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Brandenburg: „Den Aufsichtsrat neu aufstellen“

Brandenburgs Rechnungshof-Chef würde auf externe Fachleute setzen – und rät Spitzenpolitikern vom Job als Aufseher des BER ab

Stand:

Herr Weiser, geht Brandenburgs Regierung am neuen BER-Flughafen sorgfältig genug mit Steuergeld um?

Man kann alles besser machen. Für den BER gilt das natürlich ganz besonders.

Der Rechnungshof untersucht gerade das bei Terminen, Bau und Kosten aus dem Ruder geratene Flughafenprojekt, für das die öffentliche Hand allein seit der verschobenen Eröffnung 2012 rund 2,3 Milliarden Euro bewilligt hat. Wie weit sind Sie?

Der Entwurf der Prüfungsmitteilung steht unmittelbar vor dem Abschluss. Zum Verständnis: Wir haben nicht die Flughafen-GmbH der Länder Berlin, Brandenburg und des Bundes geprüft. Der Rechnungshof hat ausschließlich untersucht, wie das Land Brandenburg seine Beteiligung am Flughafen ausübt, ob diese rechtmäßig, ordnungsgemäß und sinnvoll wahrgenommen wurde und wird. Wir haben über ein Jahr daran gearbeitet, mit ungewöhnlich großem Aufwand.

Nun wird dieser Tage gerade Brandenburgs neue rot-rote Regierung gebildet. Stimmt es, dass Sie an Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Finanzminister Christian Görke (Linke) einen Brief mit ersten Empfehlungen zum BER geschickt haben?

Ja, das ist richtig. Ich habe mich im zuständigen kleinen Kollegium – mit dem für die Prüfung verantwortlichen Direktor Hans-Jürgen Klees – darauf verständigt, dass wir in diesem Fall diesen ungewöhnlichen Weg einschlagen.

Was gab den Ausschlag dafür?

Der Fertigstellung des BER, des neuen Flughafens der Hauptstadtregion Deutschlands, ist mittlerweile eine nationale Aufgabe. Durch unsere umfangreiche und sehr gute Prüfung haben wir Erkenntnisse gewonnen, die in kritische Feststellungen, aber auch Empfehlungen münden. Die wollten wir den Koalitionären nicht vorenthalten. Wir wollten nicht, dass man uns irgendwann den Vorwurf macht: Hättet ihr uns früher über Erkenntnisse informiert, dann hätten wir uns danach ausrichten können. Deshalb haben wir uns abweichend vom üblichen Verfahren im Vorgriff auf die endgültige Prüfungsmitteilung für diese Vorgehensweise entschieden.

Sind die Strukturen, wie Brandenburg das BER-Projekt steuert, angemessen?

Bitte haben Sie Verständnis, dass ich keine konkreten Auskünfte zur Prüfungsmitteilung erteilen kann. Aber es liegt auf der Hand, dass am Flughafen nicht alles optimal verläuft. In aller gebotenen Zurückhaltung kann ich aber allgemein sagen: Auch unsere Feststellungen haben ergeben, dass die Strukturen verbesserungswürdig sind. Hier liegt ein Kernproblem. Wir haben entsprechende Vorschläge gemacht, wie es gelöst werden könnte.

Schon früher bemängelte der Hof eine Interessenkollision innerhalb des Finanzministeriums, weil dort die Staatssekretärin für die Gesellschafterrolle beim Flughafen zuständig ist, während der Minister im Aufsichtsrat sitzt. War die Sorge berechtigt?

Es hat sich bestätigt, dass die Strukturen zum Flughafenprojekt in der Regierung nicht optimal sind. Dazu gehört auch die Aufgabenverteilung innerhalb des Finanzministeriums. Es ist hierarchisch gegliedert, es gibt eine klare Vorgesetztenebene. Und dann ist es problematisch, wenn die Eigentümer- und Gesellschafterrolle, zu der die Aufsicht über den Aufsichtsrat gehört, umgekehrt zur Hierarchie steht. Das birgt zwangsläufig vielfältige Interessenkonflikte.

