Brandenburg: Die Gegner des BER fliegen eine neue Attacke
Bürger legen Beschwerde in Brüssel gegen Milliardenhilfe ein. Bauarbeiten zu 45 Prozent geschafft – liegen aber weiter hinterm Plan
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Potsdam - Neue Finanz- und Baurisiken für den BER: Flughafenchef Karsten Mühlenfeld gab am Donnerstag in seinem monatlichen „Politikbrief“ zu, dass die Fertigstellung des BER weiter im Rückstand ist. Von den Rest- und Sanierungsarbeiten wurden bis Ende Juli erst 45 Prozent geschafft (Juni: 36 Prozent) – 50 Prozent sollten es sein. Dennoch stehe der Plan, den BER im zweiten Halbjahr 2017 zu eröffnen, sagte Mühlenfeld.
Außer dem Baurückstand wurde bekannt, dass bei der EU-Kommission eine Beschwerde gegen die von Berlin, Brandenburg und dem Bund geplanten weiteren Zuschüsse von bis zu 2,6 Milliarden Euro eingelegt wurde. Brüssel müsste die Hilfe genehmigen. Auftraggeber des Einspruchs sind Fluglärmgegner: der Bürgerverein Friedrichshagen (FBI) und der Bürgerverein Berlin-Brandenburg (BVBB). Die Beschwerde wird von weiteren Bürgerinitiativen gegen den BER in Berlin und Brandenburg unterstützt.
Die bereits „exorbitante und offenbar grenzenlose“ Förderung des neuen Hauptstadtflughafens durch staatliche Gelder „führe zweifellos zu einer Wettbewerbsverzerrung“ zwischen den europäischen Großflughäfen, heißt es in dem 19-Seiten-Schreiben der Kanzlei Baumann (Würzburg/Leipzig) vom 5. August an die Generaldirektion Wettbewerb, das den PNN vorliegt. Es sei kein „weiterer Flughafen in Europa bekannt, dem in diesem Umfang staatliche Beihilfen gewährt würden“. Das aber sei mit EU-Recht unvereinbar. Man werde diese Beschwerde auch an andere europäische Flughäfen senden. Der Flughafen reagierte gelassen auf den Einspruch. Dies sei „erwartbar“ gewesen, sagte Sprecher Ralf Kunkel. „Unser Vorgehen ist gut begründet.“ Das Bundesverkehrsministerium, das federführend zuständig ist, wollte sich nicht äußern. Dass Brüssel ein Veto einlegt, schließen die Verantwortlichen intern aus.
Dennoch sind Turbulenzen möglich. So gilt es als nicht ausgeschlossen, dass die EU eine Teilprivatisierung des künftigen Airports zur Auflage macht. Und vor dem grünen Licht aus Brüssel dürfen weder die 1,1 Milliarden Euro, die zum Fertigbau des BER bis zur Eröffnung 2017 benötigt werden, noch die für erste Erweiterungen kalkulierte weitere Milliarde an den Flughafen fließen. Nach Tagesspiegel-Informationen müssen aber bis Ende 2015 erste Raten aus dieser Kapitalspritze fließen, sonst könnte es eng werden mit den Finanzen und Terminen.
Bei möglichen Nachforderungen aus Brüssel setzt die Beschwerde der Flughafengegner an. Sie fordern die EU auf, weitere Informationen zur Wirtschaftlichkeit des neuen Flughafens einzuholen, die grundsätzlich angezweifelt wird. So habe die EU schon 2009 staatliche Beihilfen von 27 Prozent der damals kalkulierten Kosten genehmigt – und nach der abgesagten Eröffnung 2012 eine weitere Kapitalspritze von 1,2 Milliarden Euro. Für die fehle bislang „ein Nachweis über die Verwendung“. So seien die damaligen Ansätze für Schadenersatz (250 Millionen Euro) und Schallschutz (750 Millionen Euro) zu hoch gewesen. „Würde die beantragte weitere Finanzspritze von 2,6 Milliarden Euro bewilligt, läge eine Beihilfeintensität von weit über 60 Prozent vor“, heißt es. „Wenn ein einziger Flughafenstandort in einer derartigen Größenordnung durch die öffentliche Hand finanziert wird, liegt die Wettbewerbsverzerrung auf der Hand.“ Auch die Begründung mit den nötigen Erweiterungen sei nicht stichhaltig. So sei das Problem, dass der BER zur Eröffnung zu klein sei, schon im letzten Notifizierungsverfahren 2012 bekannt gewesen.
In dem jetzigen Verfahren muss Deutschland nachweisen, dass ein privater Investor in der Situation genauso viel Geld zuschießen würde und dass dies wirtschaftlicher als ein Stopp des Flughafenbaus wäre. Das Worst-Case-Szenario eines Milliardengrabes wurde für die EU detailliert untersucht – und verworfen. Die Beschwerde argumentiert dagegen, dass das Szenario einer Bauruine günstiger wäre – und mit den 2,6 Milliarden Euro „ein privat finanzierter Flughafen an anderem Standort“ errichtet werden könnte.
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