
© Klaus-Dietmar Gabbert/dapd
ORTSTERMIN: Das Rezept zum BER
Klaus Dieter Steyer und Hella Dittfeld beobachteten den Aufsichtsratschef der Berliner Flughäfen bei seinem Grüne-Woche-Rundgang als Ministerpräsident Brandenburgs unter bodenständigen Gesichtspunkten.
Stand:
Er freue sich auf zehn Stunden „ohne Flugwesen“, hatte Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) vor seinem Rundgang in der Brandenburghalle auf der Grünen Woche gesagt. Es wäre – fast – etwas geworden. Wäre da nicht der Betreiber eines anspruchsvollen Restaurants in der dünn besiedelten und nicht gerade vor Wohlstand strotzenden Prignitz gewesen, der Reklame braucht. Knut Diete vom „Kranhaus“, direkt an der Elbe in Wittenberge gelegen, nutzte am Montag die Werbechance mit Bravour. „Roulade vom Strauß“ bot er im Kochstudio der Brandenburghalle auf der Grünen Woche an. Platzeck blieb nicht viel mehr, als über so viel Hintersinn zu schmunzeln. Denn sein großes Eigengewicht hindert den Strauß daran, sich in die Lüfte erheben zu können. Der Bodenvogel, der sich mit sich selbst übernommen hat, ist also so etwas wie die Entsprechung zum Nicht-Flughafen BER, an dem sich – neben vielen anderen – eben auch Platzeck als Aufsichtsrat verhoben hat. Der eine hebt nicht, auf dem anderen hebt nichts ab. Da kann man mit Flügeln oder Armen rudern wie man will: Diete hat das Rezept zu Platzecks Krise.
Einen beabsichtigten Zusammenhang zwischen Rezeptauswahl und dem Desaster um den neuen Flughafen in Schönefeld wollte Diete dann zwar nicht bestätigen, aber sein Lächeln sagte mehr. Denn schon einmal hatte er einen Politiker vor laufenden Fernsehkameras in Verblüffung versetzt. Dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder hielt er vor gut einem Jahrzehnt auf dem Wittenberger Bahnhof „Erdbeereis mit Senf“ unter die Nase. Schröder leckte, Diete hatte Werbung.
Diete war nicht der Einzige, der Platzecks Wunsch nach einem BER-freien Tag nicht ganz befolgte. Die Chefin der Confiserie „Felicitas“, Goedele Matthyssen, hatte sich auch etwas überlegt. Immerhin hat sie in ihren Läden im Spreewald und in Potsdam noch für die BER-Eröffnung produzierte Verpackungen und Schokolade gelagert. Sie reichte dem Flughafenoberaufseher ein Flugzeug aus Milchschokolade. Platzeck nahms, lachte trotzdem, ließ das Schokoladenflugzeug nach kurzem Absturz unter Beifall doch noch in die Höhe steigen. Wenn das mit dem Flughafen nichts werde, sagte die Confiserie-Chefin, könne sie aushelfen: Bei ihr bekomme jeder seinen eigenen Flieger.
Die übrigen Aussteller in der überfüllten Brandenburghalle (Halle 21a) verkniffen sich jede Anspielung auf Platzecks Nebenberuf als Aufsichtsratschef – der Nichtflughafen taugt ja auch nur wortwörtlich für Standortwerbung. Und wer will schon einen vergnatzten Regierungschef neben sich auf den PR-Fotos? Viel lieber streckten sie Platzeck Bier, Milch, Liköre und bestrichene Brote entgegen. Der drückte und knuddelte routiniert die große Schar ländlicher Hoheiten wie Spargel-, Gurken- oder die Baumblütenkönigin. Sogar eine Spritzkuchenkönigin ließ sich breit lächelnd herzen.
Die eine oder andere Hoheit wird Platzeck im Laufe des Jahres bestimmt wiedersehen, ob bei der Landesgartenschau in Prenzlau oder beim zentralen Dorf- und Heimatfest in Kremmen. Da dürfte Platzeck Ruhe vor dem Flugwesen haben. Es sei denn, ein umtriebiger Koch denkt sich wieder etwas Besonderes aus. Flugente gibts aber wohl öffentlich erst, wenn am BER nicht nur Vögel abheben. Da hat Diete dann mit seinem Bodenvogel Strauß (die flugunfähige märkische Großtrappe steht schließlich unter strengem Schutz) Platzecks Wunsch dann doch entsprochen: Das Wesen fliegt ja nicht.
Wenigen Besuchern fiel auch wieder Platzecks krummes und schiefes, in Sachen Flughafen BER geprägtes Sprachbild „Entweder das Ding fliegt oder ich“ ein. Ob er nicht doch den Strauß gemeint haben könnte? Am Ende wirds aber egal sein: Flugunfähig sind sie beide und werden es wohl auch für immer bleiben – Flughafen und Vogel. Nur bei Platzeck hat es sich noch nicht entschieden.
Flugwesen und Strauß – das geht dann doch nur in Bayern wirklich zusammen. Da heißt der Strauß Franz Josef und nicht Vogel – geschmeckt hat er nicht jedem und fliegen konnte er ohne sein Flugzeug auch nicht. Aber als Flughafen soll er ganz gut funktionieren.
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