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Brandenburg: Das politisch korrekte Osterei

Millionen Küken werden jährlich geschreddert, weil sie für die Produktion ungeeignet sind – auch im Bio-Bereich. Einige Brandenburger Bauern lehnen dies ab und halten lieber „Zweinutzungshühner“

Von Katharina Wiechers

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Die Hühner von Bauer Lutz Ulms aus Sonnewalde (Landkreis Elbe-Elster) sind weiß, haben einen leuchtend roten Kamm und haben dunkelgrau-blaue Füße. Diesen haben die auch ihren Namen zu verdanken: Les Bleus, die Blauen. Doch die wichtigste Eigenschaft der Tiere ist nicht die Farbe ihrer Füße, sondern ihre Eignung als sogenanntes Zweinutzungshuhn. Denn die Hühner von Bauer Ulms können beides: Eier legen und Fleisch ansetzen, heutzutage eine absolute Ausnahme.

Denn fast alle in Deutschland lebenden Hühner sind genetisch entweder auf Eierlegen oder auf das Ansetzen von Fleisch ausgerichtet. Diese „Hybridhühner“ sind auch in der Biolandwirtschaft absolut üblich. Denn auch die Ökobauern müssen ihre Küken dort kaufen, wo die konventionellen Landwirte sie bekommen – der Markt ist in der Hand von wenigen Monopolisten. Aufzucht eigener Küken lohnt sich für Landwirte schon lange nicht mehr, nur noch Hobby-Halter machen sich diese Mühe.

Da bei den genetisch veränderten Tieren aus der Küken-„Produktion“ aber jeweils nur eine Eigenschaft stark ausgeprägt ist, ist ein Teil von ihnen für den Markt wertlos: die männlichen Küken mit dem Eier-Lege-Gen. Deshalb werden diese kurz nach dem Schlüpfen getötet – vergast oder geschreddert – und zu Tierfutter weiterverarbeitet oder entsorgt. Schätzungen zufolge sterben so 40 bis 50 Millionen Küken jährlich, und das allein in Deutschland.

Um dies zu vermeiden, hat der Öko-Verband Naturland vor einiger Zeit ein Pilotprojekt gestartet. Unter dem Markennamen „ei care“ vermarktet er in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern Eier und Fleisch, das von Zweinutzungshühnern stammt. Ein Landwirt in Mecklenburg-Vorpommern und fünf in Brandenburg beteiligen sich mittlerweile, einer davon ist Lutz Ulms. Er hat sich aus ideologischen Gründen dafür entschieden, aber auch aus wirtschaftlichen, wie er sagt. Schließlich sei es kaum möglich, sich gegen die Massen-Biobetriebe, die teils 15 000 oder mehr Hühner haben, durchzusetzen, deshalb habe er sich für diese Nische entschieden. Bei Ulms geht alles von Hand: das Füttern, Ausmisten, Eier einsammeln und das Sortieren in die Kartons. In modernen Anlagen kann ein Mensch sich alleine um Tausende Hühner kümmern, da kann und will Ulms nicht mithalten. Pro Ei bekomme er 30 Cent, sagt der Landwirt und sieht dabei aus, als wäre er mit dem Preis nicht gerade zufrieden. Aber die Eier bedeuten eine sicherer Einnahmequelle. „Und den Mist brauchen wir für den Gemüseanbau“, sagt Ulms.

Wie er halten alle „ei-care“-Bauern Tiere der Rasse Les Bleus. Diese habe sich als besonders geeignet für das Projekt erwiesen, erklärt der Geschäftsleiter der Marktgesellschaft der Naturlandbetriebe, Jörg Große-Lochtmann. „Die Tiere haben ein relativ gutes Leistungsniveau“, sagt er. Sie legen etwa 240 Eier im Jahr – also rund 60 weniger als ein Huhn in konventioneller Haltung – setzen aber trotzdem so viel Fleisch an, dass es sich lohnt, die männlichen Tiere aufzuziehen und zu verkaufen. Das Fleisch ist ein wenig dunkler und muss etwas länger gegart werden, hat aber eine schmackhafte Eigennote. „In Frankreich gilt es als Spezialität“, sagt Große-Lochtmann. Auch die Haltung in kleineren Herden mit maximal 1000 Tieren und artgerechte Ställe gehören mit zum Konzept. Das schlägt sich natürlich auf den Preis nieder. Ein „ei care“-Ei kostet 50 Cent, Bio-Eier liegen derzeit bei etwa 42 Cent. Noch gravierender ist der Unterschied beim Fleisch: Während man ein Bio-Huhn für rund 18 Euro bekommt, muss man für ein Exemplar der Les Bleus 25 bis 26 Euro hinblättern. „Das schreckt noch viele ab“, sagt Große-Lochtmann.

Das könnte auch daran liegen, dass das Problem des Küken-Schredderns bei vielen nicht präsent ist und erst recht nicht mit Bio-Landwirtschaft in Verbindung gebracht wird. Doch bei Naturland und beim Bio-Großhändler Terra, der die „ei care“-Produkte vertreibt, will man keinen Skandal provozieren. „Wir wollen keine Schlagzeile nach dem Motto ‚Wir verhindern den Kükenmord’“, sagt Große-Lochtmann. Schließlich sei es nicht das Ziel, die anderen Bio-Bauern zu verunglimpfen. „Der Fehler liegt ja im System“, sagt er. Schließlich seien die Bio-Bauern auf die wenigen Küken-Anbieter angewiesen, die es gibt.

Les Bleus stammen übrigens alle von einem Hof in Bayern, dem bislang einzigen in Deutschland. Doch die Macher von „ei care“ sind gerade dabei, auch in Brandenburg einen sogenannten Elterntierhof zu etablieren. Zudem soll die Produktpalette verändert werden, um den schleppenden Fleischverkauf anzukurbeln. Auch Wiener, Buletten und Chicken Curry könnte es möglicherweise bald von der Marke „ei care“ geben.

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