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Brandenburg: Das Leiden des Ralf Christoffers an der SPD
Brandenburgs Linksfraktionschef Ralf Christoffers mahnt seine Koalition. Vor allem aber den Regierungspartner. Er blickt schon auf 2019 und darauf, was übrig bleiben wird von Rot-Rot. Nur die Kreisreform?
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Es ist Ralf Christoffers anzusehen. Er ringt mit sich. Seit Wochen, Monaten. Ob in Ausschusssitzungen oder auf Pressekonferenzen. Dabei war der Linksfraktionschef im Landtag Brandenburg stets jener unter seinen Genossen, der jedes scharfe Worte gegen den Koalitionspartner SPD tunlichst vermied, der Koalitionsräson in der eigenen Fraktion gegen jede Kritik durchsetzte – und sich damit nicht nur Freunde in den eigenen Reihen machte. Disziplin – als müsste dem Regierungspartner noch immer unter Beweis gestellt werden, dass die Linke auch im Jahr acht von Rot-Rot in Brandenburg eines kann: nämlich regieren. Nur ab und an versteckte er, der Pragmatiker, der Realo, leise Kritik an der SPD hinter diplomatischen Worten.
Aber seit dem Frühjahr spricht er offen von Fehlern in der Kommunikation – als erster der Spitzenvertreter dieser Koalition. Grund ist die umstrittene Kreisreform, das Prestigeprojekt der Brandenburger SPD unter Ministerpräsident Dietmar Woidke.
Dabei ist die Vorgeschichte relevant. Für die Linke gehörte die Reform keineswegs zu den Lieblingsprojekten – ganz im Gegenteil. Aber die Partei schluckte es. Und sie drückte die geforderte Disziplin bis an die Basis durch.
Über Monate setzte die SPD sich und die Koalition selbst ins schlechte Bild
Im Landtag sah sich die Koalition plötzlich mit einer erfolgreichen Volksinitiative gegen die Kreisreform konfrontiert, mit 130 000 Unterschriften von Brandenburger Bürgern. Doch die SPD-Fraktion versuchte seit Februar über Monate, die Volksinitiative rechtlich infrage zu stellen – und scheiterte damit am Ende krachend.
Dabei wäre das alles vermeidbar gewesen. Die SPD wusste offenbar selbst nicht genau, wie sie mit all dem umgehen sollte. Es fehlte Führung – aus der Staatskanzlei. Und die Fraktion fuhr auf Sicht, nicht nur, weil deren Vorsitzender Mike Bischoff anfangs noch erkrankt war. Über Monate setzte die SPD sich und die Koalition selbst ins schlechte Bild – als die, die die Reform mit aller Macht durchsetzen wollte, trotz der 130 000 Unterstützer der Volksinitiative.
Im Frühjahr gab es solche Momente, die Christoffers verzweifeln ließen. Als die Ausschüsse im Landtag klären sollten, ob denn die Volksinitiative zulässig sei. Bischoff war noch nicht wieder da, in nächtlichen Telefonaten war es Christoffers, der mit der SPD und seinen Genossen die Strategie der Koalition für den Umgang mit der Volksinitiative durchdeklinierte. Am nächsten Tag herrschte blankes Entsetzen bei der Linken – denn die SPD hielt sich nicht an die Absprachen und bezweifelte, dass die Volksinitiative rechtens war.
Christoffers mahnte intern - offenbar vergeblich
Für Christoffers war dieses Frühjahr politisch also eine Katastrophe. Immer häufiger blickte er zerknirscht, wenn SPD-Vertreter in den Ausschüssen das Wort ergriffen. Als hätte er Angst vor dem nächsten Patzer, dem nächsten Aussetzer. Intern machte er Druck, verlangte mehr Weitsicht, mehr Breite bei den Themen, mehr Struktur. Und er sprach immer wieder von den Kommunikationsfehlern.
Gebracht hat es offenbar nicht viel. Jedenfalls muss schon einiges geschehen sein oder in diesem Falle eben nichts, dass Christoffers dann doch die größere Bühne wählt, um den Regierungsparteien deutlich zu machen, wie mies das Erscheinungsbild von Rot-Rot derzeit ist. Christoffers denkt schon an die Landtagswahl 2019 – und daran, was am Ende von Rot-Rot bleiben wird. Nur das Gerangel um die Kreisreform?
