Brandenburg: „Dann soll er allein zur See fahren“
Linke-Parteitag fasst Beschluss für weniger rigide Kreisgebietsreform. Parteichef Görke attackiert SPD-Innenminister Schröter
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Potsdam - Bislang schweigt Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). In Brandenburgs rot-roter Regierungskoalition spitz sich der Streit um die geplante Kreisgebietsreform im Land zu, zwischen zwei Ministern seines Kabinetts. Auf einem Linke-Landesparteitag am Wochenende in Potsdam attackierte Linke-Parteichef Christian Görke, der auch Finanzminister und Vize-Ministerpräsident ist, offen Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). „Wenn der Innenminister meint, dass er es nur mit Leichtmatrosen zu tun hat, dann sage ich ganz klar, dann soll er aber alleine zur See fahren“, sagte Görke. „Wer nicht begreift, dass man bei wenig Wasser unterm Kiel, Sandbänken oder Klippen ausweichen sollte, taugt nicht für die schwere See.“ Schröters Herangehen sei nicht geeignet, die „Verwaltungsstrukturreform in den sicheren Hafen zu führen“.
Görke reagierte damit auf Schröters offene Kritik am plötzlichen Schwenk der Linken, die auf dem Parteitag mit großer Mehrheit einen Antrag zur Entschärfung der Kreisreform unter anderem etwa mit niedrigeren Mindesteinwohnerrichtgrößen für die neuen Großkreise (150 000 statt bisher 175 000 Einwohner) beschlossen. In dem Zusammenhang hatte Schröter in Bezug auf die von Görke geführten Linken von „Leichtmatrosen“ gesprochen, was den Linke-Parteichef zur Reaktion veranlasste.
Am Sonntag bemühten sich Linke-Politiker auf dem Parteitag klarzustellen, dass die Regierungspartei sich bei dem Projekt nicht in die Büsche schlägt. Görke erklärte, es sei „keine Absage an die Koalition, aber eine klare Ansage, wofür die Linken stehen“. Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers sagte, „die Große Koalition aus SPD und Linken, die Brandenburg regiert, wird nicht an der Gebietsreform und an Gemeinschaftsschulen scheitern“. Die Linke stehe zur vereinbarten Verwaltungsreform, „auch wenn sie für uns nicht das zentrale politische Projekt ist“. Und der frühere Parteichef und Kommunalexperte Stephan Ludwig, der den Antrag einbrachte, betonte: „Wir wollen eine Reform. Denn sie ist notwendig.“
Es war ein Arbeitsparteitag ohne Personalbeschlüsse, auf dem die Linken vor allem ihr Profil schärfen wollten, weil die Partei nach der ersten rot-roten Koalition bei der Landtagswahl 2014 abgestraft worden war. Die Linke habe sich davon „noch nicht erholt, bestenfalls konsolidiert“, sagte Görke. Er verkündete, dass die Linken in der Koalition selbstbewusster auftreten werden, was er prompt demonstrierte. „Hören wir doch endlich auf, bei jedem Vorhaben zunächst einmal darüber nachzudenken, ob die SPD da mitmacht“, sagte Görke. Die Linke müsse klar sein in den Konturen, dann werde sie Erfolg beim Wähler haben. „Schließlich können wir uns nicht auf Dauer darauf verlassen, dass die CDU Brandenburg die schlechteste Union Deutschlands bleibt.“ So bleibe es Ziel der Linken, das mehrgliedrige Schulsystem in Brandenburg zu überwinden und in dieser Legislatur den Einstieg in die Gemeinschaftsschule zu schaffen. Die SPD müsse da Farbe bekennen.
Die Generalsekretärin der Brandenburger SPD, Klara Geywitz, reagierte gelassen. „Wenn die Linke sich stärker einbringen will, ist dagegen nichts zu sagen“, sagte sie Geywitz. „Ansonsten gilt bis 2019 der Koalitionsvertrag mit seinen Aussagen zur Kreisgebietsreform und Schulstruktur.“
Doch die Linke-Basis nahm Görkes Botschaft auf. Am Sonntag verabschiedete der Parteitag gegen die Linie der Parteispitze prompt einen Antrag jüngerer Mitglieder, sich „für die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses“ im Landtag zur Aufarbeitung von möglichen Verstrickungen Brandenburger Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem braunen NSU-Terror einzusetzen. „Wenn dies mit dem Koalitionspartner nicht durchsetzbar sein sollte“, heißt es im Beschluss, „fordert die Linke Brandenburg als Alternative eine wissenschaftliche Aufarbeitungskommission unter Beteiligung anerkannter Akteure der Zivilgesellschaft, die mit den dafür notwendigen Akteneinsichts- und Zeugenbefragungsrechten ausgestattet wird.“ Hintergrund ist die umstrittene Rolle von brandenburgischen V-Leuten wie „Piatto“ und „Toni S.“ im Dunstkreis des NSU-Trios.
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