Dienstwagenaffäre und Postengeschacher - Brandenburgs Justizminister unter Druck: Der Markov-Komplex
Dienstwagenaffäre und Versorgungsposten für Genossinnen: Brandenburgs Justizminister gerät immer mehr unter Druck. Heute befasst sich der Landtag mit den Enthüllungen der PNN. Ein Überblick.
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Potsdam - In der von den PNN aufgedeckten Dienstwagenaffäre von Brandenburgs Justizminister Helmuth Markov (Linke) üben sich die Beteiligten im Verwirrspiel. Am Dienstag kommt der Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags ab 15 Uhr zu seiner Sondersitzung zusammen und befasst sich mit den Vorwürfen gegen Markov. Dabei geht es nicht nur um die private Nutzung eines Transporters, sondern auch um die Entfristung zweier Stellen von Vertrauten in der politischen Führungsebene des Justizressorts. Ein Überblick.
Was hat es mit der Postenvergabe im Justizressort auf sich?
Markov hat im Oktober 2015 zwei Mitarbeiterinnen seines Ministerbüros am Personalrat vorbei und ohne Ausschreibung mit entfristeten, gut dotierten Posten versorgt. Konkret geht es um die Leiterin des Ministerbüros und die Pressesprecherin von Markov. Der Personalrat, der nicht eingebunden war, erwägt, den Vorgang rechtlich überprüfen zu lassen. Beide Frauen waren schon bei Markov im Ministerbüro befristet beschäftigt, also in der politischen Leitung des Hauses, als der noch das Finanzministerium führte. Mit der neuen Legislatur gab es neue Verträge. Nun sind sie übertariflich Beschäftigte und unbefristet in die Besoldungsgruppe B2 gehoben worden – Grundgehalt aktuell 6772 Euro, ab Juli 6915 Euro. Die Pressesprecherin arbeitet Teilzeit um rund 80 Prozent. Auch über die nächste Landtagswahl 2019 hinaus sind Markovs Genossinnen nun üppig versorgt.
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Worum geht es bei Markovs Tour mit dem Transporter aus dem Landesfuhrpark?
Fest steht: Markov, damals noch Finanzminister, nutzte vom 18. bis 21. Juni 2010 einen Transporter VW Crafter aus dem Fuhrpark der Landesverwaltung, betrieben vom Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen. Die Rechnung von 435 Euro für die private 502-Kilometer-Tour beglich das damals von Markov geführte Finanzministerium. Markov brachte damals laut „Bild“-Zeitung sein Oldtimer-Motorrad RT125 in eine Leipziger Werkstatt.
Was hätte Markov ein Transporter bei der Autovermietung gekostet?
In seinem Amt mit damals 137 680 Euro Jahresbruttoeinkommen als Minister hätte er sich einfach für seine Privatangelegenheit auch privat einen Transporter anmieten können. Zum Vergleich: Beim Anbieter Sixt bekommt man einen vergleichbaren Transporter für das kommende Wochenende von Freitag bis Montag mit 900 Freikilometern für 202,98 Euro. Der Vorwurf von Steuerzahler-Bund und Opposition: Selbstbedienungsmentalität. Und das ausgerechnet bei einem Genossen der Linken mit ihrem Selbstverständnis als sozialistische Partei.
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War die Nutzung des Transportes erlaubt?
Ganz klar: Nach PNN-Recherchen und Befragen mehrerer Verwaltungs- und Steuerrechtler hätte Markov der Transporter nie zur Verfügung gestellt werden dürfen. BLB-Mitarbeiter hatten damals selbst Bedenken geäußert. Doch Markovs Ministerbüro machte Druck: Es war nach PNN-Informationen ausgerechnet eine der beiden Vertrauten, die Markov im Oktober 2015 mit einem Dauerjob in der Landesverwaltung versorgt hat (siehe oben). Jedenfalls war die damals geltende Dienstwagenrichtlinie des Landes ist rechtlich eindeutig: Markov hatte einen personengebundene Dienst-Limousine, einen Audi A4, den er auch privat nutzen durfte. Nicht personengebundene Dienstwagen aber durften nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden. Die Richtlinie lässt da keine Interpretationsspielräume zur. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Jan Redmann, selbst Jurist, sagte nach Prüfung der Vorschrift: „Die Benutzung des Transporters zu privaten Zwecken war rechtswidrig.“ Markov habe sich einen privaten Vorteil auf Kosten der Steuerzahler verschafft. Es gab laut BLB auch keinen Wagentausch, der Transporter war kein Ersatz, der Audi A4 stand Markov grundsätzlich weiter zur Verfügung.
