zum Hauptinhalt

Brandenburg: Braunkohlestrategie – Rechnung mit Unbekannten und Variablen

Worauf Brandenburgs Landesregierung und der Konzern Vattenfall setzen und wie der Stand der Technik ist

Stand:

Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) wiederholt es gebetsmühlenartig und wird es wohl auch am Donnerstag im Landtag tun (siehe nebenstehenden Beitrag): Bedingung für neue Tagebaue in der Lausitz sollen moderne Kraftwerke sein, bei denen das als Klimakiller Nummer eins geltende Kohlendioxid aus der Abluft abgetrennt und unterirdisch gelagert werden soll. Der schwedische Staatskonzern Vattenfall, der in der in der brandenburgisch/sächsischen Lausitz die Kohle abbaut und in den Kraftwerken Jänschwalde, Schwarze Pumpe (beide Brandenburg) und Boxberg (Sachsen) verstromt, hat denn auch zugesagt, „spätestens ab 2015“ in Jänschwalde ein erster 300-Megawatt-Kraftwerksblock der so genannten CO2-armen Technologie in Betrieb zu nehmen. Im Gegenzug will ihm Brandenburg für dieses Jahrhundert drei neue Tagebaue genehmigen. „Ohne CO2-arme Kraftwerke wird es langfristig keine Braunkohleverstromung geben“, so der schwedische Vattenfallchef Lars-Göran Josefsson.

Doch noch ist unklar, was langfristig in diesem Fall heißt. Denn sowohl technische Komponenten als auch Technologie und die unterirdische Lagerung befinden sich erst in Entwicklungs- bzw. ersten Testphasen. Und völlig offen ist, was mit den alten Kraftwerken geschieht, wenn der kleine „CO2-arme“ Vattenfall-Musterblock gebaut ist. Denn für Kohlekraftwerke gibt es keine festgeschriebene Maximal-Laufzeit. Die Kraftwerke in Jänschwalde und Schwarze Pumpe könnten – legt man die durchschnittliche Laufzeit von 40 Jahren zu Grunde – bis zum Jahr 2035 oder 2040 laufen. Da aber jede Modernisierung die Laufzeit verlängert, könnten die Kohlekraftwerke in Brandenburg auch weit länger am Netz bleiben, so Vattenfall.

Sollte sich also nach dem Bau des einen Muster-Blocks 2015 herausstellen, dass diese Technik nicht wirtschaftlich ist oder, dass sich andere, effizientere Technologien durchsetzen, hätte Brandenburg die neuen Tagebaue für Vattenfall längst genehmigt.

Außerdem verfolgt Vattenfall weltweit eine Doppelstrategie: Der Konzern setzt auf herkömmliche Energieträger wie Kohle und Kernkraft – in Schweden auch auf Wasserkraft – und auf der anderen Seite plant der Konzern den massiven Ausbau der Windenergiesparte und ein massives Forschungsprogramm für nachwachsende Rohstoffe. Worauf der Konzern, der auch in Schweden wegen der Probleme in seinen Kernkraftwerken und zunehmend auch wegen seiner Kohlepolitik in der Kritik steht – in 20 Jahren setzt, ist völlig offen. Brandenburgs Kohleplanung ist für den internationalen Konzern eher nebensächlich. Aus der Konzernzentrale heißt es regelmäßig, für den Fall, dass sich Kohleabbau und -verstromung nicht mehr rentierten, habe man andere, dann lukrativere Strategien fertig.

Noch aber setzen Vattenfall und Brandenburgs Landesregierung auf die „CO2-arme“ Kohlevariante. Vattenfall erforscht zusammen mit dem Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) im brandenburgischen Ketzin die unterirdische Lagerung von CO2. Dabei handle es sich nur um eine reine Forschungslagerstätte, so Professor Frank Schilling vom GFZ. Sei man mit den – derzeit vielversprechenden – Test fertig, könne man definitive Aussagen zur Tauglichkeit des Verfahrens auch nur für diesen einen – nicht als Lagerstätte vorgesehenen – Standort Ketzin machen. Noch werden die Tests nicht mit Abgasen aus Kohlekraftwerken durchgeführt. Dreimal wöchentlich wird reines Industrie-CO2 aus Leuna angeliefert. Wie sich das mit anderen Stoffen versetzte Kraftswerks-CO2 unterirdisch verhalten und reagieren wird, könne noch nicht abschließend erforscht werden, da die Technik zur Abscheidung des Klimakillers aus der Kraftwerksabluft auch erst das Laborstadium verlassen hat, so GFZ-Forscher Schilling. Vattenfall hat gerade eine Mini-Pilotanlage in Betrieb genommen.

Weitgehend unerforscht ist laut GFZ, was sich nach der Einlagerung des CO2 und dem Verschließen über Jahrzehnte hinweg genau in den unterirdischen CO2-Verklappungsstätten abspielt.

Ungeklärt ist auch die Öko-Bilanz der CO2-Abscheidung und -Verklappung. Denn für alle Prozesse wird Energie benötigt. Kritiker wenden ein, der Energieaufwand für das Gesamtverfahren könne zu hoch sein. Ein weiteres Problem nennt Professor Schilling vom GFZ: Die Kraftwerke befinden sich weit entfernt von möglichen CO2-Lagerstätten. Solle das CO2 (ein Gefahrgut) nicht mit Tankzügen transportiert werden, müssten Pipelines gelegt werden. Setze sich die Abscheidungstechnologie, die als potentieller Exportschlager gilt, auch in Deutschland durch, müsse langfristig ein ganzes Leitungssystem gebaut werden; ähnlich dem Erdgasverbundnetz, mit dem in Deutschland Erdgas verteilt wird.

Egal wie, Vattenfall werde auf jeden Fall in die neue Technologie eine Milliarde Euro investieren, so Konzernchef Josefsson. Offen blieb bisher, ob dies nur zur Entwicklung der Technologie für den Export gilt oder auch für den Bau von mehreren Kraftwerksblöcken, die etwa die das alte 3000-Megawatt-Kraftwerk Jänschwalde ersetzen könnten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })