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Interview: „Das war anders geplant“
Der CDU-Landtagsabgeordnete Henryk Wichmann über die Stasi-Debatte im Landtag, darüber, warum er den Antrag von CDU, SPD und Linker nicht mehr unterschreiben würde und zu Theorien über einen Putsch in der märkischen CDU.
Stand:
Herr Wichmann, in der vorigen Woche hat die CDU-Fraktion zusammen mit Rot-Rot und gegen die beiden anderen Oppositionsparteien – Grüne und FDP – einen Entschließungsantrag zum Bericht der unabhängigen Stasi-Überprüfungskommission des Landtages durchgebracht. Sie schienen schon kurz nach der Lantagsdebatte zum Bericht nicht mehr glücklich darüber zu sein, den Antrag unterschrieben zu haben.
Ich bin heute nicht mehr glücklich darüber, dass ich meine Unterschrift darunter gesetzt habe.
Warum?
Weil mich die Rede des stellvertretenden Fraktionschefs der Linken, Stefan Ludwig, doch sehr irritiert hat und weil mich vor allem auch irritiert hat, dass Täter, die sich bisher nicht zu ihren Taten bekannt haben, aber wie Frau Stobrawa seit 22 Jahren im Landtag sitzen, die Dreistigkeit besitzen, diesen Antrag zu unterschreiben. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Es macht mich fassungslos, wie die Linken die Dreistigkeit besitzen können, zu glauben, mit diesem gemeinsamen Antrag sei das Thema erledigt und sie müssten sich ihrer Verantwortung vor der Geschichte künftig nicht mehr stellen.
Gerlinde Stobrawa ist von der unabhängigen Expertenkommission als Inoffizielle Stasi-Mitarbeiterin und als nach der Wende nicht glaubhaft in ihrer Darstellung eingestuft worden. Stobrawa leugnet bis heute. Mussten Sie nicht damit rechnen, dass Leute wie Stobrawa den Entschließungsantrag, der eine Initiative der CDU- Fraktion war und von CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski ausgehandelt wurde, mit unterschreiben?
Ich hatte eigentlich erwartet, dass die Kollegen, die als Täter in dem Bericht aufgeführt sind, wenigstens soviel Anstand, Schamgefühl und Ehre im Leib haben, dass sie nicht auch noch die Frechheit besitzen, auch noch diesen Antrag zu unterschreiben, der sie ja eigentlich auffordert, endlich einmal zu ihrer Schuld zu stehen und auch einmal gegenüber den Opfern aktiv zu werden.
Aber das, was Herr Dombrowski mit den Fraktionsgeschäftsführern von SPD und Linke ausgehandelt hat, bescheinigt ja auch Abgeordneten wie Frau Stobrawa indirekt, dass sie sich bisher schon kritisch mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt haben. In dem Text heißt es, dass diesen nahegelegt wird, sich – Zitat – weiter kritisch mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Grüne und FDP störten sich unter anderem an dem Wort weiter.
Das war ja ursprünglich anders geplant. Wir hatten als CDU-Fraktion einen eigenen Entwurf für diesen Text, der viel klarer und deutlich war. Wie das in der Politik so ist, wird dann eben versucht, einen Kompromiss zu finden, und die Linken haben eben darauf bestanden, dass das Wort weiter dort eingefügt wird, weil sie sonst völlig ihr Gesicht verlieren. Ich als guter Christ und wir als CDU haben uns dann eben gesagt, dass man sich auch ein Stück aufeinanderzubewegen muss. Wenn wir in dem Papier am Ende etwas für die Opfer herausholen, dann ist es uns das nach 22 Jahren wert und auch wichtiger. Aber als ich dann die Rede von Herrn Ludwig hörte, wie er Vaclav Havel zitierte, der leider tot ist und sich dagegen nicht mehr wehren kann, wie er den Eindruck erweckte, bei den Linken sei alles geklärt, sie hätten nichts nachzuholen, da wurde mir deutlich, dass die Linke überhaupt nicht verstanden hat, worum es hier eigentlich geht.