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Wie ist die Verteidigungslinie von Markov und Finanzministerium?
Bis Freitag erklärten beide: Markov habe nicht gegen die Vorschriften verstoßen. Die private Nutzung von zusätzlichen Dienstkraftfahrzeugen neben seinem Dienst-Pkw sei nach der damaligen Richtlinie erlaubt. Dann erklärte das von Vize-Regierungschef Christian Görke (Linke) geführte Finanzministerium am Freitag: „Minister Markov hat die Nutzung des Transporters für dienstliche wie private Zwecke bei der Bestellung ausdrücklich angekündigt.“ Der „Bild“ sagte Markov aber: „Was soll ich denn dienstlich mit einem Transporter anfangen?“ Am Montag ruderte das Finanzministerium zurück: Jetzt will das Finanzministerium neben der Dienstwagenrichtlinie auch noch die Lohnsteuerrichtlinie als Rechtfertigung heranziehen: Demnach habe Markov „die Berechtigung, ein Dienst-Kfz sowohl für dienstliche als auch private Zwecke zu nutzen“. Der CDU-Politiker Jan Redmann findet: „Das ist Quatsch.“ Grüne-Fraktionschef Axel Vogel: „Völliger Blödsinn.“ Denn die Lohnsteuerrichtlinie regelt nur, wie die private Nutzung von Dienstwagen versteuert wird.
Wie reagiert die Opposition?
Die CDU konzentrierte sich am Montag vor allem auf die widersprüchlichen Angaben von Finanzressort und Markov. CDU Finanzexperte Steeven Bretz sprach von einem missglückten Hilfsmanöver. „Hier versucht offensichtlich eine linke Hand die andere zu waschen“, sagte Bretz. Wenn sich zwei Minister derart widersprächen, bleibe nur eine Schlussfolgerung: „Entweder hat Finanzminister Görke eine Unwahrheit verkünden lassen oder Justizminister Markov hat sich den Transporter vorsätzlich erschlichen.“ Und Grüne-Fraktionschef Vogel sagte: Markov komme aus der Sache nur noch heraus, „wenn er einen Überweisungsbeleg mitbringt und zeigt, dass er die 435 Euro an die Landeskasse überwiesen hat“.
Markovs grotesker Hilferuf nach der Staatsanwaltschaft - was an Straftaten verjährt ist
Wie hat Markov den Transporter versteuert?
Markov hat den Vorteil durch private Fahrten nur für die teurere Dienst-Limousine nach der Ein-Prozent-Methode (ein Prozent des Listenpreises pro Monat) versteuert – und zwar mit Abgabe seiner Steuererklärung im Juli 2011. Damit ist laut Finanzministerium auch der Vorteil für den Transporter abgegolten. Genau an dieser Stelle wird es knifflig. Möglicherwiese hätte der Transporter extra versteuert werden müssen. Trotz Ein-Prozent-Methode müssen die Minister Fahrtenbuch führen. Auffällig bei Markov: Eine Empfangsbestätigung des BLB aus dem Jahr 2011 über die „Fahrtenbücher für die von Herrn Minister Dr. Markov genutzten Fahrzeuge“ in dem fraglichen Zeitraum 2010 listet nur die Nachweise für seine Dienst-Limousine auf, nicht aber die für den Transporter. Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft den Fall auf Markovs Bitten – übrig könnte wegen der Verjährungsfrist für andere Delikte nur Steuerhinterziehung bleiben.
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