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Maut-Pläne für Straßen: „Da haben wir keinen Einfluss drauf“
Der Bund will die Lkw-Maut auf vier Fernstraßen Brandenburgs. Die Wirtschaft ist auch sauer auf’ s Land
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Potsdam/Berlin - Dass sie kommt, ist sicher, wann sie kommt dagegen nicht. Doch auf welchen Strecken im Land Brandenburg die Lkw-Maut auf Fernstraßen aller Voraussicht nach eingeführt wird, ist jetzt bekannt: Einer Liste des Bundesverkehrsministeriums zufolge, die den PNN vorliegt, müssen Berufskraftfahrer wahrscheinlich künftig für die Fahrt auf der Bundesstraße 101 zwischen dem Ort Thyrow (Teltow-Fläming) und der Berliner Landesgrenze bezahlen. Ebenso auf dem Abschnitt der B96 zwischen dem Autobahnkreuz Oranienburg und der Kreuzung zur Landestraße 191 bei Sachsenhausen, der B5 zwischen Nauen (Havelland) und Berlin sowie wiederum auf der B96 von Rangsdorf (Teltow-Fläming) bis zum Berliner Stadtgebiet. Auf Nachfrage bestätigte das brandenburgische Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft am Donnerstag, dass die Abschnitte dieser vier Bundesstraßen von der Bundesregierung für die Lkw-Maut vorgesehen seien. „Das hat der Bund beschlossen. Da haben wir keinen Einfluss drauf“, sagte Ministeriumssprecher Lothar Wiegand.
Angaben des Ministeriums zufolge hätte es das Land allerdings noch viel schlimmer treffen sollen. Eigentlich seien neun Streckenabschnitte aufgelistet worden, darunter etwa die Bundesstraße 273 von der Autobahnabfahrt Potsdam-Nord bis zum Abzweig Satzkorn. Bei insgesamt fünf Strecken habe sich erwiesen, dass sie letztlich doch nicht den Kriterien entsprächen, die Mitte April in einem Bundestagsbeschluss für die Erhebung einer Lkw-Maut auf Fernstraßen festgelegt worden seien, erläuterte Wiegand. Voraussetzung für Maut-Pflicht auf Bundesstraßen ist laut des Beschlusses ein vierspuriger Ausbau über eine Länge von mindestens vier Kilometern. Im Fall der B273 sei dies nicht der Fall, so der Ministeriumssprecher.
Von der Einführung der Maut erhofft sich die schwarz-gelbe Bundesregierung zusätzliche Einnahmen von rund 100 Millionen Euro pro Jahr. Ausgegeben werden soll das Geld ausschließlich für Investitionen in das Straßennetz. Angaben der Bundesverkehrsministeriums handelt sich bundesweit insgesamt um eine Strecke von etwa 1000 Kilometern. In Berlin allerdings ist man offensichtlich etwas ungehalten, dass nun bereits konkrete Strecken in die Schlagzeilen geraten. „Eigentlich verstehe ich nicht, warum nun alte Informationen diskutiert werden, die eigentlich nur für Bundestagsabgeordnete bestimmt waren“, so eine Ministeriumssprecherin. Derzeit würden die 1000 Kilometer im Auftrag des Ministeriums von Mitarbeitern des Bundesamtes für Güterverkehr und der Mautfirma Toll Collect auf ihre „praktische Tauglichkeit“ für die Maut geprüft. „Danach wird es im Sommer eine verbindliche Liste geben“, so die Sprecherin weiter. „Keine in der Öffentlichkeit diskutierte Strecke ist derzeit definitiv für eine Lkw-Maut festgelegt.“
Mit den Routen im Land Brandenburg aber sind die Mautprüfer offenbar schon fertig. Die vier vom brandenburgischen Infrastrukturministerium bestätigten künftigen Bezahlstrecken könnten die wirtschaftliche Entwicklung des Landes empfindlich treffen. Bis zum heutigen Freitag präsentiert sich die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg auf der internationalen Fachmesse für Logistik „transport logistic“ in München. Gerade erst konnte Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) drei größere Ansiedlungserfolge vermelden, darunter eine im Güterverkehrszentrum (GVZ) Großbeeren an der B101 und eine weitere im GVZ Wustermark an der B5. An beiden Standorten betreiben große Einzelhandelsketten und Großhändler wie Netto oder Lekkerland Logistikzentren. Täglich machen sich deren Lkw von dort aus auf den Weg, um Partner und Filialen im Nordosten Deutschlands zu beliefern.
Die regionale Wirtschaft ist deshalb auf die Erweiterung der Lkw-Maut gar nicht gut zu sprechen. „Wir sind stinksauer“, sagte Brigitte Meisel, Präsidentin des Landesverbandes des Berliner und Brandenburger Verkehrsgewerbes, gestern den PNN. Rund 400 Transportunternehmen der Region vertritt der Verband. „Die Unternehmen werden erneut mit zusätzlichen Kosten belastet“. Vorwürfe machte Meisel auch der Landesregierung Brandenburgs. „Im Vorfeld hätte man noch dagegen vorgehen können“, so die Verbandspräsidentin. Von Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) hätte sie sich dabei „mehr Engagement gewünscht“. Allerdings muss der Bundestagsbeschluss noch vom Bundesrat abgesegnet werden.
Verschärfen dürfte die Einführung der Maut auf Fernstraßen zudem die Lärmbelastung in kleineren Ortschaften im Umfeld der betroffenen Strecken. Bereits jetzt beklagen Bürger in vielen brandenburgischen Kommunen, statt für die Nutzung der Autobahnen zu bezahlen, würden Lastkraftfahrer häufig lieber durch ihre Dörfer donnern. Mehr als 120 000 Mautpreller sind nach Angaben der Bundesverkehrsministeriums im vergangenen Jahr in Deutschland bei Kontrollen erwischt worden. Die Dunkelziffer dürfte demnach um einiges höher liegen.
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