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Brandenburg: Der Verlierer steht schon fest

Schon vor Krisensitzung des BER-Aufsichtsrates war eines klar: Beim Flughafen-Projekt gehen die Querelen weiter

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Schönefeld - Beim unvollendeten Berliner Airport ist kein Ende der Turbulenzen in Sicht, obwohl mittlerweile selbst eine BER-Eröffnung 2018 auf der Kippe steht: Vor der Sondersitzung des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) am Mittwochabend in Berlin lief es weiter darauf hinaus, dass Flughafenchef Karsten Mühlenfeld abgelöst wird. Darauf deutete etwa hin, dass es nach PNN-Informationen Versuche gab, kurzfristig eine Gesellschafterversammlung der Anteilseigner Berlin, Brandenburg und Bund einzuberufen. Deren Votum wäre als Empfehlung für den Aufsichtsrat nötig, um sich von Mühlenfeld „wegen gestörten Vertrauensverhältnisses“ zu trennen. Das ist ein Indiz dafür, dass ihm keine Pflichtverletzungen nachweisbar sind. Berlins Regierender und FBB-Aufsichtsratschef Michael Müller (SPD), aber auch der Bund und die Arbeitnehmer werfen Mühlenfeld eigenmächtiges Handeln vor, weil er gegen das Votum des Aufsichtsrates Technikchef Jörg Marks feuerte und durch den Ex-Bahn-Manager Christoph Bretschneider ersetzte.

Geht Mühlenfeld im Unfrieden, hätte er Anspruch auf rund 1,5 Millionen Euro, oder es droht ein Prozess. Allerdings hielt sich Berlin eine Hintertür offen: Am Ende werde es davon abhängen, wie sich Mühlenfeld verhalte und ob er Einsicht zeige, hieß es aus Flughafenkreisen. Unklar blieb, welche Führung – ohne Mühlenfeld – das BER-Projekt in dieser kritischen Phase übernehmen könnte.

Hinzu kommt, dass die für Finanzen zuständige Co-Geschäftsführerin Heike Fölster den Rausschmiss von Marks mitentschieden und auch gegenüber dem Präsidialausschuss vertreten hatte. Ob das auch für sie Folgen hat, blieb offen. Wie berichtet sondieren Berlin und der Bund, Marks auf die Baustelle zurückzuholen, was nach PNN-Informationen unter Mühlenfeld sowieso unvorstellbar wäre. Im PNN-Interview hatte er den Schnitt damit begründet, dass ohne einen Neuanfang die BER-Eröffnung nicht beschleunigt, bis Frühjahr nicht ein vom Aufsichtsrat geforderter valider Eröffnungstermin genannt werden könne. Schließlich seien in den letzten Monaten unter Marks alle Termine gerissen worden.

Das war eher untertrieben. Seit Herbst 2015 hatte der Flughafen alle entscheidenden Meilensteine im damals noch auf einen BER-Start bis Ende 2017 fixierten Terminplan aus dem Jahr 2014 verfehlt. In den Baugenehmigungsverfahren waren regelmäßig Anträge verspätet und unvollständig eingereicht worden. Brandenburg sieht die Rolle von Marks kritisch.

Brandenburg, dies war vorher klar, trägt eine Ablösung Mühlenfelds nicht mit, auch wegen der unkalkulierbaren Folgen für den BER. Dies dürfte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auch Müller in einem Telefonat vermittelt haben, das es vor der Sitzung zwischen beiden Regierungschefs gab. Im Brandenburger Landtag warnte Flughafenkoordinator Rainer Bretschneider am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde zum BER vor überstürzten Entscheidungen. „Alle Maßnahmen müssen sich an einem Ziel messen lassen, nämlich das Projekt havariefrei und sicher zum Start zu bringen“, sagte Bretschneider. „Mit diesem Ziel gehen die Brandenburger Vertreter in die Aufsichtsratssitzung.“ Denn „Emotionalität hilft uns nicht weiter. Wir brauchen einen kühlen Kopf, trotz allem, was falsch gemacht worden ist“.

Im Landtag herrscht wie auch im Abgeordnetenhaus Unverständnis über die Führungsquerelen, aber auch außerhalb der Region. So gab die Vereinigung der Aufsichtsräte Deutschlands Mühlenfeld Rückendeckung. „Was da abläuft, ist verkehrte Welt“, sagte Vorstandschef Peter Dehnen. Er warf dem vom Müller geführten Aufsichtsrat vor, in der Reaktion auf die Entlassung des Technikchefs selbst die Befugnisse zu überschreiten. „Ein Aufsichtsrat soll die Geschäftsführung überwachen, er darf sich nicht in das operative Geschäft einmischen“, sagte Dehnen. Wenn eine Geschäftsführung sich von einem Mitarbeiter trenne, sei das eine operative Entscheidung. „Es ist nicht nachvollziehbar, wenn einem Geschäftsführer gekündigt würde, weil er seinen Job macht, weil er das tut, was das Projekt erfordert.“ Das Kernübel sei die Konstruktion der Flughafengesellschaft.

Zunächst liefen an diesem Tag, bei dem es nur Verlierer geben konnte, hinter den Kulissen die Telefone heiß, ehe der Aufsichtsrat am Gendarmenmarkt zu seiner Krisensitzung zusammenkam; 2017 schon das zweite derartige Treffen. Erst Anfang Februar hatte das Kontrollgremium nach der Absage des BER-Starts 2017 getagt, die mit den im Ausmaß vorher nicht erkannten Problemen rund um 800 nicht funktionierende Automatiktüren und zu gering dimensionierte Sprinklerrohre begründet worden war. So kompliziert wie das Machtgefüge der politischen Baustelle BER war das Drehbuch für das Mühlenfeld-Tribunal. Zuerst sollte der Präsidialausschuss eine Stunde unter Vorsitz von Müller tagen. Dann wollten die Anteilseigner, wieder eine Stunde, separat die Gefechtslage besprechen, ehe der 20-köpfige Aufsichtsrat – mit den zehn Arbeitnehmervertretern – in großer Runde zusammentreten sollte. Und zwar zunächst allein, ohne Mühlenfeld, um dessen Kopf es ging. Der war erst für 20 Uhr einbestellt. Für 21 Uhr war eine Pressekonferenz angekündigt. Seine letzte Stunde am BER? Thorsten Metzner

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