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Rainer Klettke

© Thilo Rückeis

Freizeitvergnügen: Das ist Rainer mit dem Bagger und der baggert noch

Sechs Zylinder! 120 PS! Ein 30-Tonner mit Riesenschaufel! Die Buddel-Saison in Herzfelde beginnt. In einem überdimensionalen Buddelkasten wühlen Banker, Anwälte, Architekten mit gigantischen Schaufeln. Das Wahrwerden von den Träumen kleiner Jungs? Fehlanzeige! Viele Frauen sind dabei.

Gierig frisst sich der 30-Tonnen-Bagger ins Erdreich. Zweieinhalb Tonnen Sand und Lehm fallen in die Schaufel, in der Baubranche „Löffel“ genannt. Dicke Erdklumpen rutschen zurück ins Loch, in dem schon das Grundwasser hochkommt. Es spritzt, schmoddert und platscht. Zu dieser schmutzigen Angelegenheit mag der Aufzug des Baggerfahrers nicht passen: Büro-Slipper, blau-weiß gestreifte Krawatte und Sakko statt Gummistiefel, Blaumann und Helm. Architekt Rainer Klettke hat heute zur Probe in der Kanzel des 30-Tonners Platz genommen und übernimmt schon mal das „Anbaggern“ für diese Saison.

An diesem Wochenende zieht es wieder Touristen aus ganz Deutschland ins brandenburgische Herzfelde. 30 Kilometer östlich vom Alexanderplatz können Großstädter dann Berge versetzen. Nach Herzenslust dürfen sie in das Herzfelder Erdreich Löcher schaufeln, Steine ausheben, Gräben ziehen, Erdreich transportieren und mit den Ketten durchs hügelige ein Hektar große Gelände pflügen.

Sogar aus Österreich, Dänemark und den Niederlanden zieht es immer mehr Baggerfreunde ins einzige Spaßbaggerland Ostdeutschlands, das zur Alpha-Baumaschinenvermietung gehört. „Die meisten sind Bürojobber, wie Rechtsanwälte, Ärzte, Banker, Architekten oder Webdesigner“, erzählt Organisatorin Christine Schultz. Fast alle haben einen Gutschein unter dem Weihnachtsbaum oder auf dem Geburtstagstisch gefunden – die Baggerstunde kostet immerhin fast 100 Euro – und verbinden das einstündige Erlebnis im überdimensionalen Buddelkasten mit einem verlängerten Berlin-Wochenende. Morgens Baggern, abends in die Oper. „Das ist unser Standortvorteil“, sagt die kaufmännische Angestellte.

Angefangen hat alles vor knapp zehn Jahren. An einem regnerischen Märztag saßen 1999 die vier Mitarbeiter zusammen und grübelten ob der tiefroten Zahlen, die sich über die Wintermonate angesammelt hatten, wie die blank geputzten Baumaschinen an den Mann gebracht werden können. Die werden sonst vornehmlich für Bauarbeiten an mittelständische Betriebe und Privatleute verliehen. „Es kommt doch niemand aus Spaß nach Herzfelde“, meinte ein Kollege aus der Runde. „Warum eigentlich nicht?“, fragte ein anderer zurück. Damit war die ungewöhnliche Geschäftsidee geboren.

Bis Ende Oktober können sich Großstädter und Bürojobber auf den Bagger schwingen. Zum Üben geht’s zunächst auf kleines Gefährt, wo Torsten Schulze in aller Ruhe die Bedienung mit dem Joystick erklärt. Dann dürfen sich die Spaßbaggerer vom kleinen Kompaktlader bis zum 30-Tonner steigern. Vor allem bei Männern erwacht beim Anblick des Sechs-Zylinders mit 120 PS und sechs Meter Grabungstiefe der Spieltrieb.

Doch auch immer mehr Frauen nehmen in der Kanzel Platz. Inzwischen sind es schon zehn Prozent. „Frauen baggern anders als Männer“, hat Christine Schultz über die Jahre festgestellt. „Männer wollen mehr was beweisen, werden schnell mal übermütig, während Frauen wesentlich emotionsloser und geordneter an die Sache rangehen.“ Die Erklärung liegt für sie auf der Hand: Hier erwacht das Kind im Manne.

Torsten Schulze hat seine eigene Erklärung, was für Männer den Reiz ausmacht: „Wahrscheinlich ist es einfach das Beherrschen der Technik. Dass er mit kleinen Handbewegungen Großes bewegen kann.“ Am Ende gibt’s für jeden Teilnehmer ein individuelles Baggerdiplom. So mancher hängt sich die Urkunde dann stolz über den Schreibtisch. Jörg Oberwittler

Spaßbaggerland Herzfelde, Ahornstraße 3, Herzfelde, Telefon: 033434/ 89 67, im Netz: www.baggerland.de, Preis: 97,50 Euro für 60 Minuten.

Jörg Oberwittler

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