Von Matthias Matern: Christoffers sieht CCS-Projekt auf der Kippe
Land will im Bundesrat eine Verschärfung des Gesetzesentwurfs durchsetzen / Klageweg soll abgekürzt werden
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Potsdam - Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) hält Vattenfalls CCS-Projekt im Land Brandenburg aus Zeitgründen für kaum noch machbar. Um die zugesagten 180 Millionen Euro EU-Fördermittel zu kassieren, muss der Konzern, wie berichtet, seine Anlage in Jänschwalde (Spree-Neiße) bis 2015 betriebsbereit haben. Voraussetzung für den Baustart aber ist ein nationale CCS-Gesetz, das die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid auf rechtliche Füße stellen soll. Ende Juli legte das Bundesumweltministerium einen ersten Entwurf vor. Gerade aber dieser könnte das Aus des bundesweit am weitesten fortgeschrittenen Projektes bedeuten, befürchtet der brandenburgische Wirtschaftsminister. „Sollte das Gesetz so verabschiedet werden, ist CCS bis 2015 infrage gestellt“, sagte Christoffers vor wenigen Tagen.
Knackpunkt des Entwurfs sind aus Sicht Christoffers die fehlenden Ausführungen zur Verfahrenskette bei absehbaren Klagen gegen Planfeststellungsverfahren für künftige Kohlendioxidspeicher. Die Frage der Instanzen sei nicht geklärt, so der Minister. Deshalb sei bisher von einem dreistufigen Verfahren auszugehen. Gegner der unterirdischen CO2-Lagerung könnten sich demnach vom Verwaltungsgericht über das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bis hin zum Bundesverwaltungsgericht durchklagen und damit den ohnehin engen Zeitplan sprengen. Im Bundesrat werde das Land Brandenburg daher eine Veränderung des Entwurfes beantragen, der unter anderem nur ein „zweistufiges Verfahren“ vorsieht, wie es beispielsweise beim Netzausbau Normalität sei. Selbst dann sei die pünktliche Umsetzung der Demonstrationsanlage mit einem „Fragezeichen“ zu versehen, räumte Christoffers ein. Auch die bisherigen Passagen zur rechtlichen Einordnung, was denn Sicherheit eines CO2-Speichers bedeutet, sind dem Wirtschaftsminister zu unklar.
Ändern lassen möchte Christoffers auch die im Entwurf niedergeschriebene Frist, nach deren Ablauf die Speicherbetreiber eine Übernahme der Verantwortung durch die öffentliche Hand beantragen können. So sei im Entwurf ein Zeitraum von 30 Jahren vorgesehen. Das Land Brandenburg habe aber in seinem vor geraumer Zeit erarbeiteten Eckpunktekatalog eine Frist von 40 Jahren gefordert, so Christoffers. Dies könne sich positiv auf eine höhere Akzeptanz der CCS-Technologie in der Bevölkerung auswirken. Auf mehr Zustimmung für die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid hofft Christoffers zudem durch eine weitere Änderung, die er gerne im Gesetzesentwurf wiederfinden möchte. So finde sich das Thema Grundlagenforschung zur CO2-Nutzung und -Umwandlung bislang gar nicht im vorliegenden Papier wieder. „Nur Speicherung reicht nicht“, bekräftigte Brandenburgs Wirtschaftsminister. Sollten sich Alternativen zur Kohlendioxid-Verpressung nicht in das Gesetz schreiben lassen, müsse deren Bedeutung zumindest auf anderem Wege deutlich gemacht werden.
Bereits macht sich in der brandenburgischen Landesregierung die Befürchtung breit, die Bundesregierung könnte mit Absicht einen realitätsfernen Entwurf vorgelegt haben, um ihn als Spielmasse in der Diskussion um die atomstromfreundliche Ausrichtung ihres für September angekündigten Energiekonzeptes einsetzen zu können. Im Bundesrat aber, so glaubt Christoffers, könnte sich die Stimmung wieder geändert haben. So habe sich die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen in ihrem Koalitionsvertrag für eine weitere Erforschung der unterirdischen CO2-Speicherung ausgesprochen. „Darüber bin ich froh“, sagte Christoffers. In Schleswig-Holstein, im vergangenen Jahr maßgeblich für das Scheitern des ersten CCS-Gesetzes verantwortlich, sei inzwischen eine Debatte über das Potenzial der Offshore-Speicherung im Gange. „Eventuell können wir uns im Bundesrat mit einigen Ländern verständigen“, meinte deshalb Ralf Christoffers.
