Spargel aus Brandenburg: Das Original
Demeter-Bauer Paul Schulze in Havelsee baut seinen Spargel ohne Folie an. Und er verwendet die alte, kaum noch bekannte Sorte Epus. Ein rares Geschmackserlebnis.
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Havelsee - Es müssen schon große Spargelverehrer sein, denen nicht auf die Nerven geht, wie überall in Brandenburg die Felder aussehen: Mit dicker Kunststofffolie abgedeckt von hier bis zum Horizont. Auf den ersten Blick ist es, als habe sich ein gefährliches Gewässer ausgebreitet, Wolfram Siebeck fühlte sich sogar an eine Ölpest erinnert – und weigerte sich, Folienspargel zu essen. Doch anderer ist kaum noch zu finden. Zu groß sind die wirtschaftlichen Vorteile: Spargel unter Folie wächst früher und gleichmäßiger. Er bleibt weiß, wie es in Deutschland gewünscht ist, und er kann mit Folienhilfe nun auch auf vielen schweren Böden angebaut werden, die früher als ungeeignet galten. Zudem wird er nur noch aus ertragsstarken holländischen Hybridsorten gezogen, die meist fad und wässrig schmecken.
Keine Folie, kein Kunstdünger, kein Kinderbauernhof
Alle Brandenburger Bauern? Einen haben wir gefunden, gewissermaßen das gallische Dorf des Spargelanbaus: Paul Schulze, Landwirt aus Havelsee, ein paar Kilometer westlich von Brandenburg/Havel. Er macht alles anders: keine Folie, kein Kunstdünger, Pflanzenschutz nur nach Maßgaben der Demeter-Vereinigung. Und kein Kinderbauernhof mit Kneipe, Tieren, und Hofladen. Draußen an der Straße weist ein Schild auf „Bio-Spargel“ hin, und wer einbiegt, der landet nach einer holprigen Fahrt an ein paar seltsam aussehenden Kühen vorbei auf dem Gehöft der Familie Schulze.
Dort steht ein Sortierband, und in roten Kunststoffkisten wartet der Spargel auf Kunden – in den regulären Großhandel geht er nicht. Wenn Kirstin Schulze, die den Betrieb jetzt von ihrem Vater offiziell übernommen hat, die feuchten Tücher lüpft, wartet das Aha-Erlebnis: Da gibt es perfekte, dicke, weiße Stangen, aber eben auch die so raren mit den grün-violett gefärbten Köpfen.
Schulze, der aus Jüterbog stammt, hat zu DDR-Zeiten die komplette Landwirtsausbildung absolviert, brachte es an der Berliner Humboldt-Uni zum Diplom-Landwirt und beriet später mehrere LPGs in Sachen Pflanzenschutz. Nach der Wende gründete er seine Existenz auf drei Produkten: Neben dem Spargelanbau hält er Heck-Rinder, jene Tiere, die dem Vorbild des ausgestorbenen Auerochsen nachgezüchtet wurden, und er baut Getreide an.
Der feine, würzige Geschmack reißt alles raus
Dabei vollzog er sogleich die komplette Wende zur Demeter-Landwirtschaft. An Dung ist wegen der Rinder kein Mangel, die leichten Schwemmsandböden gibt es am Havelrand reichlich – und der Rest ist für einen Fachmann wie ihn Handwerk. Alle Tricks verrät er nicht, aber er will sich die Natur nicht passend machen und nimmt deshalb in Kauf, dass seine Erntehelfer zweimal täglich, nämlich morgens und abends, ausschwärmen müssen, weil eben keine Folie den natürlichen Wachstumsrhythmus ausgleicht.
Die Saison beginnt dafür später und ist früher zu Ende. Oben auf den Wällen wächst ein wenig Grünzeug, ständig müssen die Seiten mit Maurerkellen wieder geglättet werden. Schulze benutzt ausschließlich die alte Sorte Epus, die fast überall sonst von den Hybridsorten verdrängt wurde: Die Stangen sind kürzer, manchmal ein wenig krumm, aber der feine, würzige Geschmack reißt das allemal raus.
Spargel-Anbau zu DDR-Zeiten
Der Besucher kommt natürlich zwangsläufig auf die DDR zu sprechen, in der es Spargel nur unter der Hand gab. Schulze ist zwar kein Nostalgiker, aber er widerspricht der beliebten Legende, dass in den LPGs seinerzeit alles mit reichlich Chemie gerichtet worden sei. „Das ist heute alles viel schlimmer“, sagt er. „Wir waren damals sehr genau in der Dosierung.“
Das mit der DDR ist Geschichte, aber man kann sich gut vorstellen, wie kostbar damals ein Kilo Spargel war und wie gut es schmeckte. Natürlich haben auch Berliner Top-Köche Witterung aufgenommen, aber sie scheuen meist den weiten Weg; Andreas Rieger vom „Einsunternull“ zum Beispiel nimmt ihn aber auf sich: Er serviert Schulzes Spargel sogar ganzjährig, weil er ihn in der Saison durch milchsaure Vergärung haltbar macht und so noch einmal ganz andere Geschmackserlebnisse präsentiert. Noch ist ein Ausflug nach Havelsee übrigens sinnvoll: Das Kilo kostet – wie überall – zwischen acht und zehn Euro.
Schulzes Spargel gibt es nur ab Hof: Paul Schulze, Kaltenhausen 3, Havelsee, Tel.: (03381) 40 25 41. Aber Tobias Stetter, Gründer des Internet-Marktplatzes „Taste&Stories“, baut eine Brücke für all jene, die nicht hinfahren können. Er nimmt noch bis 25. Mai Bestellungen entgegen, die ab dem 26.Mai in Berlin bei „Maitre Philippe“ in Wilmersdorf oder „Vom Einfachen das Gute“ in Mitte abgeholt werden können. Auch Lieferungen über DHL-Express sind möglich. Taste & Stories sieht sich dem Slow-Food-Gedanken verpflichtet, als ein „Genuss-Shopping-Club“, der Gourmet-Manufakturen aus ganz Deutschland mit Genießern über die Region hinaus zusammenbringt. Für Mitglieder gibt es Preisermäßigungen. Auf der Website werden die Geschichten hinter den Produkten erzählt.
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