Sie plädieren für eine Entkopplung?

Wir haben dazu Vorschläge gemacht.

War diese Konstruktion ein Grund, dass auch Brandenburg von der plötzlichen Absage der Eröffnung 2012 kalt überrascht wurde?

Es ist nicht auszuschließen, dass die derzeitige Struktur auch mit dazu beitrug, Problemlagen am Flughafen nicht rechtzeitig zu erkennen oder zu hinterfragen.

Sollte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) künftig in den Flughafen-Aufsichtsrat gehen?

Auf diese Frage möchte ich antworten mit einer Bemerkung von Thomas de Maiziere in Bezug auf die häufig zu hörende Forderung, schwierige Angelegenheiten zur Chefsache zu machen. Auf einer Konferenz zur Steuerung in der öffentlichen Verwaltung sagte der Bundesinnenminister jüngst sinngemäß: Wer etwas zur Chefsache mache, begebe sich in die Sachbearbeitung, er sehe eine solche Forderung daher immer sehr skeptisch. Er hat Recht. Ich kann nach unseren Prüferkenntnissen dem Chef einer Landesregierung nicht empfehlen, sich mit den Untiefen von hochkomplexen Fragestellungen zu befassen, wie sie im Aufsichtsrat der BER ständig zu bewältigen sind. Das ist nicht sinnvoll, er muss sich natürlich mit dem Flughafen befassen, aber nicht im Aufsichtsrat.

Der Flughafen-Aufsichtsrat ist insgesamt von Spitzenpolitikern geprägt, Brandenburg ist mit zwei Ministern vertreten. Sollten stattdessen Fachleute in das Kontrollgremium?

Aus unserer Sicht, aus unseren Prüfungsfeststellungen heraus, ist diese Forderung berechtigt. Wir verkennen dabei nicht, dass es sich um ein öffentliches Bauprojekt handelt. Deshalb ist auch für uns klar, dass Bedienstete der Gesellschafter im Aufsichtsrat sitzen müssen. Hier muss es ein angemessenes Verhältnis geben.

Das heißt, Sie plädieren für eine Entpolitisierung des Aufsichtsrates, für ein Gremium, in dem die Fachebene dominiert?

Nach unseren Erkenntnissen haben Spitzenpolitiker, zu denen Ministerpräsidenten und Minister gehören, im Wesentlichen nicht die zeitlichen Ressourcen, um sich mit einem solchen weitgehenden Infrastrukturprojekt ordnungsgemäß und angemessen auseinandersetzen zu können. Es sollte deshalb geprüft werden, ob Bedienstete der Landesregierung, auf Staatssekretärs- oder Abteilungsleiterebene, diese Anforderungen erfüllen können. Und es sollten mehr externe Fachleute in den Aufsichtsrat hinein.

Wer kommt da schon bei dem eher symbolischen Sitzungsgeld?

Das ist wirklich ein Problem. Der Rechnungshof verkennt nicht, dass für Sitzungsgelder jenseits der Wahrnehmungsschwelle kein exponierter Fachmann für einen Aufsichtsrat mit diesen Anforderungen gewonnen werden kann. Man sollte deshalb in diesem Zuge auch über eine angemessene Vergütung der Aufsichtsräte nachdenken. Weil natürlich alle Mitglieder des Aufsichtsrats das gleiche Geld erhalten müssen, gibt es für die Bediensteten der Landesregierung einschlägige Regelungen zur Abführung einer solchen – erhöhten – Vergütung.

Sie befürworten eine grundlegende Reform des Flughafenaufsichtsrates?