Unterstützung hat am vergangenen Wochenende auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) signalisiert. Gegenüber dem Hamburger Abendblatt äußerte er Unverständnis für die Skepsis der Bevölkerung gegenüber der Kohlendioxidspeicherung. Alle Welt arbeite daran, CO2 unterirdisch oder mithilfe von Bakterien oder Algen zu entsorgen, „allein wir trauen uns das nicht“, sagte Tillich. Der sächsischen Staatskanzlei zufolge würde derzeit nach unterirdischen Speicherkapazitäten im Land gesucht. Tillich selbst brachte Erdgas-Lagerstätten als mögliche CO2-Endlager ins Spiel.
Vattenfall-Sprecherin Katharina Bloemer wertete die Stellungnahme Tillichs als „schönes Signal für die Technologie“. Als Alternative zu den potenziellen brandenburgischen Speichern bei Beeskow (Oder-Spree) und Neutrebbin (Märkisch-Oderland) kämen sächsische Gebiete wegen der weiten Entfernung nicht infrage. „Für die Demonstrationsanlage in Jänschwalde konzentrieren wir uns ausschließlich auf Ostbrandenburg.“ Den Inhalt des vorliegenden Entwurfes für das CCS-Gesetz ließ die Sprecherin aber weitgehend unkommentiert, räumte jedoch ein, dass der gesteckte Zeitrahmen „eng“ sei.
Ungemach könnte dem Energiekonzern jedoch bereits jetzt von juristischer Seite drohen. Wie die Staatsanwaltschaft Cottbus am Montag auf PNN-Anfrage bestätigte, sei gegen Vattenfall Anzeige wegen Betrugsverdachtes erstattet worden. „Wir prüfen das“, bestätigte ein Sprecher gestern. Vorgeworfen wird Vattenfall demnach, eigens für die Erkundung der Speicherpotenziale bei Beeskow und Neutrebbin eine Tochtergesellschaft gegründet zu haben, die aufgrund eines geringen Stammkapitals von nur 50 000 Euro im Haftungsfall nicht ausreichend belangt werden könne.
Vattenfall-Sprecherin bezeichnete den Schritt gestern als „üblich“ und wies den Vorwurf außerdem zurück. „Das Anzeige erstattet worden ist, war uns bislang nicht bekannt. Der Vorwurf aber schon“, räumte Katharina Bloemer ein. „Es handelt sich um eine hundertprozentige Vattenfall-Tochter mit allen rechtlichen Verpflichtungen für die Konzernmutter.“ Gemäß des Entwurfes aus dem Bundesumweltministerium sei Vattenfall ohnehin verpflichtet, Rücklagen zu bilden, um mögliche Haftungsfälle abdecken zu können, sagte die Sprecherin.
Die Forderung von Brandenburgs Wirtschaftsminister Christoffers, die Zahl der Instanzen bei Klagen gegen Planfeststellungsverfahren bei CCS-Vorhaben auf ein zweistufiges Verfahren zu begrenzen, stieß gestern bei der grünen Opposition im brandenburgischen Landtag und bei Vertretern der Bürgerinitiativen auf Empörung. Fraktionsmitglied Michael Jungclaus sagte, dass Christoffers offenbar jetzt „demokratiefeindliche Hebel ansetzen“ solle, sei „einfach nur dreist“.
Eine Abkürzung des Klagewegs sei wohl kaum der richtige Weg, um für mehr Akzeptanz zu werben, meinte der Sprecher der Bürgerinitiative „CO2-Endlager stoppen aus Beskow, Mike Kess.
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