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Brandenburg: Der andere Stadtumbau: Ein Altbau-Vernichtungs-Programm

In Brandenburg/Havel soll in Innenstadt und historischen Vorstädten abgerissen werden

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In Brandenburg/Havel soll in Innenstadt und historischen Vorstädten abgerissen werden Von Thorsten Metzner, Brandenburg/Havel Experten warnen vor einem „fatalen Signal“ für die Sanierung der früheren „Chur- und Hauptstadt“ der Mark: In Brandenburg an der Havel will ausgerechnet das kommunale Wohnungsunternehmen Wobra jetzt 18 Altbau-Miethäuser abreißen lassen, die zwar zumeist leer stehen, aber saniert werden könnten. Nach der streng internen „Abrissplanung 2005“ des Stadt-Unternehmens, die den PNN vorliegt, sollen in diesem Jahr 505 Wobra-Wohnungen abgerissen werden – davon 383 Altbau-Wohnungen im Sanierungsgebiet Innenstadt und den historischen Vorstädten, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts rings um die mittelalterlichen Stadtkerne entstanden waren. In der DDR-Großplattensiedlung Hohenstücken sind es trotz großer Leerstände dagegen nur 122 Wohnungen in lediglich 5 Häusern. Würden die Pläne umgesetzt, wäre das für Brandenburg an der Havel das größte Altbau-Vernichtungs-Programm seit DDR-Zeiten. Und das, obwohl die Stadt aufgrund des berühmten historischen Stadtkerns nach 1990 noch eine von fünf Modellstädten der Bundesregierung für behutsame Stadterneuerung in Ostdeutschland ist. Und das Abrissprogramm soll auch noch aus Fördermitteln finanziert werden. Dazu passe, so Experten, dass Brandenburg im Stadtumbau-Programm Ost, das eigentlich für den Abriss leerstehender DDR-Plattenwohnungen vorgesehen ist, im landesweiten Vergleich bislang Schlusslicht ist. Bis Ende 2004 wurden hier lediglich 492 DDR-Plattenwohnungen abgerissen, in Cottbus waren es 2625, im viel kleineren Guben 1656. Zwar enthält die Wobra-Abrissliste keine Denkmale. Trotzdem warnen Städtebau-Experten vor dem „negativen Vorbild“ für private Hauseigentümer, die zum Teil alte Häuser in weit schlimmerem Zustand in der historischen Innenstadt  besitzen. Einige besonders krasse Beispiele aus der Abrissplanung der städtischen Wohnungsfirma: So will die Wobra in der Innenstadt das kleine Gründerzeithaus Nicolaiplatz 18 vis a vis dem Rathaus abreißen, obwohl es mitten in einer geschlossenen Häuserzeile steht. In der Neuendorfer Vorstadt soll das Gründerzeitgebäude Vereinsstraße 31 abgerissen werden – in einer bereits nahezu vollständig sanierten Häuserzeile. In der Wilhelmsdorfer Straße 13 droht einem stadtbildprägenden Eckhaus aus der Zeit um 1910 die Abrissbirne, in der gleichen Straße jenem Gebäude mit der Hausnummer 60, das durch seine Art-Deco-Fassade auffällt. Überall würden neue Baulücken und Brachen entstehen, die wohl nie mehr geschlossen würden – für Neubauten fehlt angesichts sinkender Einwohnerzahlen der Bedarf und sind Fördermittel unzulässig, warnt etwa ein Rathausmitarbeiter. „Es handelt sich um ein reines Planungsstadium“, argumentiert dagegen Wobra-Geschäftsführer Klaus Deschner. „Abriss von historischer Substanz ist nicht unsere Politik.“  Doch habe das Unternehmen angesichts wachsender Leerstände in Brandenburg den Auftrag, „1246 Wohnungen vom Markt nehmen“. Dabei gehe es überwiegend nicht um Altbauten, sondern um Blöcke in Hohenstücken. Und, so betont Deschner mehrfach: „Wir reißen kein Gebäude ohne Genehmigung der Stadt ab.“ Das heißt allerdings wenig. So wurde der einflussreichen städtischen Wohnungsfirma vom Brandenburger Rathaus unter Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU) jüngst der Abriss des Gründerzeithauses Kurstraße 5, im Sanierungsgebiet und in Sichtweite der Fußgängerzone, prompt genehmigt. Inzwischen stoppten Tiemann und Deschner die Planung, die noch wie ein Einzelfall aussah – aufgrund öffentlicher Proteste.

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