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„Bündnis für Brandenburg“: Dach, Marke, Schaltstelle

Das von Regierungschef Woidke ins Leben gerufene „Bündnis für Brandenburg“ sollte eine Breite Allianz aus der Mitte des Landes für die Integration von Flüchtlingen sein. Nun entpuppt es sich als Luftnummer.

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Potsdam - Jetzt soll es richtig losgehen mit dem von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) initiierten „Bündnis für Brandenburg“, mit der Integration der Flüchtlinge im Land, mit dieser Mammutaufgabe für Gesellschaft und Politik. Woidke hat zur Pressekonferenz geladen, um die nächsten Schritte vorzustellen. Doch an diesem Mittwoch in der Staatskanzlei in Potsdam gibt es nicht einmal einen professionellen Aufsteller des neuen Bündnisses für die Kameras, vor den sich Woidke (SPD) setzen kann. Es ist nur der übliche blaue Brandenburg-Aufsteller mit dem Landes-Logo der Staatskanzlei, darauf ein mit vier weißen Böppeln befestigtes und in Folie eingeschweißtes A3-Blatt mit Logo des Bündnisses und dem Spruch: „Weil es um Menschen geht“. Dieser Aufsteller zeigt, wie es um das groß angekündigte Bündnis steht.

Dabei sollte es das ganz große Symbol sein. Dass Brandenburg es anders macht. Sich deutlich gegen rechten Hass und Ängste stellt – und zugleich alles für die Integration von Flüchtlingen tut. Im November rief Woidke das Bündnis ins Leben; Prominente, Vertreter aus Wirtschaft, Kultur, der Politik und der Kirchen kamen, um den Gründungsaufruf zu unterzeichnen. Woidke hatte damals von einer „breiten Allianz aus der Mitte unseres Landes“ gesprochen. Weil Integration der Flüchtlinge die große Aufgabe für die nächsten Jahre sei. Das Bündnis sollte Integrationsbemühungen bündeln, Konzepte miteinander verbinden und zu einer zentralen Plattform für gesellschaftliche Kommunikation zur Flüchtlingsintegration werden. Selbst die Oppositionsfraktionen CDU und Grüne machten mit – eben weil allen das Thema so wichtig ist. Es sollte ein deutliches Zeichen setzen. Und es ist bislang ohne Vorbild deutschlandweit.

Jetzt, mehr als vier Monate später, als Woidke in der Staatskanzlei die nächsten Schritte verkündet, ist von der Euphorie der Startphase nicht mehr viel übrig.

In anderen Bundesländern und im Bund ist das Flüchtlingsthema Chefsache, Staatssekretärsposten wurden geschaffen, um die Aufgaben zu bündeln. Zunächst musste sich in Brandenburg Staatssekretär Thomas Kralinski, Chef der Landesvertretung beim Bund, um das Bündnis kümmern. Nun aber schrumpft die breite Allianz zu einer Stabsstelle in der Staatskanzlei. Das neue Bündnis wird mit der Koordinierungsstelle für das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“, 1998 gegründet wegen der überhandnehmenden rechten Gewalt und vielen brutalen Überfälle auf Ausländer, zusammengeführt. Die bisher vier Mitarbeiter von „Tolerantes Brandenburg“ bekommen zwei neue Kollegen – einen Referenten und einen Sachbearbeiter. Wohl gemerkt für die wichtigste gesellschaftliche Herausforderung der nächsten Jahre: die Integration der Flüchtlinge. Auch wenn die Leiterin von „Tolerantes Brandenburg“, Angelika Thiel-Vigh, versichert, dass keine Ressourcen ihrer Koordinierungsstelle angezapft werden, um die Bündnisarbeit zu stützen. Weil das „Tolerante Brandenburg“ ohnehin verschiedene Initiativen in den Regionen des Landes bündelt, die teils auch schon in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind, sollen Doppelstrukturen vermieden werden.

CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben und Grüne-Fraktionschef Axel Vogel, die beide den Gründungsaufruf mit unterzeichnet hatten, sehen die Zusammenführung des neuen Bündnisses mit „Tolerantes Brandenburg“ skeptisch. Ohnehin waren sie – wie berichtet – irritiert, dass die Gründungsmitglieder nicht von der Verzahnung und Eingliederung des neuen Bündnisses vorab informiert wurden. Am Mittwoch sagt Senftleben: „Wir sind skeptisch, ob es gut ist, den Kampf gegen Rechtsextremismus und die Integration von neuen Brandenburgern in einen Topf zu werfen.“ Ohnehin sei unabhängig vom Bündnis für Brandenburg ein Landesintegrationsgesetz, in dem Pflichten und Rechte klar geregelt sind, nötig. Vogel kritisiert, dass das Bündnis nicht recht vorankommt. „Bislang ist jedoch immer noch nicht richtig erkennbar, wie das Projekt mit Leben gefüllt werden soll. Nach der furiosen Auftaktveranstaltung des Bündnisses Ende vergangenen Jahres scheint die Staatskanzlei den Anschluss verpasst zu haben.“ Ob die Zusammenlegung die dem „Toleranten Brandenburg“ sich „als sinnvoller Impulsgeber erweist, muss sich erst zeigen“.

Tatsächlich ist auch sonst noch nicht viel geklärt. Die Stabsstelle soll zwar 1,7 Millionen Euro verteilen – an Kommunen und Vereine für landesweit beispielgebende Integrationsprojekte. Sie soll Fachkonferenzen und Workshops zur Integration unterstützen. Ein Informationsportal soll entstehen. Doch Fördergrundsätze – wer, wann, wofür und wie gefördert wird – gibt es noch gar nicht. Die sollen erst noch formuliert werden. Auch ein formales Konzept oder Strukturen für das Bündnis selbst gibt es noch nicht.

Woidke räumt rein, dass es sich beim Bündnis um ein Stück symbolischer Politik handelt. „Es ist eine Marke“, sagt er. Ein Dach, eine Netzwerkzentrale für die vielen Willkommensinitiativen. Dennoch verteidigt er die Gründung des Bündnisses. „Ich glaube es war notwendig, einen klaren Impuls zu setzen aus der Gesellschaft heraus. Diesen Impuls brauchen wir auch weiter für die Integration.“ Er spielt damit auf die zunehmende rechte Gewalt und auch in Brandenburg zahlreichen gegen Flüchtlinge gerichteten Proteste an. Woidke will nicht, dass die Stimmung umschlägt, nämlich gegen Flüchtlinge. Und es geht um Brandenburgs Ruf. „Es ist ein klares Bekenntnis zu einem weltoffenen und toleranten Brandenburg“, sagte er. „Und wir hoffen natürlich, dass sich internationale Investoren weiterhin für unser Land interessieren.“

Thiel-Vigh sagt, Hauptaufgabe der Stabsstelle sei: „Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.“ Es gehe um Netzwerkarbeit, darum, eine Prozess auf den Weg zu bringen, Ansprechpartner in den Regionen sollen zusammengeführt, Kommunen unterstützt werden. Woidke ergänzt, es gehe auch um Veranstaltungen, Informationsaustausch, um die Rückkopplung von Problemen vor Ort in die Staatskanzlei, in die Politik. Und Woidke hat noch ein anders Wort parat, für das, was das sogenannte, in der Staatskanzlei angesiedelte Bündnis sein soll: eine Schaltstelle.

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