Energiepolitik: Brandenburgs Grüne rechnen Rot-Rot den Kohleausstieg vor
Studie hält Umstieg auf erneuerbare Energien bis 2030 für möglich – mit Verzicht auf Stromexport
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Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Reiner-Lemoine-Instituts im Auftrag der Grünen-Fraktionen beider Landesparlamente. Gewiss teilt das Institut die grünen Ideen von einer Energiewende von Haus aus: Der Namensgeber war Pionier der Branche und 1996 Mitgründer der Berliner Solarfirma Solon, dem ersten börsennotierten deutschen Solarunternehmen, das in dieser Woche von indischen Investoren aus der Insolvenz gekauft wurde.
Das Institut hat in seinem 60-Seiten-Papier vorgerechnet, dass der baldige Komplettumbau der Stromversorgung möglich ist. Allerdings setzen die Autoren einiges voraus: Der Stromverbrauch müsste bis 2020 imVergleich zu 2010 um 20 Prozent sinken. Institutschef Jochen Twele sagte am Donnerstag, dieses Ziel habe sich auch die rot-rote Landesregierung in ihrer Energiestrategie gesetzt. In Brandenburg würde der Ausbau der Solar- und Windparks bei gleichbleibender Einspeisevergütung anhalten. Das Land würde mit seinen Wind- und Solarparks nur noch sich selbst und die Importinsel Berlin versorgen. Kleinere Gaskraftwerke – statt unflexibler, wegen längeren Stillstands wirtschaftlich nicht tragbarer Braunkohlekraftwerke – würden Schwankungen im Netz auffangen, das überdies nicht weiter ausgebaut werden müsste. Gespeist würden die Kraftwerke mit Methan, das als Speicher für überschüssige Öko-Energie dient und mit dem dunkle Wintertage ohne Wind überbrückt würden. Brandenburg ist auf diesem Gebiet Vorreiter: Die Enertrag AG betreibt in der Uckermark ein Hybridkraftwerk, wo mit Windstrom Wasser per Elektrolyse gespalten wird und aus dem gewonnenen Wasserstoff mitsamt Kohlendioxid Methan entsteht. Das Enertrag-Projekt mausert sich zum Exportschlager. Hier sieht Twele den größten Investitionsbedarf.
Insoweit ist das Szenario schlüssig und deckt sich teils mit der Energiestrategie 2030 der Landesregierung, wonach der Strombedarf komplett erneuerbar produziert werden könnten. Allerdings postulieren die Autoren der Studie einen Systemwechsel – weg von großen Erzeugern, hin zu dezentralen Strukturen mit kleinen Kraftwerken, Solardächern, kleine Blockheizkraftwerken in Miethäusern. Deshalb sieht das Gutachten den stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien vor als Rot-Rot. Für 2030 bräuchte es beim Solarstrom eine installierte Leistung von 6000 Megawatt statt der in der Energiestrategie vorgesehenen 3500 Megawatt. Aktuell sind es noch 1280 Megawatt. Bei Windstrom sollen es knapp 12000 Megawatt statt der von Rot-Rot geplanten 8750 Megawatt und aktuell noch 4500 Megawatt sein. Hinzu kommen Methanisierungsanlagen mit einer Leistung von 800 Megawatt. Die Konflikte mit Anwohnern von Windparks glauben die Grünen einfach durch stärkereBeteiligung bereits in der Planungsphase und Gewinnbeteiligung lösen zu können.
Rot-Rot aber hält an der Braunkohle fest und bezeichnet deren Verstromung als Brückentechnologie zur Energiewende, die die Stromversorgung stabil und die Preise sozial verträglich halten soll. Brandenburg verantwortet deshalb aber deutschlandweit den größten Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2). Zudem sehen die Grünen in der Braunkohle einen Bremsklotz für die Energiewende und fordern den Ausstieg mitsamt Zukunftskonzept für die Lausitz, wo tausende Jobs an der Kohle hängen.
Im Kern geht es schließlich um die Frage, ob Brandenburg Stromexportland sein muss. Gutachter und Grüne meinen nein, auch weil mit der Energiewende der Bedarf an Strom aus Brandenburg sinke. Genau dieser Aspekt provozierte Kritik und markige Worte von Rot-Rot und FDP. „Wir haben eine nationale Verantwortung“, sagte SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher. Der Stromexport sei eine Verpflichtung für Deutschland und Europa, die Studie daher teils verantwortungslos. Gregor Beyer (FDP) erklärte: „Wenn sich das Energieland Brandenburg auf grüne Subsistenzwirtschaft beschränkt, gehen anderswo bald die Lichter aus.“
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