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Cottbus wie Dresden? Laut Woidke ist es noch nicht so schlimm.

© Thilo Rückeis

Ministerpräsident Woidke über die Lage in Brandenburg: „Cottbus darf kein Aufmarschplatz für Pegida werden“

Nach den Vorfällen in Cottbus warnt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vor Dresdner Verhältnissen in Cottbus. Im PNN-Interview spricht er darüber, ob die Stimmung in Brandenburg nun kippt und wie es weitergeht.

Stand:

Herr Woidke, in Cottbus warnt Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) vor einer Eskalation von Hass und rechter Gewalt. Wird Cottbus das brandenburgische Dresden?

Wir tun alles, um das zu verhindern. Was in Dresden passiert, ist eine Schande, die weit über Deutschland hinaus wirkt. Das darf in Cottbus nicht passieren. Die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt und darf kein Aufmarschplatz für Pegida-ähnliche Demonstrationen werden.

Warum gibt es gerade in Cottbus so heftige Ausschreitungen gegen Flüchtlinge?

Wir wissen, dass es in der Lausitz rechtsextreme Netzwerke gibt und bei einigen Mitgliedern die Gewaltbereitschaft sehr hoch ist. Das ist die traurige Wahrheit. Dagegen müssen wir mit allen Mitteln, die Zivilgesellschaft, Polizei und Justiz zur Verfügung stehen, vorgehen.

Hat man in Cottbus, aber auch in der Landesregierung, das Problem unterschätzt?

Nein. Die brandenburgische Landesregierung kämpft entschieden gegen den Rechtsextremismus. Das gilt aber vor allem in einer Zeit wie dieser, in der begründete, aber auch viele unbegründete Ängste vorherrschen. Cottbus ist eine weltoffene moderne Stadt, in der viele junge Ausländer leben und an der Hochschule studieren. Das sollte man sich nicht von Straftätern aus dem rechtsextremen Milieu kaputtmachen lassen.

Sie versprechen, mit der ganzen Härte des Gesetzes dagegen vorzugehen. Was heißt das konkret?

Polizei und Staatsanwaltschaft analysieren regelmäßig die Lage und treffen Maßnahmen, die rechtsextreme Gewalt eindämmen.

Mehr Polizei in Cottbus?

Wir haben dort die Polizeidirektion und eine Inspektion. Wir müssen der Straftäter schnell habhaft werden.

Wäre ein Verbot von Organisationen der richtige Weg?

Ja, aber das braucht eine gute Vorbereitung. Die Verbote müssten gerichtsfest sein. Schnellschüsse helfen da nicht weiter. Außerdem gibt es nach meiner Kenntnis in Cottbus derzeit keine eingetragenen Vereine oder ähnliche Strukturen, die verboten werden können.

Cottbus’ Oberbürgermeister Kelch wirft Ihnen vor, die Stadt im Regen stehen zu lassen. Sie sei für eine Flüchtlings-Erstaufnahme gut genug, werde aber sonst vom Land im Stich gelassen.

Diese Aussage von Herrn Kelch verstehe ich überhaupt nicht. Cottbus ist mit der Uni, dem dort angesiedelten Landesbergamt, der Polizeidirektion und weiteren Landesbehörden gut aufgestellt. Ich hätte mir gewünscht, dass er zunächst das Gespräch mit mir sucht, bevor er in die Öffentlichkeit geht.

Thema Flüchtlinge: Kippt die Stimmung in Brandenburg?

Nein. Das Land verliert sein freundliches Gesicht nicht. Es gibt viele Initiativen, die Flüchtlinge willkommen heißen. Aber viele Leute haben auch Sorgen. Es ist deshalb unabdingbar, dass die Bundesregierung darauf drängt, dass wir europaweit wieder zu einem geordneten Verfahren zurückkehren. Den Zustrom der Menschen wird Deutschland nicht allein bewältigen können. Wir müssen die Ursachen von Flucht und Vertreibung beseitigen. Das ist eine langfristige Aufgabe.

Hat die CSU recht, wenn sie fordert, die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen? Sie selbst haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Anfang Oktober in einem Interview ja ebenfalls dazu aufgefordert.

Das geordnete Verfahren heißt, dass wir Europa einbeziehen müssen. Allein wird es schwer.

Stößt das Land Brandenburg bei der Aufnahme von Flüchtlingen an seine Grenzen?

Organisatorisch stehen wir momentan gut da. Aber es gibt Kapazitätsgrenzen bei der Unterbringung. Es darf nicht dazu kommen, dass die Flüchtlingssituation die Lage auf angespannten Wohnungsmärkten – wie in Potsdam – verschärft. Wir müssen deshalb den sozialen Wohnungsbau ankurbeln. Das ist auch wichtig für die Stimmung im Land. Auf dem Arbeitsmarkt hingegen haben wir Kapazitäten. Aktuell sind weit mehr als 1000 Ausbildungsplätze und 17 000 Stellen unbesetzt. Davon können viele profitieren. Doch dafür brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern, wie etwa eine Qualifizierungsoffensive für Flüchtlinge. Auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen müssen wieder eingeführt werden, damit die Menschen nicht jahrelang ohne Beschäftigung herumsitzen und auf dumme Gedanken kommen.

Havelland-Landrat Burkhard Schröder (SPD) steht in der Kritik, weil er offiziell die AfD-Landtagsfraktion besuchte. Die Linke fordert seinen Rücktritt. Wie bewerten Sie das Agieren des Landrats?

Ich habe mit ihm telefoniert. Es war ein gutes Telefonat. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Wird es Konsequenzen geben?

Wir werden uns auf der nächsten Sitzung des SPD-Landesvorstandes, dem Schröder auch angehört, mit dieser Frage beschäftigen. Man sollte das nicht überdramatisieren. Ob es Konsequenzen geben wird, wird sich dann zeigen, wenn wir darüber geredet haben.

Das Interview führte Stefan Engelbrecht

Stefan Engelbrecht

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