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Brandenburgs CDU: Der Neue will einen

Der Arzt Michael Schierack ist jetzt Chef der märkischen CDU. Er will die Partei einen und 2014 zurück in die Regierung führen.

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Potsdam - Brandenburgs CDU sorgte zuletzt immer wieder mit Grabenkämpfen für Negativ-Schlagzeilen: Doch nun will der neue CDU-Landesvorsitzende Michael Schierack die Reihen einen und die CDU bei der Landtagswahl 2014 wieder in die Regierung führen. Das erklärte der 46-Jährige am Sonnabend auf einem Landesparteitag in Potsdam, auf dem der Cottbuser Arzt und Landtagsabgeordnete zum Nachfolger von Ex-Parteichefin Saskia Ludwig gewählt wurde.

Für Schierack, bereits seit 2005 Parteivize, votierten jedoch nur 148 von 216 Delegierten. Das sind 68,5 Prozent. Es gab 61 Neinstimmen und sieben Enthaltungen. Er hatte keinen Gegenkandidaten und ist zwölfter CDU-Parteichef in Brandenburg seit 1990. Der Landesverband gilt als besonders zerstritten. So forderte als Gastredner etwa der Berliner Landeschef und Innensenator Frank Henkel, der dabei auf „die eine und die andere gemeinsame negative Erfahrung“ mit inneren Querelen anspielte, die Brandenburger Parteifreunde zu Geschlossenheit auf – als Voraussetzung für Wahlerfolge: „Heute legen Sie den Grundstein für die Ablösung von Rot-Rot im Land.“

Dass das Ergebnis Schieracks trotzdem mäßig ausfiel, sogar unter dem letzten Ludwigs lag, die im September wegen ihres polarisierenden Oppositionskurses und Veröffentlichungen in einem Rechtsaußen-Blatt zurücktreten musste, nahm der neue CDU-Chef gelassen: „Es ist ehrlich. Es spiegelt den Spannungszustand in der Partei wieder und lässt Luft nach oben.“ Er sei zufrieden, dass die Troika insgesamt gewählt wurde – also auch die Abgeordnete Anja Heinrich als neue CDU-Generalsekretärin und der Abgeordnete Ingo Senftleben zum Partei-Vize.

Die frühere Sozialarbeiterin Heinrich, die in der Lausitz bei der Landtagswahl 2009 ein Direktmandat für die CDU geholt hatte, ist die erste Frau Generalsekretärin. Nach dem schlechten Schierack-Ergebnis hatten schon einige befürchtet, dass die 41-Jährige durchfallen könnte. Doch Heinrich erhielt 136 von insgesamt 217 Stimmen, was 62,7 Prozent entspricht. Bislang hatte den Posten Partei-Urgestein Dieter Dombrowski inne, der seit Ludwigs Sturz die Landtagsfraktion führt und zwischenzeitlich Ambitionen auch auf den Parteichef-Posten hatte.

Senftleben, parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion, ist zum Ersten Vize-Parteichef aufgerückt, mit einem Ergebnis von 65,8 Prozent. Die engere CDU-Führung ist mit der Troika erstmals seit 1990 von Lausitzern geprägt, jener Region an der Grenze zum CDU-regierten Sachsen, die traditionell als schwarze Hochburg gilt.

Auf dem Parteitag überraschte Schierack mit einer fulminanten Rede, einem „klasse Auftritt“, nach dem Jörg Schönbohm, Brandenburgs CDU-Ehrenvorsitzender und Ex-Innenminister, prophezeite, dass Schierack als Parteichef „Boden gewinnen wird“. Schierack, zunächst für ein Jahr gewählt, hat bereits erklärt, dass er sich eine Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2014 vorstellen kann.

Vorangegangen war eine halbstündige Rede Schieracks, bei der es still in dem Saal war – den Vorgängerin Saskia Ludwig in dieser Zeit verlassen hatte. Obwohl Schierack mit seiner Wunsch-Generalsekretärin Heinrich in den letzten Wochen durch viele Kreisverbände getingelt war, ist er auch in der CDU für viele noch ein unbeschriebenes Blatt, gilt als der „Nette“. Wohl auch deshalb fiel seine Rede einerseits sehr grundsätzlich aus, etwa zum Wertesystem der Union, zum inneren Konsens, anderseits aber auch unerwartet persönlich. Er komme aus einer unangepassten Familie. Sein Großvater, von Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt, habe nach dem Krieg in Kamenz die CDU aufgebaut – und trat nach der Gleichschaltung zur SED-Blockpartei wieder aus. Er habe davon etwas im Blut, sagte Schierack. Er habe zu DDR-Zeiten die Jugendweihe verweigert, aber bei der kirchlichen Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ mitgemacht. Da trat einer auf, der weiß, wo er herkommt und was er will, und dass Menschen fehlbar sind. „Wir können Opposition. Aber wir können noch besser regieren“, sagte Schierack, attackierte Missstände und Versäumnisse von Rot-Rot in der Sache nicht weniger hart als Ludwig früher. Rot-Rot sei nicht fähig, das Land zu gestalten. In Abgrenzung zu seiner Vorgängerin fügte er hinzu: „Es gibt viel zu kritisieren an der rot-roten Regierung, aber fair und menschlich sollte es zugehen.“ Wenn man übers Ziel hinausschieße, gehöre es sich, „das einzugestehen und sich zu entschuldigen“. Eindringlich mahnte er eine andere Streitkultur, die dem eigenen Wertebild entsprechen müsse, an, um beim Wahlvolk glaubwürdig zu sein. In den letzten Wochen sei Brandenburgs Union dagegen „kein Aushängeschild“ gewesen, sagte Schierack. Er habe ein Problem „mit den offen ausgetragenen Reibereien, die uns schaden, schaden, schaden“, sagte er. „Dabei eint uns mehr als uns trennt.“ Er stehe für eine offene Debattenkultur, aber auch für einen verbindlichen Umgang.

Vor dem Führungswechsel war eigentlich ein reiner Programmparteitag geplant, zum Dauerbrenner „Bildung“. Die Delegierten beschlossen einstimmig einen Leitantrag, in dem etwa mehr Unterrichtsstunden in Deutsch und Mathe an den Grundschulen und die Aufhebung der Begrenzung der landesweit 35 Leistungs- und Begabungsklassen gefordert wird, in denen Kinder schon nach der vierten Klasse auf die Gymnasien dürfen. Von der Bundeskanzlerin und CDU-Bundesvorsitzenden Angela Merkel hatten die märkischen Christdemokraten per schriftlichem Grußwort den Segen: „Brandenburg kann es sich nicht leisten, Schlusslicht in der Bildungslandschaft zu sein.“

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