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Brandenburg: Brandenburgs Dunkelkammer

Das Westhavelland kann sich offiziell „Erster Sternenpark Deutschlands“ nennen und hofft auf viele Astronomen und Besucher

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Nun steht es offiziell fest: Brandenburg ist über weite Strecken eine ziemlich finstere Gegend. Zu den besonders dunklen Gebieten gehört das Westhavelland, 80 Kilometer westlich Berlins bei Rathenow und Gülpe gelegen, das unter Astronomen schon lange als einer der dunkelsten Orte Deutschlands gilt und für Sternengucker ideal ist. Die Region kann sich nun „Deutschlands erster Sternenpark“ nennen.

Diesen Titel hat die International Dark-Sky Association (IDA) in den USA nach mehrjährigen Prüfungen verliehen. Immer wieder waren Mitglieder dieser Gesellschaft zum Schutz des dunklen Nachthimmels seit 2011 in die fast menschenleere Gegend gereist, um das entscheidende Kriterium für einen „Sternenpark“ zu prüfen: Die Milchstraße muss vom Boden aus mit bloßem Auge nicht nur als Himmelskörper erkannt, sondern auch mit möglichst vielen einzelnen Sternen als plastisches Gebilde erlebt werden können. Weltweit gibt es bisher nur 24 dieser ausgewiesenen Beobachtungspunkte, in Europa zählt die Liste lediglich acht Orte. Vor allem in Schottland und in Ungarn werben Regionen mit „absoluter Dunkelheit“. Bessere Bedingungen als im Naturpark gebe es nur noch im afrikanischen Namibia oder in der Höhe Chiles, erklärte Astronom Andreas Hänel vom Planetarium Osnabrück, der Sprecher der deutschen Initiative „Dark Sky - Vereinigung der Sternenfreunde“ ist.

Er hatte vor ein paar Jahren alles ins Rollen gebracht. Nach einem Tipp von Hobby-Astronomen schnappte er sich 2009 sein „Sky Quality Meter“, fuhr in den Naturpark und maß die Himmelshelligkeit. „Also ganz genau habe ich die Leuchtdichte ermittelt und einen Wert von 21,78 gemessen“, sagt Hänel. Es gebe nicht viele so dunkle Orte in Deutschland und Europa. „Ich müsste mich vielleicht noch einmal in Mecklenburg-Vorpommern umsehen.“ Wegen der starken Besiedlung gebe es viele künstliche Lichtquellen, die den Nachthimmel stark aufhellen. „Wir sprechen hierbei sogar von Lichtverschmutzung“, sagt er.

Die Chefin des Naturparks Westhavelland, Kordula Isermann, die den Antrag auf einen Sternenpark zusammen mit der zuständigen Amtsverwaltung stellte, freut sich auf viele Neugierige. „Astronomen und Hobby-Sternengucker suchen ja immer nach Orten ohne störende künstliche Lichtquellen“, sagte sie. „Diese können wir ihnen nun bei uns bieten, obwohl die Großstadt Berlin mit ihrer Ausstrahlung gar nicht weit entfernt liegt.“ Der Naturpark Westhavelland wird jetzt jedenfalls von der Internationalen Nachthimmel-Gesellschaft als Reiseziel beworben.

Auch ohne offizielles Sternenpark-Siegel waren in den Vergangenheit regelmäßig Hobbyastronomen ins Westhavelland gereist. Im September 2013 gab es das dritte Astrotreffen in Gülpe, bei dem Hänel und Isermann den einmaligen Nachthimmel vorführten und für ein Leben ohne Lichtsmog warben. Der Interesse stieg von Jahr zu Jahr an, immer mehr Hobby-Astronomen kamen mit ihren Teleskopen nach Gülpe.

Eine Landkarte zeigt diejenigen Gebiete, in denen es keine oder für die Himmelsbeobachtung nicht ins Gewicht fallenden Lichtquellen gibt. Dazu zählen die kaum besiedelten Landstriche rund um das winzige Lohm südlich der Bahnstrecke zwischen Neustadt und Bad Wilsnack, nördlich und südlich des Gülper Sees bei Strodehne und Parey sowie am Hohennauener See bei Semlin.

Am morgigen Mittwoch will das Umweltministerium bereits erste touristische Angebote vorstellen. Schon länger wurden Pläne geschmiedet, um weitere Besucher ins Westhavelland zu locken. So sollen etwa spezielle Outdoor-Liegestühle aufgestellt werden, und Hoteliers wollen ein spätes Frühstück für nächtliche Sternenschwärmer anbieten, die ausschlafen müssen. Künftig sollen an den ausgesuchten Orten Beobachtungskanzeln und Informationstafeln mit Angaben über den nächtlichen Sternenhimmel entstehen. Auch Führungen mit Fachleuten und Ferngläsern stehen auf dem Plan. So bieten sich Kombinationen mit den jetzt schon angebotenen Touren zum abendlichen Einflug der Kraniche, der Singschwäne oder der Gänse an.

Für die wenigen Orte am Rande der dunklen Gebiete bringt der Titel „Sternenpark“ nur wenige Auflagen. Lediglich die Straßenlaternen, deren Zahl ohnehin kaum ins Gewicht fällt, müssen nach oben hin abgeschirmt werden. „Die Orte müssen das Licht nicht dimmen, dürfen künftig aber nur Beleuchtungssysteme mit warm-weißen Licht unter 3000 Kelvin verwenden“, sagte Nationalparkleiterin Isermann. Der positive Effekt für den Tourismus gleicht diese vermeintlichen Nachteile wieder aus. Kein Bewohner muss jedenfalls seine Hofleuchte demontieren oder die Jalousien geschlossen halten.

Restlos dunkel ist es auch im Naturpark Westhavelland nicht. „Der Lichtkegel des 80 Kilometer entfernten Berlins zeichnet sich am Horizont ab“, sagt Isermann. Auch von einem Betrieb in Arneburg (Sachsen-Anhalt) dringt Licht herüber. Es gab aber schon Gespräche mit den Betreibern, um die Auswirkungen des künstlichen Lichts zu begrenzen. (mit dpa)

Bereits jetzt bietet eine Sternenkundlerin im kleinen Strodehne an der Havel abendliche Touren mit Erklärungen an. Der nächste Ausflug beginnt am 7. März um 18 Uhr im Raum der Vielfalt (www.marion-werner.de)

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