War es also ein Fehler von Dieter Dombrowski, das Papier so auszuhandeln und den Text so mitzutragen?
Langfristig wird es gut sein für Brandenburg, dass wir überhaupt ein Ergebnis haben nach der ersten richtigen Stasi-Überprüfung. Wenn wir uns nicht aufeinanderzubewegt hätten, hätte es überhaupt kein Papier des Parlaments zu dem Kommissionsbericht gegeben. Die letzte linke Landesregierung hatte schließlich auch gesagt: so oder gar kein Text. Aber kurzfristig war es, das muss ich nun ehrlich sagen, ein Fehler, weil die Rede von Herrn Ludwig und das Unterschreiben der Täter mich geschockt haben.
Wenn man sich den Antrag anschaut, dann kommen die Unterschriften der CDU nach denen der SPD und der Linken. Haben sie das nicht gesehen?
Es sind zwei Seiten mit insgesamt 72 Unterschriften. Ich stehe auf der letzten Seite. Ich habe ein Blatt vorgelegt bekommen, wo viele meiner CDU-Fraktionskollegen schon unterschrieben hatten und das vorher blank war. Und ich wusste auch, dass aus anderen Fraktionen Kollegen unterschreiben. Aber ich konnte nicht wissen, dass Frau Stobrawa auf der anderen Seite per Kurierdienst ihre Unterschrift leistet. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nicht unterschrieben. Sie leugnet bis heute, obwohl die Kommission eine eindeutige Feststellung zu ihr getroffen hat – und dann unterschreibt sie einen Antrag, der das Wort Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit schon in der Überschrift hat – das geht überhaupt nicht für mich!
Kannten sie den genauen Text, als Sie unterschrieben haben?
Ja. Wir haben den geänderten Entwurf am Dienstag von Rot-Rot bekommen und dann mit vielen, vielen Bauchschmerzen akzeptiert, weil wir wegen der Opfer diesen Schritt auf die Koalitionsfraktionen zumachen wollten. Denn zum ersten Mal gibt es einen Landtagsbeschluss, in dem die Opfer explizit erwähnt werden und in dem festgehalten wird, das für sie mehr getan werden muss als bisher. Und daran werden die Linken auch gemessen in den nächsten Jahren und daran wird gemessen, ob bei Rot- Rot nun auch einmal Taten folgen werden. Insofern sahen wir in dem Antrag auch eine Chance.
Schon wenige Minuten später, nachdem die CDU mit SPD und Linke den Antrag beschlossen hatte, hieß es aus den Reihen der SPD – inzwischen aber auch aus CDU-Kreisen –, dass Herr Dombrowski dies gezielt getan habe, um ihre Partei- und Fraktionschefin Saskia Ludwig, die noch eine Woche vorher aggressiv einen stasifreien Landtag gefordert hatte, gezielt zu schädigen.
Das ist Quatsch. Das ist die typische Verfahrensweise von SPD-GeneralsekretärKlaus Ness, der immer wieder versucht, seine Sicht der Dinge und seine Deutungen dann über die Medien in die Bevölkerung durchzustechen. Es ist nicht der erste Versuch von Herrn Ness. Ich glaube nicht, dass die Bürger und Journalisten so dumm sind, darauf reinzufallen. Denn warum sollte Dieter Dombrowski dies tun? Wenn er Saskia Ludwig schaden will, dann kann er dies auch anders tun, dafür muss er keinen Pakt mit den Linken schließen – zumal als jemand, der selbst Opfer von SED und Stasi war, der selbst im Gefängnis gesessen hat. Dieter Dombrowski hat ja in seiner Rede auch die Position deutlich gemacht, die wir alle in der Fraktion haben – da gibt es überhaupt keine Unterschiede in der Fraktion: Wir wollen alle ein stasifreies Parlament. Aber wir können ja nicht erzwingen, dass Abgeordneten, die ihren Wählern nicht vor der Wahl die Wahrheit gesagt, die sich ein Mandat erschlichen haben, das Mandat aberkannt wird. Dieter Dombrowski ging es um die Opfer.
