
© Simone Diestel
Von Thorsten Metzner: Das grüne Wunder
Grünen-Fraktionschef Axel Vogel ist der heimliche Oppositionsführer, seine Fraktion die souveränste
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Potsdam - Nein, an Selbstbewusstsein fehlt es dem Vorsitzenden Axel Vogel wahrlich nicht. Als der 53-Jährige am Freitag die 100-Tage-Bilanz seiner Grünen-Fraktion im Landtag Brandenburg zog, wo sie nach fünfzehn Jahren Auszeit seit der Wahl im Herbst 2009 wieder vertreten sind, hörte sich das so an: „Wir sind nicht nur Motor der Oppositionsarbeit im Landtag. Wir sind Motor der Arbeit des Parlaments insgesamt geworden.“ Nun mag Klappern zwar selbst bei den Grünen zum politischen Handwerk gehören. Trotzdem gilt die mit fünf Abgeordneten kleinste Fraktion tatsächlich als größte Überraschung im märkischen Parlament.
Es waren die Grünen, die bisher maßgeblich den Takt aus der Drei-Parteien-Opposition aus CDU, FDP und Bündnis90/Die Grünen heraus vorgaben, die wichtige Pflöcke einschlugen. So geht, worauf Vogel mit Stolz verwies, die mittlerweile beschlossene Stasi-Überprüfung des Landesparlaments, die Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen, aber auch die geplante Enquete-Kommission zum Umgang mit der SED-Diktatur in Brandenburg (siehe Seite 17) auf Initiativen seiner Fraktion zurück, die anders als die Union eben auch nicht verarbeiten musste, nach zehn Jahren SPD/CDU-Koalition plötzlich nicht mehr am Kabinettstisch vertreten zu sein. „Wir hatten im Gegensatz zur CDU kein Problem damit“, sagt Vogel, „die Oppositionsrolle von Anfang an wahrzunehmen.“ Was auch an Vogel selbst liegt: Wenn er ans Rednerpult tritt und spricht, präzise, intelligent, in freier Rede – immer noch selten im märkischen Parlament –, dann wird es still im Saal, ihm hört man zu: Es fällt auf, dass Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) inzwischen regelmäßig direkt auf seine Argumentationen eingeht. Und selbst in der rot-roten Koalition heißt es: „Vogel ist der eigentliche Oppositionsführer im Landtag.“
Selbst die SPD unterschätzt den Mann nicht mehr, der als Landesvorsitzender die Grünen nach 15-jähriger Abstinenz wieder in den Landtag führte. Vorher hatten Platzecks Strategen Vogel lediglich als Chef eines eher unbedeutenden Landesverbandes wahrgenommen, tätig im Landesumweltamt, einen der nach 1990 die Großschutzgebiete im Land mit aufgebaut hatte. Dass Vogel zuvor eine politische Karriere im Westen der Republik gemacht hatte, 1980 ein Gründungsmitglied der Grünen war, für diese zwei Jahre im Bundestag saß, von 1988 bis 1991 Bundesschatzmeister war, auch das politisch-parlamentarische Effeff beherrscht, wusste kaum jemand.
Doch nun lässt Vogel keinen Zweifel daran, dass es auch strategische Gründe hat, wie sich die Grünen im Parlament positionieren, wenn sie mal Anträge im Rahmen der schwarz-gelb-grünen „Jamaika“-Opposition beschließen, mal gemeinsam mit dem rot-roten Bündnis: „Wir sehen uns als Mittler zwischen den Lagern“, sagt er dazu. „Wir sind nicht abonniert auf eine bestimmte Regierungskoalition.“ Was für die Zeit nach der Landtagswahl 2014, nach allen Seiten alles offen lässt, eben auch „Jamaika“; mit der Einschränkung, die bei Grünen nie fehlen darf: „abhängig von den Inhalten“. Und da sei der Umgang mit den Lausitzer Braunkohletagebauen, für deren Ende man eintritt, ein „hartes Kriterium“. Und zwar in alle Richtungen.
Im gleichen Atemzug, ganz der Mittler, fügt Vogel ein Lob an Rot-Rot hinzu: Es sei eine andere politische Kultur im Landtag eingezogen, eine die gerade einer kleinen Oppositionsfraktion Chancen ermöglicht, Spielräume eröffnet. In Württemberg oder Bayern gebe es „Blockkonfrontationen“ in den Parlamenten, wo grüne Anträge einfach weggestimmt würden. „Möglicherweise kann der Brandenburger Landtag da beispielgebend sein.“
Und dann ist da auch noch die menschliche Ebene. Vogel erwähnt es wie nebenbei: CDU-Fraktionschefin Johanna Wanka habe ja jüngst öffentlich bestätigt, dass zwischen ihr und Platzeck seit Rot-Rot absolute Funkstille herrscht. „Da ist ein Tischtuch zerschnitten, bei uns nicht“, sagt Vogel. „Ich gehe mit Matthias Platzeck Abendessen, und trinke mit Frau Wanka Kaffee.“ In Brandenburg bedeutet das eine ganze Menge.
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