Ja, es gibt jetzt die einmalige und vielleicht letzte Chance, den Flughafen-Aufsichtsrat neu aufzustellen, den richtigen Weg einzuschlagen. Das ist für uns ein Beweggrund gewesen, sich in dieser ungewöhnlichen Form an die beiden Koalitionspartner zu wenden. Es gibt einen Umbruch. In Brandenburg wird gerade eine neue Landesregierung gebildet. In Berlin wird der Vorsitzende des Aufsichtsrates bald zurücktreten, gibt es bald einen neuen Regierenden Bürgermeister. Wann kann man Weichen stellen, wenn nicht jetzt? Und wichtig wäre auch, dass beim BER alle drei Gesellschafter künftig eng zusammenarbeiten, an einem Strang ziehen.

Akut wird nach dem Rücktritt Klaus Wowereits die Frage des Vorsitzes.

Wenn man das Gremium neu aufstellen sollte, könnte man vielleicht auch hochkarätige Persönlichkeiten gewinnen, die sowohl die notwendigen zeitlichen Ressourcen haben und gleichzeitig die überaus anspruchsvollen fachlichen Herausforderungen erfüllen. Jemanden, der diese Aufgabe nicht nur im Nebenamt bewältigen muss. Denn die Anforderungen haben sich im Laufe der Zeit erhöht.

Die letzte Kapitalspritze von 1,1 Milliarden Euro, die der Aufsichtsrat bewilligt hat, ist von den Parlamenten noch nicht beschlossen. Im rot-roten Koalitionsvertrag findet sich die neue Linie, dass die Flughafengesellschaft bis zur Inbetriebnahme „vorrangig Quellen“ außerhalb der öffentlichen Hand „identifiziert und ausschöpft“. Was halten Sie davon?

Bevor der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird, ist es immer richtig, andere Finanzierungsquellen auszuschöpfen.

Sollte man private Mitgesellschafter in die Flughafengesellschaft holen?

Dazu kann ich nichts sagen.

Sie sind Präsident der Konferenz der deutschen Rechnungshöfe. Nach Stuttgart 21, Elbphilharmonie in Hamburg, dem BER in Berlin: Kann die öffentliche Hand überhaupt Großprojekte?

Großprojekte sind in Verruf gekommen. Ich will nicht so weit gehen, dass die öffentliche Hand das nicht kann. Die Konferenz der deutschen Rechnungshöfe wird im Frühjahr 2015 Empfehlungen verabschieden, wie öffentliche Großprojekte besser gemanagt werden können. Wir erhoffen uns davon, dass die Verwaltung gerade im Frühstadium solcher Projekte künftig die Fehler nicht mehr macht, die gemacht worden sind. Denn oft entscheidet sich schon im Vorfeld, ob es hinterher zeitlich und finanziell klappt oder nicht.

In Brandenburg haben SPD und Linke den neuen Koalitionsvertrag präsentiert. Während der Verhandlungen hat sich der Rechnungshof mit einem eigenen Forderungskatalog zu Wort gemeldet. Wurden Sie gehört?

Wir sind – was unsere Empfehlungen betrifft – mit dem Ergebnis zufrieden. So haben die Koalitionäre im Justiz- und Sozialkapitel festgelegt, ein Gesamtkonzept für die rechtliche Betreuung, früher eine Art der Vormundschaft, zu entwickeln. Hier sind die Kosten für das Land in den letzten Jahren explosionsartig angestiegen. Auch unser Vorschlag zur Tilgung von Altschulden wurde aufgenommen, nicht hundertprozentig, aber überwiegend schon. Es ist gut, dass die künftige Landesregierung dem Altschuldenabbau weiter Priorität beimisst.

Womit haben Sie Probleme?

Mit den Festlegungen zum öffentlichen Dienst, zum Landespersonal. Es wäre besser, wenn Brandenburg bei der früheren Zielsetzung geblieben wäre, dass ab 2022 rund 40 000 Stellen im Landesdienst ausreichen. Diese Zahl wurde jetzt auf 44 000 Stellen bis 2020 heraufgesetzt. Dabei sind Personalkosten die Probleme der Zukunft, die Versorgungsausgaben für Beamte werden steigen. Diese Lasten müssen jahrzehntelang gestemmt werden.

Das Interview führte Thorsten Metzner

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