Brandenburg: Brauner Wanderzirkus in Bestensee
Erneut marschieren Neonazis gegen eine Asylunterkunft auf – in tiefster Dunkelheit
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Bestensee - Ein düsteres Spektakel spielte sich am Samstag in Bestensee (Dahme-Spreewald) ab. Knapp 100 Neonazis marschierten durch die menschenleeren Straßen der Gemeinde und hetzten gegen die geplante Unterbringung von 150 Asylsuchenden im Ortsteil Pätz. „Nein zum Heim“ skandierten die Teilnehmer des Aufmarsches, die unter dem Motto „Das Licht der Hoffnung ist nicht erloschen, Asylwahnsinn stoppen“ (PNN berichteten) durch die Dunkelheit zogen.
Nur Kerzen und Lampions erstrahlten zwischen Brandenburg-Fahnen und Transparenten. Durch Wartungsarbeiten waren die Ampeln in der Hauptstraße nämlich abgeschaltet – dem Vernehmen nach ein symbolisches Zeichen der Gemeinde, dass die Neonazis unerwünscht sind. Fackeln hatte die Polizei den Neonazis im Vorfeld untersagt, ebenso weiße Masken. Die Masken sind, neben den martialischen Auftritt und der Verschleierung der Identität, eine Anspielung auf das im Juni 2012 verbotene Neonazi-Netzwerk „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“, welches die Masken für ihre Propaganda-Aktionen nutzten, sagte eine Polizeisprecherin.
Gegen 16 Uhr sammelte sich der Demonstrationsaufzug auf dem Bahnhof. Mit einem großen, einem Ortseingangsschild nachempfundenen Transparent mit der Aufschrift „Bestensee ist bunt“ und dem durchgestrichenen Wort „Fremdenhass“ in Frakturschrift wurden die Neonazis von wenigen Gegendemonstranten begrüßt. Nur einige Anwohner stoppten kurz und fragten, was der Aufzug soll. „Als ich das letzte Mal mit meinen Auto bei der Nazi-Kundgebung gehupt habe, haben sie mein Auto mit Steinen angegriffen“, berichtete ein älterer Mann. Eine große Gegendemonstration wie sonst in Brandenburg üblich gab es diesmal nicht. „Wir haben auf eine Gegenveranstaltung verzichtet, da wir dieser Demo keine unnötige Aufmerksamkeit schenken wollten und weil kein Bestenseer an dieser Veranstaltung teilgenommen hat“, sagte der Lokalpolitiker Robert Seelig (Linke). Gegendemonstranten bezeichneten den Neonazi-Aufmarsch denn auch als „Wanderzirkus“. Tatsächlich ist es in Bestensee bereits die dritte größere Aktion von Rechtsextremisten, teilgenommen haben jedesmal Neonazis und NPD-Mitglieder aus Brandenburg und Berlin. Nirgends sonst im Land waren es bei Neonazi-Aufmärschen gegen Flüchtlingsheime so viele wie in Bestensee.
In der vergangenen Woche machten die Rechtsextremisten im Nachbarort Teupitz für den Aufmarsch mobil. Es wurden Handzettel verteilt, die sich an „liebe Muttis“ richten. Tatsächlich wird aber plump und rassistisch gegen Sinti und Roma gehetzt. Der Staatsschutz der Polizei ermittelt wegen des Verdachts auf Volksverhetzung. Unter Hinweis auf „dunkle Menschen mit schwarzen Haaren und fremder Sprache“, eine „organisierte Zigeunerbande“, die Kindern Schmuck und Spielzeug anbietet, sie verschleppt, in einen Wohnwagen lockt und in Osteuropa verkauft, warnen die Verfasser des Handzettels gegen die bevorstehende Unterbringung von Asylsuchenden in Pätz. Sie sollen Krankheiten und Kriminalität mitbringen, auch das war der Tenor der Reden des Neonazis-Aufmarsches am Samstag.
Die Autoren der Facebook-Seite „Nein zum Heim in Pätz“ aber drohten mit rechtlichen Schritten gegen die Behauptung, dass es sich bei dem Aufmarsch um eine NPD-Veranstaltung handeln würde. Das ist skurril, denn Redner waren Ronny Zasowk, Manuela Kokott und Pierre Dornbrach – alles bekannte Kader der Brandenburger NPD und ihrer Jugendorganisation JN. Auch in der Vergangenheit hatte man versucht, den Anschein von NPD-Nähe zu vermeiden. Bei der Demonstration im Oktober wurde das Partei-Logo auf einem Transparent mit einen Kinderbild überklebt. Der Anmelder des Aufzugs am Samstag, Benjamin W., kandidierte bei der Kommunalwahl 2008 für die NPD.
Viel Anklang fanden die Neonazis nicht. Nur bei ihren Reden in einer Plattenbau-Siedlung stellten sich einige Anwohner dazu, ein älteres Paar klatschte mit. Nach knapp zwei Stunden war der Spuk vorbei. „Die Stimmung in Bestensee hat sich sowieso geändert, was vor allem der guten Öffentlichkeitsarbeit von Kreis und Gemeinde zu verdanken ist“, sagte Linke-Politiker Seelig. Tatsächlich können Bürger auf der Internetseite der Gemeinde Fragen an die Verwaltung und die Heimbetreiber stellen, die Antworten sollen veröffentlicht werden. Und es hat sich die Initiative „ProAsyl Pätz“ gegründet, im Internet informiert sie regelmäßig über Hilfsaktionen für die künftigen Heimbewohner. Ney Sommerfeld
Ney Sommerfeld
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