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Sozial? Minister Ludwig hinterlässt derzeit einen anderen Eindruck.

© Patrick Pleul / dpa

Brandenburg: „Das ist eines Linke-Ministers unwürdig“

Justizminister Ludwig bringt weiter sich und die Partei in Schwierigkeiten. Ihr Spitzenpersonal steht wiederholt im Raffke-Verdacht

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Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig stürzte seine Partei, die Linke, wenige Tage vor der Landesvertreterversammlung zur Wahl der Bundestagskandidaten in eine schwere Krise. Denn in diesem Jahr hat die Landespartei mehr als alles andere Schlagzeilen produziert mit privaten Vorteilen, die sich prominente Landespolitiker verschafft haben: Sozialministerin Diana Golze mit Luxusfüllern im Bundestag, Ludwigs Vorgänger als Justizminister, Helmuth Markov, der privat mit einem Transporter aus dem Landesfuhrpark sein Motorrad in eine Werkstatt fuhr. Der Potsdamer Bundestagsabgeordnete Norbert Müller ließ sich über die Maßen mit den Karossen des Bundestagsfahrdienstes für private Zwecke kutschieren. Dazu kommt der laufende Gerichtsprozess gegen den früheren Linke-Landtagsabgeordneten Peer Jürgens, der zu Unrecht Fahrkostenpauschalen und Zuschüsse für eine Zweitwohnung kassiert haben soll – genauso wie der frühere Abgeordnete Torsten Krause, der jetzt Büroleiter von Golze im Sozialministerium ist.

Und jetzt kommt auch noch Justizminister Stefan Ludwig dazu mit seiner Affäre um nicht gezahlte Gehälter für seine frühere Wahlkreismitarbeiterin, die für ihn tätig war, als er noch Landtagsabgeordneter war.

Zumindest hat die Linke aus dem Fall Markov gelernt. Der hatte sich zäh geweigert, einen Rechtsverstoß einzugestehen und die Kosten für den privat genutzten Dienstwagen von 435 Euro zu übernehmen. Das sollte sich nicht wiederholen. Seit Montagabend wurde Ludwig von seinen Genossen und dem Koalitionspartner SPD in die Mangel genommen: Es wurde vereinbart, dass Ludwig für die Löhne seiner früheren Mitarbeiterin geradesteht und zahlt. Insbesondere, um einen Prozess vor dem Arbeitsgericht Cottbus zu vermeiden. Dort hatte ihn eine Mitarbeiterin verklagt.

Am Mittwochmorgen erklärte Ludwig: „Ich habe heute mit der Landtagsverwaltung vereinbart, dass sie die Gehälter, die für die Vollendung der Kündigungsfrist noch ausstehen, überweist. Ich gehe bis zur Klärung des Streits dafür in Vorleistung – ich werde es also dem Landtag bezahlen.“ Es gehe auch um ausstehende Gehälter von weiteren Mitarbeitern, die aber nicht geklagt hatten.

Ein Einsehen, dass er nach der klaren Rechtslage nach der Ernennung zum Minister Ende April und nach Abgabe des Landtagsmandats Anfang Juni selbst für die Zahlung der Gehälter verantwortlich ist und nicht der Landtag, hat Ludwig nicht. Nach PNN-Recherchen war er parteiintern bereits über Monate und Wochen von der Parteiführung und von Genossen bearbeitet worden. Doch Ludwig blieb stur und wollte es auf einen Prozess ankommen lassen. Nun ist er eingeknickt, allerdings nur, weil Parteiführung und Koalitionsspitze damit drohten, ihn fallen zu lassen. Wobei sich Ludwig mit seiner Erklärung und der Vereinbarung mit dem Landtag nicht an die Absprachen mit Landtagsfraktion und Partei hält. Nicht er geht in Vorleistung, sondern der Landtag. Ludwig sagte zu, dem Landtag die Summe der ausgezahlten Löhne von insgesamt 8000 Euro zu erstatten. Wobei er sich den Rechtsweg offen hält. Er kündigte an, dann gegen den Landtag zu klagen.

