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Dietmar Woidke (r,SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, und Robert Crumbach (l,BSW), Brandenburgs Minister der Finanzen und für Europa.

© dpa/Hannes P Albert

Brandenburgs politische Stabilität zerbröselt: Land steuert auf Kaumregierbarkeit zu – oder eine AfD-Alleinregierung

In Brandenburg hat die AfD-Rechtspartei in einer Umfrage den höchsten Wert seit ihrer Gründung erreicht. Wohin das Bundesland steuert, das immer noch als Bollwerk politischer Stabilität galt.

Thorsten Metzner
Ein Kommentar von Thorsten Metzner

Stand:

Das nächste Allzeithoch für die AfD in Brandenburg. Nun sind es 35 Prozent, nach dem jüngsten Brandenburg-Barometer. Solche Rekordwerte für die Rechtspartei, vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, sind in der Mark mittlerweile die Regel geworden. Und kein Ende des Aufstiegs ist in Sicht. Wohin führt das noch?

Ausgerechnet in Brandenburg. Dabei gilt das Boomland des Ostens, seit 1990 ununterbrochen von sozialdemokratischen „Landesvätern“ regiert, trotz der allgemeinen Erschütterung des Systems dieser Republik bisher immer noch als Bollwerk der Stabilität. Die Stimmung hat sich auch hier weiter von der realen Ist-Lage entkoppelt, allgemeine Gereiztheit, Emotionen, Polarisierungen. Vor allem: Es sind Zukunftsängste, die das Fühlen prägen.

Dass da die Unzufriedenheit in der Bevölkerung erneut gewachsen ist, kann nicht überraschen. Die von Dietmar Woidke geführte einzige deutsche Regierungskoalition aus SPD und BSW gab und gibt im Zuge des selbstzerstörerischen Schmierentheaters in der Wagenknecht-Partei ein miserables Bild ab, obwohl die Regierung selbst tatsächlich gut regiert.

Das sogenannte Bündnis Sahra Wagenknecht, das im Richtungskampf um Hardcore-Opposition und Gestaltungsanspruch im Grunde gar keins mehr ist, arbeitet sich prompt abwärts, auf die Fünf-Prozent-Hürde zu, noch gut bedient mit den sieben Prozent jetzt.

Die Sozialdemokraten bekommen weiter keinen Boden unter die Füße, nun 22 Prozent, schlechter geht’s immer. Das Ansehen von Regierungschef Dietmar Woidke hat gelitten, seine Popularitätswerte sind so niedrig wie nie seit 1990, aber immer noch die höchsten weit und breit. Jeder Zweite ist mit seiner Arbeit zufrieden, das ist viel in dieser Zeit.

Um das Erstarken der AfD abzubremsen oder gar zu stoppen, reicht Woidke als Zugpferd trotzdem nicht mehr. Sein Sieg bei der Landtagswahl 2024 nach dem Ich-oder-die-AfD-Wahlkampf war eine Ausnahme. Ansonsten liegt die extreme Rechtspartei nunmehr seit zwei Jahren in der Wählergunst mit Abstand und ununterbrochen vorn, gewann Kommunal-, Europa- und Bundestagswahl. Es ist auch die Dauerschleifen-Debatte um „Brandmauer“ und AfD-Verbot, die diese gefährliche rechtsextreme Partei stärker macht, AfD-Alleinregierungen im Osten nicht mehr unmöglich sind.

Die Verhältnisse in Brandenburg sind erschüttert wie nie seit 1990, das Vertrauen in Institutionen sinkt. Aktuell wären Grüne und Linke wenigstens wieder im Landtag. Doch es wird immer komplizierter, ohne die AfD überhaupt noch eine Koalition mit einer eigenen Mehrheit zu bilden, kein Zweier-Bündnis möglich, nicht einmal mehr ein Dreierbündnis. Vierer-Koalitionen aus SPD, CDU, Linken und Grünen? Tolerierte Minderheitsregierungen?

Die Rückwirkung dieser ersten allgemeinen Instabilität auf die Wählergunst dürfte noch stärker werden, da das Abschmieren der Wagenknecht-Partei und der Fundamentalkurs im Bund zu weiterer Opposition gegen die eigene Landesregierung verführt. Kurzum, mit diesem BSW wird nicht mehr lange ein Staat zu machen sein.

Und nun? Mit diesem Beben wird Ministerpräsident Dietmar Woidke nicht mehr bis zum Ende der Legislaturperiode 2029 regieren können. Mit Innenminister René Wilke, schon jetzt der Hauptgegner der AfD in der Regierung, steht ein geeigneter Nachfolger bereit. Mit einem Weiter-So steuert Brandenburg mit Volldampf auf die Kaumregierbarkeit zu. Oder auf eine AfD-Alleinregierung.

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