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Stillstand. Die S-Bahn ist von der Normalität weit entfernt. Die Züge müssen aus technischen Gründen langsamer fahren denn je. Nach scheinbar endlosem Chaos, könnte sich die Politik nun aber bewegen  und einen Teil des Netzes neu ausschreiben.

© dpa

Von Klaus Kurpjuweit und Peter Tiede: Bürgen für Bahn-Konkurrenz?

S-Bahn-Chaos: Berlin plant Ausschreibung von Teilen des Netzes und Hilfen für neue Betreiber. Auftragsvergabe müsste spätestens 2012 erfolgen

Stand:

Berlin/Potsdam - Noch dementiert die Berliner Stadtentwicklungsverwaltung, dass es Pläne gibt, das Monopol der Deutschen Bahn beim Betrieb der Berliner S-Bahn zu brechen, wie es das Magazin „Der Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe schreibt. Doch nach PNNB-Informationen sind sowohl das Bekanntwerden der Pläne als auch das Dementi nur Teil einer normalen politischen Übung: Die Bahn soll vor den Gesprächen zum S-Bahn-Chaos in Berlin und dem brandenburgischen Umland unter Druck gesetzt werden. Ein Insider beschrieb am Sonntag gegenüber den PNN das Verfahren so: „Der Bahn wird jetzt das Folterbesteck gezeigt: entweder ihr kommt uns entgegen oder ihr seid einen großen Teil vom S-Bahn-Kuchen los.“

Denn laut „Spiegel“ plant der Berliner Senat, einen Teil des Netzes der S-Bahn neu auszuschreiben. Für die erforderliche Fahrzeugbeschaffung von 192 Doppelwagen im Wert von einer halben Milliarde Euro durch die neuen Betreiber werde das Land bürgen, heißt es in dem Bericht. Erste Gespräche mit Wettbewerbern der Bahn liefen bereits.

Möglich wäre auch, den Betrieb an die landeseigene BVG, die in Berlin das Bus- sowie das Straßen- und U-Bahnnetz betreibt, zu übertragen. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) favorisiert einen Kauf des Unternehmens. Die Bahn will die S-Bahn nicht abgeben. Entschieden werden soll „zeitnah“.

Die Idee, das Land für den Kauf neuer S-Bahn-Züge bürgen zu lassen, um den Bahn-Konkurrenten die Finanzierung zu erleichtern, wird von denenen – wenig überraschend – unterstützt. Dies sei ein faires Verfahren, heißt es beim Verband Mofair, in dem sich Wettbewerber der Bahn zusammengeschlossen haben.

Klar ist, dass für den Betrieb nach dem Auslaufen des Verkehrsvertrags mit dem Senat neue Fahrzeuge einsatzbereit sein müssen. Sollte die S-Bahn eine Ausschreibung für ein Drittel des Netzes verlieren, ist sie bisher nicht bereit, ihre Fahrzeuge an einen Konkurrenten zu verkaufen. Bliebe sie am Zug und könnte weiterfahren, müsste die S-Bahn neue Züge kaufen, weil zumindest ein Teil ihrer derzeitigen Flotte spätestens nach 2017 ausgemustert werden muss. Die für die BVG entwickelte Baureihe 480, die schon mehrfach gebrannt hat, und die für die Reichsbahn in Ost-Berlin gebaute Reihe 485 sind dann am Ende ihrer Einsatzzeit.

Ob ausgeschrieben wird, will der Senat „zeitnah“ entscheiden. Viel Spielraum bleibt auch nicht, denn für das Entwickeln, den Bau und das Erproben sowie die Zulassung neuer Züge rechnen Experten mit einer Spanne von fünf Jahren. Der Auftrag zum Bau müsste daher spätestens 2012 erteilt werden.

Beschafft werden sollen nach dem bisherigen Konzept zunächst 192 Doppelwagen im Wert von rund 500 Millionen Euro. Durch eine Bürgschaft des Landes wäre auch für private Konkurrenten der notwendige Kredit leichter zu beschaffen.

Wettbewerb in einer Ausschreibung gibt es nur, wenn es eine Chancengleichheit zwischen der Bahn AG und den Konkurrenten gibt. In Hamburg und Stuttgart war jeweils die Bahn der einzige Bewerber. Und auch um den Betrieb attraktiver Strecken im Regionalverkehr in Berlin und Brandenburg hatten sich am Ende nur zwei Unternehmen beworben: die Bahn AG und die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft.

Im Bundesverkehrsministerium will man den Fahrzeugkauf beschleunigen. Gespräche, in denen die Anforderungen an das Fahrzeug festgelegt werden, sollten umgehend beginnen. Nach Angaben von Experten hätte diese „Spezifikation“ schon längst erfolgen können, da sie unabhängig vom Betreiber ist.

Und jeder Monat kann zählen. Für ihren Regionalverkehr in Deutschland hat die Bahn 2010 neue „Talent“-Züge einsetzen wollen. Wegen technischer Probleme gibt es bis heute aber keine Zulassung.

Heute wird Bahnchef Rüdiger Grube im Verkehrsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses Fragen der Abgeordneten zur S-Bahn beantworten und wahrscheinlich auch mitteilen, ob es eine weitere Entschädigung für Fahrgäste gibt. Die Sitzung wird von 10.15 Uhr vom RBB übertragen.

Seit Sonntag immerhin fährt die S-Bahn wieder alle zehn Minuten nach Spandau und Potsdam.

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