Der „Märkischen Allgemeinen“ (MAZ) sagte er deshalb nun, die Koalition fokussiere sich zu stark auf die Kreisgebietsreform. „Andere Themen, die für den Alltag der Menschen wichtig sind, sind dadurch nicht so stark belichtet.“ Es gerate aus dem Blick, was die Menschen wirklich umtreibe. Als Beispiele nannte Christoffers Fragen, ob auch in Zukunft Busse und Bahnen auf dem Lande fahren oder wie lange auf einen Arzttermin gewartet werden müsse. Zudem bemängelte er die interne Kommunikation. Abstimmungen zwischen den Regierungspartnern seien dringend zu verbessern. Dazu zählten das Tempo von Absprachen und die Verbindlichkeit getroffener Entscheidungen. Insgesamt stellte der Linkspolitiker fest: „Wir müssen besser werden.“
Linksfraktionschef beklagt Unwuchten
Mit dem Landesnahverkehrsplan, dem Landesentwicklungsplan oder mit dem Finanzausgleichsgesetz würden wichtige Weichenstellungen für die nächsten Jahre getroffen. Öffentlich geredet werde aber nur über die Kreisreform. „Da ist eine Unwucht entstanden. Daran haben wir als Koalition unseren Anteil.“ Christoffers schloss nicht aus, dass es noch Änderungen im Gesetzentwurf der Landesregierung gibt. „Die 130 000 Unterschriften der Volksinitiative gehen an der Koalition nicht spurlos vorbei“, sagte er. Die Verzweiflung muss groß gewesen sein.
Doch Ärger bekam Christoffers für seine Worte nicht. SPD-Fraktionschef Mike Bischoff findet: „Das Verhältnis ist gut.“ Die Zusammenarbeit stimme, man bringe gemeinsam viele Projekte auf den Weg, etwa im Bildungsbereich. Trotzdem gehe es um eine Koalition aus zwei Parteien mit zum Teil unterschiedlichen Positionen, die man diskutieren müsse. Dabei sei man bislang aber immer zu einer guten Lösung gekommen. Und: Er telefonieren häufiger mit Ralf Christoffers als mit seiner Frau.
Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagt: „Insgesamt gesehen erkennen wir nicht, wo der große Wurf dieser Landesregierung sein soll.“ Für die Opposition ist es also ein leichtes Spiel. Wobei die CDU mit der Kreisreform und pragmatischen Themen wie den Funklöchern immer wieder Treffer setzen konnte. Selbst wenn sie sich zurückhielt, machte es nichts. Die Koalition sorgte selbst für schlechte Presse – vor allem mit der Kreisreform.
Wie zuletzt, als Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und Fraktionschef Bischoff locker in den Raum warfen, dass selbst ein erfolgreicher Volksentscheid nichts an den Gesetzesbeschlüssen des Landtags zur Kreisreform ändere. Rechtlich sauber, politisch fatal. Christoffers setzt dagegen ausdrücklich auf einen Volksentscheid.
Manche Abgeordnete fragen: Müssten jetzt nicht CDU und Linke übernehmen?
Dabei blickt auch CDU-Oppositionsführer Ingo Senftleben auf die nächsten Wahlen. Über Rot-Rot sagt er: „Das sind Bilder einer Beziehung, die sich unweigerlich auf die Trennung zu bewegt. Statt mit der Zukunft Brandenburgs sind die Koalitionäre nur noch mit sich selbst beschäftigt.“ Und Senftleben attestiert Rot-Rot Missgunst und Streit in der Koalition.
Tatsächlich gibt es die. Die SPD erinnert die Linke gern daran, wer Koch und Kellner ist. Und sie reagiert gereizt, wenn sie von der Linken – wie bei der Bildung und Kitas – überholt wird. Bei der Linke dagegen ist das Klagen groß, weil Vorschläge versickern, Absprachen sich ziehen. Auf Arbeitsebene läuft der Apparat der Koalition im Landtag noch, darüber aber zeigen sich Lücken.
Es gibt inzwischen sogar Abgeordnete, die meinen: Weil die SPD nach 27 Jahren an der Macht aufgebraucht sei und obwohl es ideologisch nicht möglich ist – wenn es nach Inhalten, Impulsen, Absprachen geht, wenn es danach geht, im Hintergrund über Bande zu spielen, müsste es in Brandenburg eine neue Koalition geben. Schwarz-Rot – die CDU mit der Linken.
Nur Unwuchten also? Christoffers hat jetzt die Notbremse gezogen.
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