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Auch die Köpfe rauchen. Die Vattenfall-Anlage in Jänschwalde (Spree-Neiße) ist nach Konzern-Angaben das größte deutsche Braunkohlekraftwerk. Über die Zukunft wird nachgedacht.

©  dpa

Brandenburg: BUND: Ausstieg statt Einstieg

Umweltverbände warnen vor Übernahme der Braunkohlesparte durch das Land

Von Matthias Matern

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Potsdam/Berlin - Immer wieder wurde über einen Rückzug Vattenfalls aus dem Braunkohlegeschäft in Brandenburg spekuliert, immer wieder wurde dementiert. Vergangenen Sommer hatte Konzernchef Øystein Løseth dann allerdings in Stockholm verkündet, dass der Konzern neu geordnet werde und man Investoren für eine Beteiligung oder die Komplettübernahme von Geschäftseinheiten auch in Deutschland suche. In der Lausitz hängen an der Braunkohle rund 10 000 Arbeitsplätze. Eine Übernahme der Kraftwerke und Tagebaue durch das Land Brandenburg, wie sie Landeswirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) offensichtlich für den Ernstfall erwägt, stößt zumindest bei Teilen der Opposition im Landtag und bei Umwelt- und Naturschutzverbänden auf erhebliche Kritik. Laut PNN-Information würde der Kaufpreis immerhin vier Milliarden Euro betragen.

„Für den Landeshaushalt wäre ein Ankauf meines Erachtens ein großes Risiko, weil absehbar ist, dass die Auslastung der Kraftwerke wegen des Ausbaus der erneuerbaren Energien weiter zurückgeht“, warnte etwa der Energieexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace, Gerald Neubauer, am Montag. Der springende Punkt sei viel mehr, dass die Betreiber, wer auch immer es sei, erkennen müssten, dass es mit der Braunkohle nicht bis 2050 so weitergehen könne, sagte der Greenpeace-Experte weiter. „Beim Land Brandenburg vermisse ich die Einsicht. Auch der Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND), Axel Kruschat, kritisierte die Gedankenspiele Christoffers. „Die Frage ist nicht, wem gehören die Tagebaue und Kraftwerke, sondern wie schafft man einen sozialverträglichen Ausstieg“, sagte Kruschat. Dafür müsse man nicht erst vier Milliarden Euro zahlen.

In Schweden steht Vattenfall schon seit Jahren wegen seines umweltschädlichen Braunkohlegeschäfts in der Kritik. Die Kraftwerke des Konzerns in Brandenburg gehören zu den dreckigsten in ganz Europa. Angaben des brandenburgischen Umweltministeriums zufolge sind sie für mehr als die Hälfte des landesweit jährlich anfallenden Kohlendioxid-Ausstoßes verantwortlich. Andererseits ist Vattenfall in der Lausitz der wichtigste Arbeitgeber.

Für seine Überlegungen bekam Christoffers am Montag Rückendeckung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). „Es ist legitim, rein vorsorglich alle Szenarien durchzuspielen und durchzurechnen. Das ist Aufgabe eines Wirtschaftsministers“, sagte Woikde, der als ausgesprochener Braunkohle-Freund gilt. Erkenntnise, dass Vattenfall verkaufen wolle, habe die Landesregierung derzeit aber nicht, fügte Woidke hinzu. Um das Szenario durchspielen zu lassen, will Christoffers wie berichtet eine Arbeitsgruppe gründen. Auch gab es bereits erste Sondierungsgespräche mit Vertretern des Konzerns. Dies allerdings wurde am Montag auf PNN-Nachfrage von Vattenfall dementiert: „An der ganzen Geschichte ist nichts dran. Es gab keinerlei Gespräche mit der Landesregierung oder mit einzelnen Ministerien zu diesem Thema“, sagte Konzernsprecher Stefan Müller.

Lange galt die Privatisierung als Allheilmittel. Inzwischen ist der Rückerwerb von Energieunternehmen durch die öffentliche Hand, die Rekommunalisierung von Stadtwerken oder Energienetzen, kein Tabu mehr. Befürworter versprechen sich davon die Chance, den Anstieg der Energiepreise zu dämpfen, aber auch weniger äußere Abhängigkeiten. Dieses Pro-Argument wird auch in Brandenburg angeführt, wo die Braunkohle trotz des rasanten Ausbaus erneuerbarer Energien immer noch Energieträger Nummer eins ist.

Allerdings gibt es auch gewichtige Gründe dagegen. Problematisch wäre, dass das Land für die Genehmigung neuer Tagebaue zuständig und gleichzeitig Betreiber wäre. Vor allem aber sind es finanzielle Risiken, zumal Brandenburg bereits jetzt mit 18 Milliarden Euro verschuldet ist. Wie riskant solche Pläne sind, zeigte auch der Fall Baden-Württemberg: Das Land hatte unter dem CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus seine früheren Anteile am Energieversorger EnBW 2010 zurückgekauft, was zu einem Untersuchungsausschuss und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen führte.

Daran erinnerte am Montag auch der Fraktionschef der Grünen im brandenburgischen Landtag, Axel Vogel. ,,Es ist nicht Aufgabe des Staates, als Investor aufzutreten. Christoffers sollte den Rückkauf der Anteile des Energieversorgers EnBW 2010 unter dem früheren CDU-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Stefan Mappus als Menetekel ernst nehmen“, sagte Vogel.M. Matern, Th. Metzner

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