Von Alexander Fröhlich: Der Kommunikator für die Radikalreform
Innenminister Woidke startet seine Charme-Offensive und kommt damit an / Mehr Wachen für Grenzregion im Gespräch
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Potsdam - „Sehr kommunikativ“, „angenehm“ – lauteten die Kommentare der Beamten im Polizeipräsidium Potsdam und bei der Landeseinsatzeinheit (Lese) im Ortsteil Eiche. Mit seinem Antrittsbesuch startete dort am Mittwoch der neue Innenminister Dietmar Woidke (SPD) ein Mammutprogramm, das ihn in den nächsten Wochen durch ganz Brandenburg führen wird: Woidke muss die von seinem Vorgänger Rainer Speer (SPD) auf den Weg gebrachte Radikalreform mit dem Abbau von 1900 Stellen und Wachen-Schließungen umsetzen. Die letzte der 18 Stationen dieser auf ihn zugeschnittenen, von Speer nicht im Ansatz geplante Kommunikationsoffensive, ist am 23. Dezember der Schutzbereich in Cottbus-Spree-Neiße. Komplette Tage will der frühere SPD-Fraktionschef an den Standorten verbringen, mit dem Führungspersonal, Personalräten und Vertretern von Kommunen sprechen.
Woidkes wichtigste Botschaft, die bei Beamten, Personalräten und Gewerkschaftern ankommt: „Wir sind für Argumente offen“, diese würden in die abschließende Entscheidung über die Polizeistruktur einfließen, mit der im zweiten Quartal nächsten Jahres zu rechnen sei. Woidke spricht von Motivation, von effektiver Polizeiarbeit in der Fläche, über den viel zu hohen Krankenstand. Er wolle die verunsicherten „Kollegen mitnehmen“.
Bei denen herrscht zwar die Einsicht, am Stellenabbau ließe sich „nichts machen“. Aber Thomas Kühne, Gesamtbetriebsrat beim Polizeipräsidium, hat bei Woidke nach zwei Wochen als Innenminister die Hoffnung, die Beamten könnten sich „in der Reform wiederfinden“. Denn Woidke hat sich beim Gesamtbetriebsrat schon mal sehen lassen, das habe Vorgänger Speer „übrigens nicht gemacht“. Gewerkschafter sehen inzwischen „Spielräume“ bei den Details der Polizeireform.
Besonders bei den Wachen. Von bislang 50 Standorten sollen im Jahr 2020 „15 plus x“ übrig bleiben. Woidke nennt die Formel kein einziges Mal. Stattdessen spricht er von leeren Räumen, die es schon jetzt zwischen den Wachen gäbe. Tatsächlich wird im Ministerium intern nach Alternativen besonders für die Grenzregion zu Polen gesucht. Dort liege die Kriminalität wegen Autodiebstählen und Einbrüchen 20 Prozent über dem Landesdurchschnitt, räumt selbst Woidke ein. Das Thema wird ihn auch am heutigen Donnerstag beschäftigen, wenn er das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) besucht, das für ein von Potsdam aus geführtes Landespräsidium aufgelöst wird. Festhalten will Woidke am Abbau einer Einsatzhundertschaft: der Standort in Oranienburg soll nach den bisherigen Plänen wegfallen. Bei der Landeseinsatzeinheit (Lese) formiert sich dagegen Widerstand. Schon jetzt sind die 400 Beamten der vier Hundertschaften zu 54 Prozent an Wochenenden, von Freitag bis Sonntag, im Dienst. Nach PNN-Informationen wird aktuell gegen Dienstzeit-Vorschriften verstoßen, um zahlreiche Einsätze in unteren Fußballligen wegen gewaltbereiter Fans, bei Demonstrationen und in anderen Bundesländern abzudecken. Brandenburgs Hundertschaften werden zu 25 Prozent häufiger außerhalb Brandenburgs aktiv, als diejenigen anderer Länder in der Mark. Im November steht ein Einsatz im niedersächsischen Gorleben für den Castor-Atomtransport bevor. Aber selbst CDU-Innenexperte Sven Petke würde eine Hundertschaft einsparen. „Für die Einsätze in der Dritten Liga wird auf Kosten der Steuerzahler ein überproportionaler Aufwand betrieben“, sagte Petke. „Beim SV Babelsberg 03 sind es die teuersten im Land. Der Verein steht in der Verantwortung im Umgang mit gewaltbereiten Fans. Ich habe nicht den Eindruck, dass dort bislang alles getan wurde, um Kosten zu senken.“
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