Brandenburg: DDR-Verklärung im Land Brandenburg wird erforscht
Forsa-Umfrage startet/In der Enquete-Kommission bringt sich die SPD immer mehr ins Abseits
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Potsdam - Im Land Brandenburg soll jetzt erforscht werden, ob und wieweit die Einwohner die SED-Diktatur verklären, nachdem das Land lange als „kleine DDR“ galt: Die Enquete-Kommission des Landtages zum Umgang mit dem DDR-Erbe in Brandenburg machte auf der Sitzung am Freitag den Weg für eine repräsentative Meinungsumfrage des Instituts Forsa zum „DDR-Bild der Bevölkerung in Brandenburg“ frei. Die Ergebnisse sollen bis Dezember vorliegen. Mit 72 Fragen soll ausgelotet werden, wie die Märker zu DDR und Staatssicherheit, aber auch zu heutigen Institutionen der Demokratie stehen. In der Kommission, in der die Fronten nach Scharmützeln um die Stasi-Kontakte des früheren Regierungschefs Manfred Stolpe (SPD), um diverse Gutachten inzwischen verhärtet sind, wurde selbst die Verabschiedung der Umfrage zum Politikum. Die Sitzung in dem Gremium aus Wissenschaftlern und Politikern, in dem inzwischen regelmäßig wie in Untersuchungsausschüssen oder Landtagen nach den klassischen politischen Blöcken abgestimmt wird, war von einem neuen Eklat überschattet worden. Vorher war (wie berichtet) mit dem Politologen Stefan Appelius erneut ein Gutachter abgesprungen. Er warf Rot-Rot „fehlenden Aufarbeitungswillen“ vor. Es ist ein Eindruck, der sich in der Opposition nach der jüngsten Sitzung verstärkt – besonders in Bezug auf die SPD.
So bügelte Rot-Rot mit seiner Mehrheit Änderungsbegehren der Grünen sowie der Diktaturbeauftragten Ulrike Poppe zur Umfrage rundweg ab. Vergeblich hatte Poppe Anstoß an der allgemeinen Suggestivfrage genommen, ob frühere Stasi-Mitarbeiter eine zweite Chance erhalten sollten. „Niemand, der menschenrechtlich eine normale Position vertritt, und schon gar niemand mit christlichem Hintergrund, antwortet da mit Nein“, warnte sie. Ebenso allgemein gefragt wird nun, ob frühere Stasi-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst tätig sein sollten oder nicht. Eine geforderte Präzisierung auf Führungspositionen – nur dort ist überhaupt eine Stasi-Überprüfung möglich – schmetterte Rot-Rot ebenfalls ab. Da man mit Umfragen Politik machen kann, steht nicht nur für Grünen-Fraktionschef Axel Vogel fest, dass eine Strategie dahintersteckt, zumal SPD–Generalsekretär Klaus Ness im Vorfeld persönlich eingegriffen hatte. „Hier wird der politische Meinungskampf für die zweite Chance vorbereitet“, sagte Vogel.
Vor allem die SPD gerät mit ihrem Agieren in der Enquete, das teilweise im Widerspruch zu regelmäßigen Anti-Schlussstrich–Erklärungen von Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) steht, zunehmend ins Abseits. Nicht nur von der Opposition, sondern auch von den Linken und dem früheren Verfassungsrichter und Enquete-Experten Richard Schröder (SPD) wurde am Freitag der SPD-Abgeordnete Thomas Günther gerügt, weil er ein noch nicht einmal abgenommenes Gutachten des Wissenschaftlers Steffen Alisch vom Forschungsverbund SED-Staat zum DDR-Bild von Parteien öffentlich als „polemische Streitschrift“ verrissen, damit gegen die Regularien der Kommission verstoßen hatte und zum „Gutachter-Bashing“ beigetragen hatte. Günther zeigte sich in der Debatte uneinsichtig, lehnte eine Entschuldigung strikt ab. Er habe sich „unter Druck“ gefühlt, sagte er. Selbst die Linken-Vertreter nannten sein Vorgehen „unglücklich“ (Maresch), äußerten „Verständnis für die Bestürzung und Empörung“ (Jürgens). Während Günther schwieg, sagte Ausschusschefin Susanne Melior (SPD) lediglich: „Für die Zukunft ist gelernt worden“. Dass Melior es dabei bewenden ließ, den Regelverstoß ihres Parteifreundes nicht rügte, lässt bei der Opposition wiederum Zweifel an der Unabhängigkeit ihrer Amtsführung wachsen.
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