Auffällig viel und starken Beifall aus ihrer Fraktion hat Linda Teuteberg von der FDP, die nicht für den Entschließungsantrag gestimmt hat, für ihre Rede erhalten. Haben Sie sich bei ihrer Rede manchmal wohler gefühlt als mit ihrer Unterschrift unter den schwarz-rot-roten Antrag?
Das ist kein schwarz-rot-roter Antrag, sondern ein Abgeordnetenantrag. Nach dem ganzen Wischiwaschi von SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher und Stefan Ludwig von den Linken und auch nach der doch stark konsensorientierten, eher präsidialen Rede von Dieter Dombrowski war es für mich als jungem Abgeordneten ausgesprochen wohltuend, die klare Rede von Linda Teuteberg zu hören, weil sie auch einmal klargemacht hat, dass es auch eine andere Sicht der Dinge geben kann und muss in Brandenburg; dass es nicht nur den Brandenburger Weg gibt und die Gemeinsamkeit, in der eben manchmal auch die Wahrhaftigkeit und die Wahrheit verloren gehen. Es gibt eben auch junge Abgeordnete, die wissen, dass Gemeinsamkeit zwar ein hohes Gut und ein Ziel ist, dass aber davor eben Wahrhaftigkeit und Wahrheit stehen müssen. Und dies ist eben bei ganz vielen Linken nicht gegeben. Die Linke muss erst einmal bei sich selbst für Klarheit und Offenheit sorgen – erst dann ist der Punkt erreicht, an dem man über Gemeinsamkeiten reden und sich auf einen Kompromiss einigen kann. Aber: darauf warten die Opfer schon seit 21 oder 22 Jahren. Auf so ein Zeichen, wie es eben auch Linda Teuteberg, die stark die Gemeinsamkeiten bei SPD, CDU, Grünen und FDP betont, klar eingefordert hat, haben wir von den Linken vergeblich gewartet.
Wie hätte ein Zeichen der Linken an die Opfer aussehen können?
Ich hätte als Fraktionsvorstand von all denen, die in dem Bericht eindeutig als Täter deklariert sind, verlangt und erwartet, dass sie den Mut haben, die Courage besitzen, hier in diesem Parlament ans Rednerpult zu gehen und sich in zwei, drei klaren Sätzen für das, was sie gemacht haben, zu entschuldigen – und nicht nur für das, was sie den Opfern angetan haben, sondern auf auch für den Schaden, den sie dem gesamten Parlament durch ihr Verhalten nach der Wende zugefügt haben. Das ist bis heute von keinem der Täter passiert. Axel Henschke fühlt sich bis heute an seine der Stasi gegebene Verschwiegenheitserklärung gebunden und will sich sonst an nichts mehr erinnern. Wenn sich also jemand nach 22 Jahren in einem Rechtsstaat als Parlamentarier noch immer an eine Verschwiegenheitserklärung gegenüber einer diktatorischen Geheimpolizei gebunden fühlt, dann frage ich mich: Was hat der in den 22 Jahren eigentlich dazugelernt, was will der da hier? Und von so jemandem hätte ich einfach mal gern drei klare Sätze gehört. Stattdessen sitzt er da und guckt zur Seite, als ginge ihn das Ganze nichts an. Da ist dann meine Bereitschaft, Kompromisse einzugehen, sehr begrenzt. Wir sind mit dem Papier der Linken sehr weit entgegengekommen und ich hätte eben erwartet, dass da auch was zurückkommt – da kam aber nur eine sehr dreiste Rede von Herrn Ludwig und die Tatsache, dass die Täter ihre Unterschrift unter das Papier gesetzt haben.
Würden sie das Papier noch einmal unterschreiben?
Nach der Rede von den Linken und der Dreistigkeit von Stobrawa das Papier zu unterschreiben – nein! Nein.
Das Interview führte Peter Tiede
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