Vor dem Arbeitsgericht Cottbus geklagt hat Ludwigs Ex-Mitarbeiterin Angela Laugsch. Sie ist selbst Linke-Genossin, wie Ludwig Stadtverordnete in Königs Wusterhausen, Mandatsträgerin im Kreistag Dahme-Spreewald, aber auch im Kreisvorstand der Linken. Mit ihr hatte Ludwig eine geringfügige Beschäftigung im Wahlkreisbüro vertraglich vereinbart, wenige Stunden pro Woche arbeitete sie für ihn. Was aber besonders verwundert für einen Minister der Linkspartei: Er stritt über Monate mit der 60-Jährigen um eine vergleichsweise geringe Summe – jedenfalls im Vergleich zu Ludwigs jährlichen Ministerbezügen von 150 300 Euro.

Ludwig meinte, der Landtag müsse nach der Kündigung der Frau Anfang Juni 2016 zahlen. Deshalb klagte Angela Laugsch. Konkret ging es um drei ausstehende Monatsgehälter von jeweils 524,93 Euro, also insgesamt 1574,79 Euro. Das ist umso bemerkenswerter, als dass die 60-Jährige selbst als sozial schwach bezeichnet werden kann. Ihr Mann bezieht Erwerbsunfähigkeitsrente, sie hat auch wegen früherer Selbstständigkeit keinen Anspruch auf Hartz IV und hat eine 80-prozentige Schwerbehinderung. Ludwig aber beharrte über Monate darauf, dass der Landtag zahlen müsse.

Der Mann der früheren Mitarbeiterin, Jörg Laugsch, ebenfalls 60, sagte den PNN über Ludwigs Verhalten: „Das ist unsolidarisch und eines Linke-Ministers unwürdig.“ Ludwig habe als Abgeordneter mit seiner Frau den Arbeitsvertrag geschlossen, nicht der Landtag. Als der Minister Anfang Juni seiner Genossin vor anderen das Kündigungsschreiben übergab, soll er sogar noch feierlich erklärt haben, dass Laugsch für weitere drei Monate jeweils das Mini-Gehalt gezahlt werde. Später aber beharrte er störrisch darauf, dass der Landtag zahlen müsse, nicht er selbst. Jörg Laugsch hat zu dem Fall – auch abgesehen von der persönlichen Betroffenheit seiner Frau – eine klare Meinung. „Dass ein Minister der Partei, die sich als Sachverwalter der Interessen der kleinen Frau und des kleinen Mannes erklärt, ein solches Problem zu Lasten der Kleinsten schiebt, ist einfach unanständig, zumal dieser Minister als Berufspolitiker seit Jahrzehnten sein dickes, fettes Salär einstreicht.“

Stefan Ludwig versprach seiner Genossin übrigens auch, sich für eine Weiterbeschäftigung einzusetzen. Geschehen ist nichts. Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat sie nicht. Stattdessen blieb ihr nur die Partei – doch die ließ sie in Gestalt eines prominenten Genossen über Monate im Stich. Jörg Laugsch sagt: „Solidarität in Wort und Tat war mal ein großes Anliegen der Linken.“ Der Fall zeige „exemplarisch, wo die Linke angekommen ist. Bei den anderen Parteien. Es hat sich eine Politikerkaste gebildet, die weitgehend abgekoppelt ist von der Basis, deren Alltagsprobleme im Zweifelsfall nur noch stören“.

Im Klartext: Ludwig beschädigt seine Partei. Der Opposition bietet er damit eine offene Flanke. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Jan Redmann, sagte: „Die hartnäckige Weigerung des Justizministers, trotz eindeutiger Rechtslage seiner Mitarbeiterin das ausstehende Gehalt zu bezahlen, hat ein erschreckendes Ausmaß an sozialer Kälte offenbart.“ Redmann forderte von Ludwig, sich öffentlich bei Angela Laugsch zu entschuldigen. Ludwigs Auftreten in den vergangenen Tagen habe ein schlechtes Licht auf die Politik im Allgemeinen und die Landesregierung im Besonderen geworfen. „Die Bürger haben zu Recht kein Verständnis für Politiker, die meinen, für sie würden gesetzliche Regelungen wie Arbeitgeberpflichten nicht gelten“, sagte Redmann. „Wir erwarten von den Mitgliedern der Landesregierung, dass sie sich ab jetzt sensibler und vor allem rechtstreu verhalten.“

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