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Von Alexander Fröhlich: Christoffers im Alleingang Linke-Wirtschaftsminister will mit einem juristischen Trick ein zügiges Urteil zur Erkundung von CO2-Endlagern in Ost-Brandenburg erzwingen – seine Genossen und auch Gegner vor Ort sind entsetzt

Potsdam - Im Streit um die unterirdischen Endlager für das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2) wird es um Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) zunehmend einsam – im Ministerium und in der eigenen Partei. Im Erkundungsbeirat verkündete er am gestrigen Mittwoch, dass der vom Energiekonzern Vattenfall beantragte Hauptbetriebsplan für die Untersuchung der Speicherstätte bei Beeskow (Oder-Spree) alsbald genehmigt wird.

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Potsdam - Im Streit um die unterirdischen Endlager für das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2) wird es um Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) zunehmend einsam – im Ministerium und in der eigenen Partei. Im Erkundungsbeirat verkündete er am gestrigen Mittwoch, dass der vom Energiekonzern Vattenfall beantragte Hauptbetriebsplan für die Untersuchung der Speicherstätte bei Beeskow (Oder-Spree) alsbald genehmigt wird.

Aus Ministeriumskreisen war von einer „einsamen Entscheidung ohne Not“ die Rede. Auch die Linke selbst ging auf Distanz zu ihrem Minister. Intern ist von Wortbruch die Rede. Noch am Montag hatten sich Fraktions- und Parteivorstand mit Christoffers darauf verständigt, keine Genehmigung zu erteilen. Landesparteichef Thomas Nord und Landtagsfraktionschefin Kerstin Kaiser hatten sich bislang schützend vor ihren Wirtschaftsminister gegen Angriffe aus den eigenen Reihen gestellt. Mit der gebrochenen Absprache hat sich Christoffers gestern vollends selbst isoliert. Kaiser und Nord sprachen von einer zwar „formal juristisch begründeten“ Genehmigung, die aber „in der jetzigen Situation problematisch“ sei, weil unklar ist, ob die von Rot–Rot vereinbarten Mindeststandards sich in einem Bundesgesetz wiederfinden. Dies sei rechtlich bedenklich und politisch ungeschickt, hieß es aus der Partei.

Dabei ist Christoffers’ Entscheidung eigentlich nur ein juristischer Kniff, um in der unsicheren Rechtslage Klarheit zu bekommen. Ob diese Strategie aufgehen wird, ist allerdings fraglich. Zum Hintergrund: Der Energiekonzern Vattenfall will in Jänschwalde (Spree-Neiße) bis 2015 ein Demonstrationskraftwerk bauen. Dort soll bei der Verstromung von Braunkohle anfallendes CO2 abgeschiedenen, verflüssigt und in den Regionen um Neutrebbin (Märkisch-Oderland) und Beeskow in Salzwasser-Schichten verpresst werden. Die Technologie heißt Carbone Capture and Storage – CCS.

In den Regionen hat sich in mehreren Bürgerinitiativen zwar heftiger Widerstand formiert, dennoch hatte das dem Wirtschaftsministerium unterstehende Landesbergamt bereits 2009 und 2010 die Erkundung der Speicherstätten bergrechtlich genehmigt. Die Stadt Beeskow hat deshalb beim Verwaltungsgericht Cottbus Klage eingereicht – mit aufschiebender Wirkung. Aus Sicht der Stadt kann das Land die Erkundung der CO2-Endlager nicht auf Grundlage des Bergrechts genehmigen, sondern höchsten mithilfe eines CCS-Gesetzes des Bundes. Das aber lässt auf sich warten. In der Bundesregierung liefern sich die Ministerien für Umwelt und Wirtschaft ein Tauziehen um die Details, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bestehen auf einer Ausstiegsklausel. Ein Beschluss des Bundeskabinetts war mehrmals verschoben worden. Bis Juni hat Deutschland Zeit, die CCS-Richtlinie der Europäischen Union zu erfüllen.

Mit der Genehmigung des Hauptbetriebsplans will Christoffers nun den Rechtsstreit mit der Stadt Beeskow beschleunigen – per Eilverfahren. Dem muss aber die Stadt zustimmen. Wie es gestern von der örtlichen Bürgerinitiative hieß, sehe Bürgermeister Frank Steffen (SPD) dafür keinen Anlass. „Es besteht keine Eile. Wir müssen uns nicht darauf einlasssen“, sagte Udo Schulze von der Initiative „CO2-Endlager stoppen“. Er bezeichnete die Entscheidung als Provokation, der Beirat sei damit hinfällig. „Mit brachialer Gewalt setzt die Landesregierung ihre Pläne durch.“ Denn der Beirat selbst, der Empfehlungen abgeben kann, lehnte die neue Genehmigung ab. Laut einem mehrheitlich gefassten Beschluss hält das Gremium Vattenfalls Untersuchungsmethoden für unzureichend. Christoffers aber verfolgte mehrere Ziele. Er will „Klarheit über die notwendige Rechtsgrundlage“ – ob Bergrecht oder CCS-Gesetz – und zugleich den Druck auf den Bund erhöhen, endlich ein CCS-Gesetz zu verabschieden. Im Hintergrund aber will Christoffers das gesamte Genehmigungsverfahren beschleunigen – im Sinne Vattenfalls. „Es dauert zu lange, wenn wir erst mit dem Verfahren anfangen, wenn das CCS–Gesetz vorliegt“, sagte Christoffers. Vattenfall soll sofort loslegen können mit der Erkundung, sobald das Gesetz greift, zumal weiter Sonderpläne genehmigt werden müssen. Eine Sprecherin des Energiekonzerns sagte, eine Erkundung mache auch ohne CCS-Gesetz Sinn. „Je früher, desto besser“, sonst komme es zu Engpässen.

Der Beeskower Linke-Landtagsabgeordnete Peer Jürgens, der Mitglied im CCS-Beirat ist, sagte, Christoffers stelle sich nicht nur gegen die Menschen in der Region, sondern gegen wissenschaftliche Expertisen. Die Grünen-Abgeordnete Sabine Niels warf Christoffers vor, das Erkundungsverfahren „durchpeitschen zu wollen“. Kritik werde nicht hinreichend berücksichtigt, der Beirat sei nur ein Feigenblatt. Und BUND-Landesgeschäftsführer Axel Kruschat sagte: „Für Vattenfall wäre das bislang wie eine Erkundung unterirdischer Sole. Hier geht es aber um die Verpressung von CO2.“

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