Brandenburg: Die Amsterdam-Route
Internationale Drogenermittler berieten in Potsdam / Die meisten Drogen kommen über Holland in die Region / Lokaler Handel meist in der Hand Deutscher
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Internationale Drogenermittler berieten in Potsdam / Die meisten Drogen kommen über Holland in die Region / Lokaler Handel meist in der Hand Deutscher Potsdam – Die Treffen wurde zwar offiziell angekündigt, aber Zutritt hatten nur etwa 40 hochrangige Polizisten aus dem In- und Ausland: Gestern tagte im Potsdamer Steigenberger Hotel die Ständige Arbeitsgruppe Rauschgift (StAR). Im internen Kreis berieten die Fachleute besonders ein Problem, über das in Europa aus politischen Gründen nicht gern gesprochen wird: „Kokainschmuggel über den Flughafen Schiphol/Amsterdam“. Der Amsterdamer Flughafen ist das Drogendrehkreuz Europas. Seit Jahren ist dies bekannt – in den Griff bekommen die niederländischen Behörden das Problem nicht. Und auch der Großraum Brandenburg-Berlin wird vorwiegend von dort aus mit Drogen versorgt, so ein Experte gegenüber den PNN. Mit dabei waren gestern in Potsdam Vertreter des Bundesinnenministeriums, ein hoher Staatsanwalt aus Frankfurt (Main), Ermittler des Bundeskriminalamtes, der Landeskriminalämter, von Interpol und den Nachbarstaaten Deutschlands sowie ein bei der amerikanischen Botschaft in Berlin stationierter Ermittler der US-amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA. Auch unter einem anderen Tagesordnungspunkt beschäftigten sich die Experten indirekt mit Amsterdam: „Kokainzufuhr durch westafrikanische Tätergruppen“. Denn auch deren Lieferungen werden meist über den Flughafen der einstigen Kolonialmacht Niederlande abgewickelt, die umfangreiche Flugverbindungen nach Afrika und Mittelamerika unterhält. „Das Klischee, dass die Drogen über Osteuropa kommen stimmt so nicht“, so ein Experte gegenüber den PNN. Aus Süd- und Mittelamerika sowie der Karibik kommt besonders Kokain via Amsterdam in die Region. Und aus holländischen Laboren stammen nach Erkenntnissen der Ermittler auch 80 Prozent der Ecstasy-Pillen, die nach Brandenburg gelangen. Selbst Polen werde von Amsterdam aus mit Kokain und der Partydroge Ecstasy versorgt. „Brandenburg ist dabei meist das Transitland“ - falls Polen mit der Ware nicht per Schiff aus Holland versorgt werde, heißt es. Aus Polen hingegen bezieht der Großraum Berlin-Brandenburg im großen Stil Amphetamine – meist für Bodybuilder. In Brandenburg selbst werden nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei keine harten Drogen, Amphetamine und Ecstasy-Pillen in nennenswerter Größenordnung hergestellt. Für das Jahr 2003 wurde resümiert: „Im Land konnten im Zusammenhang mit illegalen Rauschgiftlaboren weder Chemikalien noch Betäubungsmittel sichergestellt werden.“ Harte Drogen spielen auch bei den Drogenkonsumenten in Brandenburg keine große Rolle. Doch werden hier in großem Stil Cannabispflanzen angebaut – 22,7 Prozent der bundesweit sichergestellten Pflanzen (PNN von gestern). Getrocknet werden sie als „Gras“ verkauft. Aus dem Harz dieser Pflanzen werden aber auch die so genannten Hasch-Platten, Haschisch, hergestellt. Doch die Brandenburger Ernte wird meist als „Gras“ gehandelt. Die Veredelung von Cannabis findet wo anders statt. Brandenburg ist eher die Gras-Kammer Berlins. In Ermangelung veredelter Produkte schickt auch die Brandenburger Szene selbst regelmäßig Kuriere nach Holland, um Nachschub zu holen. Nach Erkenntnissen der Ermittler werden – soweit es sich nicht um Selbstversorgungsfahrten von Konsumenten handelt – dafür häufig unter falschen Namen bei verschiedenen Verleihern Wagen gemietet. Gekauft werden neben den in Holland weitgehend legalen weichen Drogen auch Amphetamine und Ecstasy. So wurden im Jahr 2003 auf der Autobahn A 2 brandenburgische Drogenkuriere gestellt, die 10 130 Ecstasy-Pillen und fast ein Kilogramm Kokain aus Holland geholt hatten. Zu solchen „Großeinkäufen“ werden die Kuriere meist von lokalen oder regionalen Zwischenhändlern geschickt. Zwar versuchen seit geraumer Zeit in Südbrandenburg und Sachsen vietnamesische Gruppen, den Drogenhandel an sich zu ziehen, doch ist er auf lokaler Ebene meist in der Hand deutscher Tätergruppen. So auch im Fall der in diesem Jahr aufgeflogenen XY-Bande in Neuruppin. Auch deren Mitglieder hatten sich in Holland mit harten und weichen Drogen eingedeckt und diese dann in Nordbrandenburg verkauft. Die Millionengewinne wurden zunächst in Prostitution und Spielhallen und später auch in Immobilien investiert. In einem anderen Fall investierten Täter Drogenprofite in einheimische Firmen und Immobilien in Spanien. Das ergaben Ermittlungen des Polizeipräsidiums Potsdam im Vorjahr. Wie bei der Neuruppiner XY-Bande auch, werden aber noch immer parallel Drogen über die „Balkan-Route“ via Südosteuropa geschmuggelt - wenn auch nicht in vergleichbarer Größenordnung wie über Holland. Diese Drogen stammen dann meist aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion, Südosteuropa und aus dem arabischen Raum – etwa Afghanistan. Zunehmende Probleme bereitet den brandenburger Fahndern die veränderte Kommunikation der Groß-, Zwischen- und Kleinhändler. Am Telefon, in SMS oder E-Mails wird ohnehin mit verschlüsselten Botschaften kommuniziert. Darüber hinaus werden meist mehrere Handys mit häufig wechselnden Nummern verwendet. Bei Besprechungen werden die Akkus der Mobiltelefone herausgenommen, um das Abhören via Handy durch die Polizei zu erschweren. Und immer mehr wird das Geschäft in den Onlinehandel via Internet verlegt. „Da werden beispielsweise Bestellungen abgegeben und die Preise verglichen“, so ein Experte. Auch intern schotten sich die einzelnen Handelsebenen extrem ab. Hinter dem Drogenschmuggel nach Europa stecken meist lateinamerikanische und westafrikanische Gruppen (Gabun, Nigeria) sowie Banden aus Osteuropa - besonders den GUS-Staaten. Der Zwischen- und innereuropäische Verteilungshandel der harten Drogen wird von den afrikanischen und GUS-Banden gezielt gesteuert, ist aber meist in europäischer Hand. In Brandenburg übernehmen den direkten Absatz im Regional- und Lokalhandel dann meist deutsche Täter – aber auch arabische Asylbewerber, deutschstämmige Aussiedler und vietnamesische Zigarettenhändler. In Neuruppin waren es alte Schulfreunde, die die Kurierfahrten und den Vertrieb der Drogen zusammen organisierten. „Das ist fast exemplarisch – es sind meist Leute, die aus dem Bekanntenkreis rekrutiert werden“, so ein Experte. Oder, wie etwa bei Fällen in Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder), sind die Diskothekenbetreiber oder -mitarbeiter selbst die Dealer.
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