geht aus der den PNN vorliegenden, hundert Seiten umfassenden Stasi-Kaderakte Häbers hervor. Dabei handelt es sich größtenteils um die Personalakte mit Angaben zur Spitzelaufträgen, Gehaltsnachweisen und Einschätzungen der Vorgesetzten. Auch der Bericht zu einem operativen Vorgang über einen Mitarbeiter der Botschaft in Uruguay ist enthalten. Wie umfangreich Häbers HVA-Agentenakte tatsächlich war, bleibt offen: Im Herbst 1989 und bis ins Jahr 1990 hinein konnte die HVA weitgehend ungestört ihre Akten vernichten.
Ebenso unklar ist auch, wie es jemand mit einer Vergangenheit wie Ex-Agent Häber auf den für Brandenburg so wichtigen Posten bei der Zukunftsagentur kommen konnte. Eingestellt wurde er 1999 beim ZAB-Vorläufer, der landeseigenen Wirtschaftsförderung, unter dem damals zuständigen Minister Wolfgang Fürniß (CDU). Offenbar hatte seine Karriere im diplomatischen Dienst der DDR damals überzeugt. Seine Karriere als Major der Staatssicherheit sei damals nicht bekannt gewesen, hieß es am Freitag offiziell bei der ZAB. Zudem war für Mitarbeiter von Landesgesellschaften keine Regelabfrage bei der Stasiunterlagenbehörde vorgesehen.
Dabei stößt, wer bei diversen Suchmaschinen im Internet nach Hermann Häber sucht, schnell auf die Seite „Stasi Offiziere im besonderen Einsatz OibE“. Dort ist auch Häber samt Stasi-interner Codenummer aufgeführt.
Intern ist sich die ZAB-Spitze über die Folgen der Personalie Häber durchaus bewusst. In der Außenwirkung für das Land Brandenburg sei die Agententätigkeit ihres Mitarbeiters verheerend, besonders angesichts der aktuellen Debatte über Brandenburgs ganz eigenen und schonenden Umgang mit Stasi-Spitzeln in Politik und Behörden, hieß es am Freitag bei der Agentur. „Die Frage, ob es sinnvoll ist, so einen Mann auf diesem Posten zu haben, ist berechtigt“, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium. „Sicherlich wäre ein Posten in zweiter und dritter Reihe hilfreicher gewesen.“
Juristisch sieht die Führung des Unternehmens, dessen Gesellschafter das Land Brandenburg, die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern sowie die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg sind, vorerst keinen Weg, sich von dem Mitarbeiter zu trennen. Der Grund: Man habe wohl vergessen, den Ex-Auslandsdiplomaten und SED-Kader Häber bei seiner Einstellung nach einer Stasi-Tätigkeit zu fragen. „Er hat uns offenbar nicht angelogen“, so ein ZAB-Mitarbeiter.
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