Brandenburg: Der Mitreisende
Kaum jemand bemerkt Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns: Immer steht der CDU-Mann im Schatten des Ministerpräsidenten – zum Verdruss seiner Parteifreunde
Potsdam. Nach außen macht Ulrich Junghanns gute Miene. Aber in der Union wird mit Besorgnis registriert, dass der CDU-Wirtschaftsminister ausgerechnet im Wahljahr kaum öffentlich punktet. Und zwar nicht nur, weil es ihm offensichtlich an Ausstrahlung und Fortune mangelt. Sondern auch, weil Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) nach dem Scheitern der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) die Wirtschaftspolitik zur Chefsache erklärt hat – wohl auch mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl. So übernimmt der Regierungschef die wichtigen Unternehmens-Termine im Lande persönlich. „Junghanns darf ihn zwar begleiten, steht aber völlig in seinem Schatten“, registriert ein führender Christdemokrat verärgert.
So war es bei den jüngsten Pressefahrten des Regierungschefs zu märkischen Top-Firmen der Biotechnologie und der Medizintechnik. Platzeck wollte auf diese Weise das Bild vom „Pleitenland Brandenburg“ korrigieren. „Junghanns wirkte meist „wie Platzecks persönlicher Sekretär für Wirtschaftsfragen, der auf Stichwort fachliche Details beisteuerte“, so ein Teilnehmer.
So war es auch jüngst beim symbolischen ersten Spatenstich in Kirchmöser. Dort soll ein darnieder liegendes Industrie- und Gewerbegebiet revitalisiert werden, das ansässige Weichenwerk leidet aber am Einkaufsstopp der Deutschen Bahn. Der ist pikanterweise eine Folge der Mautausfälle im Etat des Bundesverkehrsministeriums von Manfred Stolpe. Doch nicht einmal die Kritik am einstigen brandenburgischen Landesvater und an der rot-grünen Bundesregierung überließ Platzeck dem CDU-Mann. Die Probleme mit der Maut dürften „nicht zu einem schroffen Einbruch bei notwendigen Investitionen der Bahn führen“, warnte der Regierungschef seinen einstigen Ziehvater Stolpe.
Klar auch, dass Platzeck am 25. Februar die Brandenburger Wirtschaftsdelegation anführt, die in Moskau Türen für märkische Firmen öffnen soll. Junghanns in der Statistenrolle? Kein Wunder, dass sich in der märkischen Union Ernüchterung über den Vize- Parteichef, Ex-Unternehmer und Frankfurter CDU-Kreischef breit macht, der vor einem guten Jahr den über einen dubiosen Millionenkredit gestolperten Wolfgang Fürniß ablöste. Er folgte damals einer Bitte von Parteichef Jörg Schönbohm und galt nun erst recht als aussichtsreicher Anwärter für dessen Nachfolge. Doch davon redet in der CDU zurzeit niemand mehr. „Das Verhältnis ist abgekühlt“, sagt einer aus dem Landesvorstand.
Andere Christdemokraten bemängeln, dass Junghanns in der Wirtschaftspolitik zu wenig Akzente setzt. „Unter Fürniß hatte sie noch ein Gesicht.“ Tatsächlich könnte der Kontrast zwischen Fürniß und Junghanns kaum größer sein: Da war der eloquente und eitle Selbstdarsteller aus dem Westen, „der sich auch dann blendend verkaufte, wenn es nichts zu verkaufen gab“, so ein SPD-Minister. Selbst das Kabinett sei auf Fürniß hereingefallen, habe sich die Landesbeteiligung für die Chipfabrik aufschwatzen lassen – „eine verlorene Investition“. Und jetzt der bodenständige, bieder wirkende Ostdeutsche, der nach der Wende selbst ein Verkehrstechnik-Unternehmen aufbaute, die Probleme und Nöte der Betriebe im Lande also bestens kennt. Der von sich selbst sagt, er neige nicht zu Aktionismus, sondern bereite die Dinge gründlich vor. Aber der oft unsicher wirkt und mit seiner umständlichen Sprache an den einstigen Funktionär erinnert: Junghanns war letzter Vorsitzender der DDR-Bauernpartei, die 1990 in der Union aufging.
Bei den Unternehmern im Lande kommt Junghanns durchaus an: „Er kann zuhören, ist kein Überflieger“, heißt es über ihn. Auch im Wirtschaftsministerium hat sich das Klima verbessert, hört man. Allerdings: Auf internationalem Parkett tut er sich schwer, auch kann er nennenswerte Ansiedlungserfolge nicht vorweisen. Junghanns gibt zu, dass es ihm bisher an „signalträchtigen Auftritten“ mangelt. Aber man müsse „beim Absprung sicher sein, dass man nicht durch die Maschen des Netzes fällt“. Nach seiner Ernennung hat er sich voll auf die Chipfabrik konzentriert. „Wohl in der Hoffnung, das Projekt in seiner Heimatstadt doch noch auf solide Füße stellen zu können, obwohl es von Anfang an zum Scheitern verurteilt war“, so ein Kabinettsmitglied. Den Rat von Vertrauten, gleich einen klaren Schnitt zu machen und das Experiment zu beenden, schlug er in den Wind. Am Ende war es bezeichnenderweise Platzeck, der den Schlussstrich zog.
Junghanns registriert wohl, dass er im Schatten von Platzeck steht. Im kleinen Kreis klagte er: „Das ist ein Problem, gerade im Wahljahr.“ Im Wirtschaftsministerium heißt es, Platzeck präsentiere sich zwar, aber „die eigentliche Arbeit leisten wir“. Das Verhältnis zwischen den beiden, die sich aus der letzten DDR-Volkskammer kennen, galt bisher als vertrauensvoll, sogar freundschaftlich, was Junghanns zusätzlich in die Bredouille bringt: CDU-Politiker registrieren jedenfalls argwöhnisch, dass sich der unideologische Minister bisher eher am Polarisierer und Parteisoldaten Schönbohm als an Platzeck rieb. Kein Wunder, dass der CDU-General derzeit nicht erkennen lässt , ob er Junghanns zum Kronprinzen machen will. „Die Frage steht nicht. Ich mache die nächsten Jahre weiter“, sagt Schönbohm.
Michael Mara