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Von Ulrich Zawatka-Gerlach: Charité soll nicht zerschlagen werden Rot-Rot in Berlin einigt sich in strittigen Fragen und will öffentlichen Beschäftigssektor schrumpfen

Berlin - Die rot-rote Koalition in Berlin will an den drei Standorten für die Charité festhalten. Also nicht nur an der Zentrale und am Rudolf-Virchow in Berlin-Mitte, sondern auch am Benjamin-Franklin-Klinikum in Steglitz-Zehlendorf.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

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Berlin - Die rot-rote Koalition in Berlin will an den drei Standorten für die Charité festhalten. Also nicht nur an der Zentrale und am Rudolf-Virchow in Berlin-Mitte, sondern auch am Benjamin-Franklin-Klinikum in Steglitz-Zehlendorf. Das bestätigten am Mittwoch die Fraktionschefs Michael Müller (SPD) und Udo Wolf (Linke) „in der Tendenz“. Das schließt eine bessere Kooperation und Aufgabenverteilung der Krankenhäuser in Berlin nicht aus.

In einer anderen Frage können sich Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) und die Charité, Europas größtes Universitätsklinikum, aber voraussichtlich nicht durchsetzen. Berlins SPD-Chef Müller sprach sich, ganz im Sinne des Finanzsenators Ulrich Nußbaum, für eine „vernünftige, schrittweise Sanierung“ des Bettenhochhauses in Mitte aus. Das wäre, ähnlich wie beim Internationalen Congress Centrum (ICC), die bessere Lösung als ein Neubau. „Wenn wir neu bauen, wohin sollen wir dann mit dem alten Bettenhaus?“ Der Finanzsenator hatte die Pläne der Charité für ein neues Haus mit 680 Betten, das 347 Millionen Euro kosten sollte, im Juni 2009 gestoppt.

Auch beim ICC beharrt Müller auf einer Sanierung des mehrfach preisgekrönten, aber asbestbelasteten und unwirtschaftlichen Kongressgebäudes aus den siebziger Jahren. „Warum sollen wir das ICC kaputt machen?“, fragte Müller. Die Abrisskosten seien hoch. Eine Vermietung oder ein Verkauf des Kongresszentrums sei ebenfalls keine tragfähige Variante, denn auch in diesem Fall müsse das Gebäude von Schadstoffen befreit werden. Die SPD werde am ICC festhalten.

Linksfraktionschef Wolf sieht die Sache lockerer. „Das ICC ist für uns kein Dogma.“ Die Frage sei doch, welche Lösung des Problems kostengünstiger sei: Abriss und Neubau eines Kongresszentrums oder die Sanierung des ICC bei laufendem Betrieb. Finanzsenator Nußbaum hatte vor zwei Wochen die öffentliche Diskussion um den Fortbestand des ICC neu entfacht, weil er befürchtet, dass die Kosten einer Sanierung auf 250 bis 300 Millionen Euro steigen könnten.

Das Feilschen um dreistellige Millionenbeträge, die verbaut werden sollen oder müssen, hat einen ernsthaften Hintergrund: Die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung könnte Berlin Einnahmeausfälle bis zu einer Milliarde Euro jährlich bescheren. „Das treibt die Stadt in den Ruin“, sagte Wolf. „Das legt Berlin lahm“, sagte Müller. Der Senat werde alle politischen und juristischen Mittel ausschöpfen, um dagegen Widerstand zu leisten. Aber auch ohne die neue, umstrittene Finanzpolitik des Bundes muss Rot-Rot voraussichtlich zusätzlich Schulden machen, um Kitas, Schulreform und Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst ab 2010 zu finanzieren.

SPD und Linke wollen in Berlin zudem in jedem Fall darauf verzichten, weitere Landesunternehmen zu verkaufen. „Eher wollen wir noch mehr kommunale Verantwortung übernehmen“, sagte SPD-Chef Müller. Als Beispiele nannte er die mögliche Übernahme der S-Bahn oder den Rückkauf von Anteilen an der Gasag oder den Berliner Wasserbetrieben. Darüber werde koalitionsintern aber noch diskutiert.

Die Berliner SPD will zudem den öffentlichen Beschäftigungssektor – wie ihn auch Rot-Rot in Brandenburg einführen will – aus Kostengründen auf neue Füße stellen. 170 Millionen Euro aus Landes- und Bundesmitteln für 7500 Langzeitarbeitslose ist den Sozialdemokraten zu viel. Das gleiche Ergebnis ließe sich mit anderen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten preiswerter erzielen, meinen die Berlinere Sozialdemokraten. Auch der Berliner Linksfraktionschef Wolf gibt zu, dass der ÖBS, den seine Genossen in Brandenburg nach Berliner Vorbild gerade erst durchgesetzt haben, eine „eher teure Variante“ sei.

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