Brandenburg: Der Bauer kassiert und sitzt auf Mallorca
Landwirtschaftsminister Dietmar Woidke fürchtet die Folgen von EU-Agrarreform und grüner Gentechnik
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Landwirtschaftsminister Dietmar Woidke fürchtet die Folgen von EU-Agrarreform und grüner Gentechnik Was kommt mit der neuen EU-Agrarpolitik auf Brandenburg zu? Die Reform wird gravierende Auswirkungen haben, denn mit ihr werden die Prämien vom Anbau entkoppelt. Der Bauer bekommt künftig die Prämie, egal, was er mit den Flächen macht. Das wird die Agrarstrukturen, ja das Bild der Landschaft verändern. Inwiefern? Künftig muss der Bauer auf weniger guten Böden nicht mehr unbedingt Ackerbau betreiben. Auch wenn eine gewisse Mindestbewirtschaftung vorgesehen ist, besteht die Gefahr, dass Teile der Kulturlandschaft nicht mehr mit den traditionellen, das Bild der Mark prägenden Kulturen bebaut werden: Es wird weniger Raps-, weniger Getreidefelder geben. Das Geld wird überwiesen, selbst wenn der Bauer seine Äcker nicht bestellt? Das könnte passieren. Das Extrembeispiel wäre nach Florida-Rolf dann Mallorca-Wilfried: Also ein Bauer, der 12 Monate im Jahr in Spanien sitzt, die Prämie kassiert und seine 1800 Hektar Acker von einem Dienstleister minimal bewirtschaften lässt. Allerdings: Bei der überwiegenden Zahl der Brandenburger Betriebe sehe ich da keine Gefahr. Wie sollten sich Landwirte auf die neue EU-Agrarförderung einstellen? Sie müssen ihre Strukturen anpassen und solche Produkte anbauen, die sie unter den neuen Bedingungen mit Gewinn verkaufen können. Ein Beispiel: Auf den guten Böden wird sich der Getreideanbau halten. Und der Markt wird ja auch entlastet, wenn auf weniger guten Böden künftig kein Getreide mehr angebaut wird. Da wird die Nachfrage wachsen. Trotzdem, der Preisdruck wächst. Müssen Brandenburger Bauern bald überall auf polnische Billigarbeitskräfte setzen, so wie jetzt auf den Spargelfeldern? Die Spargelernte ist eine Ausnahme, die ganze Diskussion verlogen. Jedes Jahr kommt von der Bundesagentur für Arbeit pünktlich zur Saison der epochale Vorschlag, für die Spargelernte deutsche Arbeitslose einzusetzen. Aber die gleiche Agentur hat ein halbes Jahr vorher den Landwirten genehmigt, auf ausländische Saisonhelfer zurückzugreifen, weil in Deutschland niemand zu finden ist. Diese Saisonhelfer sichern qualifizierte Arbeitsplätze in den Spargel-Unternehmen ab. Ein Modell für die gesamte Landwirtschaft? Nein, weil es in der klassischen Landwirtschaft genug einheimische Arbeitskräfte gibt. Ganz konkret: Der Landwirt darf nicht einfach einen Traktoristen aus Polen ins Land holen, in den Dörfern gibt es ja Arbeitslose in solchen Berufen. Bislang galt der Ökolandbau als Möglichkeit, auf weniger guten Böden Brandenburgs Ackerbau zu betreiben. Warum haben Sie die Förderung gestoppt? Ökolandbau wird weiter gefördert, immerhin mit 16 Millionen Euro pro Jahr. Richtig ist aber, dass wir vorerst keine neuen Fünf-Jahres-Verträge mit Ökobauern mehr abschließen, weil wir kein Geld mehr dafür haben. Wir sind quasi Opfer unseres eigenen Erfolgs. Brandenburg ist beim Ökolandbau Spitzenreiter in der Bundesrepublik. Inzwischen werden 126 000 Hektar so bewirtschaftet. Das sind 9,6 Prozent der Gesamtfläche. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen sind es 3,1 Prozent. Es bleibt bei dem Stopp? Sobald wir wieder finanzielle Spielräume haben, werden wir die Förderung für den Ökolandbau wieder ausweiten. Ist das nötig, wenn es schon genügend Biobauern gibt? Es ist sinnvoll, obwohl auch der Ökolandbau unter extremem Preisdruck leidet. 25 Prozent der Bio-Produkte aus Brandenburg werden schon jetzt zu konventionellen Preisen verkauft. Das ist für Ökobetriebe ruinös, weil deren Flächenerträge bedeutend niedriger sind. Trotzdem, nicht ein Überangebot an Betrieben ist der Grund für den Preisverfall. Sondern? Im Gegensatz zur klassischen Landwirtschaft gibt es für Ökoprodukte in Brandenburg bislang keine Verarbeitung, keine Veredlung. Wir sind dort auf der Stufe des Rohstoffproduzenten stehen geblieben – und für Rohstoffe diktieren die Einkäufer die Preise. Das ist unsere Achillesferse. Dort müssen wir ansetzen. Ist das der Grund, weshalb in Berliner Märkten so wenige Brandenburger Öko-Produkte zu finden sind? Nicht nur, das hängt dort eher mit alten Lieferbeziehungen, mit Berliner Freundschaften zusammen. Da haben es Brandenburger Ökobetriebe schwer. Außer mit Milch sind sie in Berliner Ökomärkten leider nur wenig vertreten. Brandenburg ist nicht nur Spitzenreiter beim Ökolandbau, sondern auch beim Anbau von gentechnisch manipuliertem Mais und Kartoffeln. Woran liegt das? Die Saatgut-Hersteller haben sich offenbar Brandenburg ausgesucht, um hier die Vorzüge der grünen Gentechnik zu demonstrieren. Mir macht das Sorge. Die Landwirte sollten mit der Gentechnik vorsichtig sein. Wir sehen sie kritisch. Warum? 75 Prozent der Verbraucher in Deutschland lehnen die grüne Gentechnik ab. Es ist kaum zu vermitteln, dass man dem lieben Herrgott ins Handwerk pfuscht, um noch mehr zu produzieren, obwohl schon jetzt zu viel Weizen, zu viel Milch da sind. Hinzu kommt, dass viele Fragen ungeklärt sind: Was, wenn sich patentrechtlich geschützte Sorten über den Sporenflug vermehren – und der Saatguthersteller dann irgendwann Tantiemen fordert? Auch Brandenburgs Biobauern machen sich große Sorgen, dass ihre Felder durch Pollenflug „verseucht“ werden. Das kann ich verstehen. Wenn in ihren Produkten plötzlich genmanipulierte Spuren festgestellt werden, würden Biobauern sofort alle Lieferverträge gekündigt. Ich befürchte noch heftige Konflikte. Dennoch, könnte die Gentechnik nicht helfen, Brandenburgs Landwirtschaft konkurrenzfähiger zu machen? Dafür muss man nicht auf Teufel komm raus genmanipuliertes Saatgut einsetzen. Der Ruf der Landwirtschaft ist schon jetzt schlecht: Es gab BSE, die Lebensmittelskandale. Der Bauer wird als Subventionsempfänger, Wasserverschmutzer abgestempelt. Um aus dieser Defensive zu kommen, ist Gentechnik nicht hilfreich. Gerade bei der Ernährung sind die Verbraucher immer sensibler geworden. Das Interview führten Michael Mara und Thorsten Metzner
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