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Brandenburg: Das erste Duell

CDU-Herausforderer Michael Schierack lädt ins Kloster. Und SPD-Regierungschef Dietmar Woidke zum Volksfest ans Elbufer. Es ist ein Wahlkampfabend in Mühlberg. Beide sind sie da. Am Ende verlässt einer die Stadt mit einem Ehrensalut

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Mühlberg - Es ist der Moment, in dem Michael Schierack angreift. Gut vierzig Leute haben sich im Rittersaal des Zisterzienserklosers Marienstern in Mühlberg versammelt. Es sind fast alles Parteifreunde, die den gemeinsamen Auftritt des CDU-Herausforderers mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) verfolgen. Es ist ein ziemlich exklusiver Wahlkampftermin am Montagabend, die Atmosphäre bürgerlich-gediegen, serviert werden Sekt und Orangensaft. Hier, nach dem „Violinen-Gruß von Bach“, besinnlichen Worten des Paters und einer langen, langen Rede des als Unterstützer gepriesenen Tillich, der freilich vor allem Wahlkampf in eigener Sache machte, hier, auf sicherem Terrain, nimmt sich Schierack den SPD-Regierungschef Dietmar Woidke direkt vor. Zum ersten Mal überhaupt im bislang lauen brandenburgischen Landtagswahlkampf. „Nun ist es klar: Jeder, der die SPD, der Dietmar Woidke wählt, wählt auch die Linken“, sagt Schierack. Er reagiert damit auf das PNN-Interview des Regierungschefs, das alles veränderte. Wie Woidke deutlich machte, nach der Wahl am 14.September Rot-Rot fortzusetzen, dass er „keinen Grund“ sieht, den Partner zu wechseln, das hat den CDU-Spitzenmann überrascht, ernüchtert. Desillusioniert? Es sei eine „Kampfansage an das Land“, nun drohten erneut „fünf Jahre Stillstand“, sagt Schierack. Freundlicher Beifall.

Später, beim „geselligen Beisammensein“ im Klosterhof, wird er von Journalisten gefragt, was das für die Union bedeutet. Die Antwort: „Klar ist jetzt, es gibt keine Wahlmöglichkeit mehr: Wir müssen nun stärker werden als Rot-Rot!“ Stärker? Nach der letzten Umfrage müsste die Union, bei 25 Prozent, viel aufholen, um an SPD (34) und Linken (22) vorbeizuziehen. Und, die rot-rote Ansage kann Schierack noch einigermaßen wegstecken, etwas anderes nicht. Man spürt, dass er schwer damit umgehen kann, dass der Regierungschef ihn quasi zum unzuverlässigen Kantonisten erklärte. Das hat ihn, diesen netten Arzt aus Cottbus, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann, der erst seit 2009 im Landtag sitzt, „immer noch kein Politiker ist“ (ein früheres CDU-Regierungsmitglied), der die Partei führt, aufwärtsbrachte, persönlich verletzt. „Ich würde so etwas nie sagen.“ So erfährt Schierack in diesen Tagen die Selbstverständlichkeit, dass zur Politik auch Härte gehören und unerwartete Schläge. Schon dass Tillich jüngst der „Zeit“ mitten im brandenburgischen Wahlkampf gemeinsam mit Woidke ein Interview gab, in dem beide per du über ihre persönliche Freundschaft sprachen, fanden die Brandenburger überflüssig. Tillich, in Mühlberg von den PNN darauf angesprochen, ob er nun mehr dem langjährigen Freund oder dem Parteifreund die Daumen drücke, antwortete so: „Natürlich ist Dietmar Woidke ein politischer Gegner.“ Den er in seiner halbstündigen Rede trotzdem verschonte, sich an den seit 1990 von den hier immer schwarzen, da immer roten Länderchefs Sachsens und Brandenburgs praktizierten Nichtangriffspakt hielt. Dafür sprach Tillich, der sich am 31. August zur Wahl stellt und mit einem klaren Sieg rechnen kann, den märkischen Parteifreunden launig Mut zu. „Wir legen vor! Und Ihr folgt dann mit 3 Prozentpunkten Abstand!“

Wie weit die davon entfernt sind, ließ sich in Mühlberg mit Händen greifen. Zur gleichen Zeit, als sich Schierack, obwohl im Lande immer noch kaum bekannt, zum Wahlkampf hinter die Klostermauern zurückzog, war auch Woidke da. Die SPD hatte zum „Strohballenfest“ geladen, zum Stimmenfang mit Blasmusik, Bier, dem Regierungschef mittendrin. Eigentlich gilt die Kleinstadt an der Elbe, tief im „schwarzen“ Süden, als CDU-Hochburg. Die Union gewann hier die Kommunalwahl, die SPD sitzt nicht mal im Stadtparlament. Und trotzdem pilgerten dreihundert, dreihundertfünfzig Leute zu Woidke, kam sein Auftritt an, so wie bei Mario Findeisen, 38, einem Küchenleiter: „Er ist schon der richtige Nachfolger von Herrn Platzeck.“ Schierack? Von dem hat Findeisen bislang nichts gehört.

Und Woidke? Der ging auf den CDU-Herausforderer mit keinem Wort ein, auch nicht auf die künftige Koalition. Nach Rot-Rot gefragt reagierte er zurückhaltender. Das sei „keine Koalitionaussage“, es gebe „keine unüberbrückbaren Gegensätze“ zur Union. Da sprach schon wieder ein Mann, der weiß, dass er auf die Union noch angewiesen sein kann, um die Linken bei Koalitionsverhandlungen nicht übermütig werden zu lassen. Sein Kalkül, Schärfe in den Wahlkampf zu bringen, war ja aufgegangen. Für die gab es Gründe, die SPD-Zentrale hatte analysiert, dass wegen Schieracks Abtauchen, der „CDU-Demobilisierungsstrategie“, zu viele SPD–Wähler zu Hause bleiben könnten.

Mühlberg verließ Woidke als Sieger nach Gästen. Und als neues Ehrenmitglied der „Königlich priviliegierten Schützengilde“, 1354 gegründet, zweitälteste Brandenburgs, in die er mit einer feierlichen Zeremonie aufgenommen wurde. Man sei froh, dass der „sehr geehrte Herr Ministerpräsident“ dazu bereit sei und „damit die Tradition seiner Vorgänger“ Manfred Stolpe und Matthias Platzeck fortsetze, hieß es, ehe für Woidke ein Ehrensalut mit Böllern in den strahlend blauen Himmel geschossen wurde. Und als sich der Pulverrauch verzog, war in Brandenburg irgendwie alles wie immer.

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