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Klimakiller. Auch ohne das Braunkohlekraftwerk des Energiekonzern Vattenfall in Jänschwalde wird Brandenburg seine bisherigen Ziele beim Senken des Kohlendioxid-Ausstoßes nicht einhalten können.

© Pleul/dpa

Energiestrategie: Christoffers rückt von Klimaschutzzielen ab

Fachleute halten Vorgaben der Vorgängerregierung für nicht haltbar. Der CO2-Ausstoß Brandenburgs müsste dafür auf 54,6 Millionen Tonnen im Jahr 2020 und 22,8 Millionen Tonnen im Jahr 2030 begrenzt werden.

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Potsdam - In der Linke wächst die Sorge, dass der eigene Wirtschaftsminister Ralf Christoffers die Klimaschutzziele des Landes aufweichen könnte. Zum Jahreswechsel will Christoffers eine neue Energiestrategie vorlegen, die das bisherige, noch unter seinem CDU-Vorgänger Ulrich Junghanns erstellte Papier ersetzt. Der Chef der Linke-Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt, Norbert Wilke, warnte bereits: „Die rot-rote Klimaschutzpolitik darf nicht hinter rot-schwarze Ziele aus dem Jahr 2008 zurückfallen.“

Tatsächlich erwägt Christoffers nach PNN-Informationen aus Partei- und Regierungskreisen ernsthaft, von einer festen Zielmarke für einen reduzierten Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2) im Jahr 2030 abzurücken – obwohl das Land Spitzenreiter beim Umbau hin zu erneuerbaren Energien ist. Stattdessen wird im Wirtschaftsministerium über einen erweiterten Korridor nachgedacht, um überhaupt ein halbwegs kalkulierbares Ziel zu erreichen. Denn selbst die Fachleute zweifeln daran, ob die noch unter Junghanns festgeschriebene Reduzierung des CO2-Ausstoßes überhaupt zu erreichen ist. Offiziell bestätigen will das Ministerium dies nicht, räumt aber zumindest ein, dass verschiedene Varianten durchgerechnet werden.

Die alte Energiestrategie 2020 der rot-schwarzen Landregierung sieht eine Senkung gegenüber 1990 um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 und um weitere 35 Prozent bis zum Jahr 2030 vor. Der CO2-Ausstoß Brandenburgs müsste dafür auf 54,6 Millionen Tonnen im Jahr 2020 und 22,8 Millionen Tonnen im Jahr 2030 begrenzt werden.

Das liegt aber nicht allein an den Braunkohlekraftwerken des Energiekonzerns Vattenfall, die unter Klimaexperten als wahre CO2-Dreckschleudern gelten. Selbst ohne einen Ersatz für Vattenfalls Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde, das im Jahr 2025 aus Altersgründen vom Netz genommen werden könnte, wären die bisherigen Zielmarken schwer zu halten, heißt es von den Fachleuten in Regierung und Partei. Grund sind den Angaben zufolge die zusätzlichen Emissionen durch den neuen Hauptstadtflughafen in Schönefeld und aus neuen Gaskraftwerken. Diese sollen künftig die Schwankungen beim Strom aus Sonne und Wind ausgleichen und gelten als klimaschonender als Kohlekraftwerke.

Bislang wird im Wirtschaftsressort fest damit gerechnet, dass Vattenfall den Standort Jänschwalde erneuert. Zwar hatte Konzernchef Toumo Hatakka in der vergangenen Woche gesagt, Vattenfall werde keine neuen Kohlekraftwerke in Deutschland bauen, solange es kein Gesetz zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung von CO2 gibt. Und wie seit nunmehr zwei Jahren ist völlig ungewiss, ob das Gesetz zur sogenannten CCS-Technologie überhaupt noch kommt. Selbst Hatakka räumt ein, dass es für das CCS-Demonstrationskraftwerk in Jänschwalde nicht gut aussehe. Aber, so hieß es schließlich aus der Europazentrale des Konzerns in Berlin, bestehende Anlagen, etwa in Jänschwalde, würden weiter modernisiert. Linke-Politiker befürchten nun nach eindeutigen Signalen aus dem Wirtschaftsministerium, dass Brandenburg damit die bislang hochgesteckten Klimaziele erst recht verfehlt und nicht einmal in die Nähe der alten Vorgaben kommt.

Ohnehin herrscht in Partei und Landtagsfraktion Anspannung, wenn es um die Braunkohle geht. Da ist nicht nur der Dauerkonflikt mit dem eigenen Wirtschaftsminister Christoffers, dessen Linie in der Energiepolitik aus Sicht der Basis zu kohlefreundlich ist. Auf der anderen Seite setzen brandenburgische Bundestagspolitiker der Linke, wie Dagmar Enkelmann und Wolfgang Neskovic, die Landtagsfraktion immer wieder unter Druck und erinnern an die Versprechen aus Oppositionszeiten. Denn vor der Landtagswahl 2009 hatte die Linke das Volksbegehren gegen neue Tagebaue unterstützt und sprach sich ebenso gegen CCS aus – musste dann jedoch in der rot-roten Koalition mit der SPD von ihrem harten Anti-Kohle-Kurs abweichen. Zündstoff liefern zudem die Vattenfall-Pläne für neue Tagebaue in Jänschwalde und Welzow, für die derzeit die Genehmigung läuft. Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser pocht weiter auf den Koalitionsvertrag, der einen Neuaufschluss bis zur Landtagswahl 2014 ausschließt. Zahlreiche Genossen befürchten aber, dass das drohende Abrücken von den Klimaschutzzielen unter rot-roter Ägidedie Partei endgültig vor eine Zerreißprobe stellt.

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