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Bilanz für Rot-Rot: Die Linke in Aufruhr

Die Abrechnung des Linke-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Neskovic mit der Bilanz der Linken in der rot-roten Landesregierung von Brandenburg hat bei den Genossen in Land und Bund heftige Reaktionen ausgelöst.

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Potsdam -  Während Neskovics Namensbeitrag in den PNN bei der Führungs- und Funktionärsebene überwiegend auf Ablehnung stieß, gab es an der Basis auch Zustimmung.

Laut Neskovic gefährdet die Linke wegen mangelnder Durchsetzungskraft gegenüber der SPD und deutlichem Profilverlust den Fortbestand von Rot-Rot über 2014 hinaus. Ändere die Linke in Brandenburg nichts an ihrem Selbstverständnis in der Regierung als bereitwilliger Juniorpartner, dann werde es auf absehbare Zeit die letzte Regierung mit Linke-Beteiligung sein. Die Partei habe im Koalitionsvertrag zu große Abstriche gegenüber der SPD gemacht.
Landtagsfraktionschef Christian Görke wies die Vorwürfe zurück und verteidigte die Arbeit der Linken in der rot-roten Regierungskoalition. Er verwies auf das neue Vergabegesetz und den Mindestlohn von acht Euro, der weiter steigen soll. Zudem habe Rot-Rot auf Druck der Linken 2000 Lehrer statt der im Koalitionsvertrag vereinbarten 1250 Lehrer eingestellt. Ähnlich äußert sich Dagmar Enkelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken im Bundestag. Neskovic nehme nicht zur Kenntnis, was es „auch an positiven Ergebnissen“ der rot-roten Regierungspolitik in Brandenburg gebe. Sie erwähnte dabei die Ausstattung der Kindertagesstätten, das Vergabegesetz, das für öffentliche Aufträge einen Mindestlohn festschreibe, spezielle Förderprogramme für den Mittelstand sowie neue Ansätze in der Bildungspolitik, etwa beim Aufbau von Gesamtschulen.

Auch sie sehe bestimmte Entwicklungen im Land kritisch, gab die in Bernau direkt gewählte Bundestagsabgeordnete Enkelmann zu, zum Beispiel in der Energiepolitik sowie bei der unzureichenden Unterstützung des Volksbegehrens gegen das Nachtflugverbot in Schönefeld. Neskovic würde sich aber „alle Jahre wieder“ mit seiner Kritik über die Presse äußern, sich Diskussionen mit der Partei aber verweigern. „Seine Kritik ist deshalb wenig hilfreich. Er greift kritische Punkte auf, aber wichtig ist doch auch, dass man sich austauscht. Insofern ist er in der Partei isoliert.“

Einzelne Landtagsabgeordnete jedoch äußerten auch Verständnis für Neskovic, obgleich niemand namentlich zitiert werden wollte. Neskovic habe inhaltlich zwar recht, allerdings hätten viele ein Problem mit seiner offenen und offensiven Art und Weise, hieß es.

Görke erklärte, Neskovic habe wiederholt Einladungen zu Gesprächen abgelehnt. Über die Kritik könne auf dem Programmparteitag am Samstag in Frankfurt (Oder), bei dem es um das neue Leitbild der Partei geht, gesprochen werden. Neskovic wird aber nicht an dem Parteitag teilnehmen. Er räumte auch ein, Gesprächseinladungen abgelehnt zu haben. „Das wäre eine Abrechnung, es ginge alles auf meine Person“, sagte er am Dienstag. „Nach meinen Erfahrungen bringt das nichts. Das hat immer etwas Tribunalhaftes.“

Der Linken-Kreischef von Potsdam, Sascha Krämer, gab Neskovic inhaltlich recht. „Eine Partei sollte nur dann in die Regierung gehen, wenn sie in diesem Bündnis wesentliche Ziele umsetzen kann. Regieren um des Regierens willen ist keine Option“, sagte Krämer. „Es bedarf manchmal den Anstoß von außen.“ Allerdings sollte Neskovic seine Kritik stärker innerparteilich kommunizieren, kritisierten Krämer und auch der Barnimer Linke-Kreischef Sebastian Walter.
„Aber es sollte sich dabei nicht der Eindruck aufdrängen – so wie jetzt, dass kraftvoll über die Medien kommuniziert und der interner Prozess dabei total vernachlässigt wird“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung von Krämer und Walter. „Medienkommunikation ohne Binnenkommunikation ist eben in politischen Parteien schwierig.“ Zugleich kritisierten sich indirekt auch die Partei- und Fraktionsspitze: „Eine produktive Debatte entlang von politischen Inhalten ist weiterhin dringend erforderlich und sollte von allen Seiten in Angriff genommen werden.“

Allerdings hoben Krämer und Walter, die als junge Kreisparteichefs intern als Kritiker der älteren Funktionsriege gelten, ebenso wie Görke und Enkelmann die Erfolge von Rot-Rot hervor. „Er darf auch keine Falschbehauptungen in die Welt setzen. Es ist eben nicht so, dass nur Politik der SPD durchgesetzt wird“, erklärten Krämer und Walter. „Das lassen wir uns nicht klein reden. Das dass alles noch nicht ausreicht ist klar und unbestritten.“ Die Linke wolle Brandenburg gestalten und nicht nur verwalten. „Dazu brauchen wir Unterstützung, auch von Wolfgang Neskovic. Die von Wolfgang Neskovic aufgeworfenen Themen und Fragen zu wichtig, um nicht diskutiert zu werden.“

Der Cottbuser Landtagsabgeordnete Jürgen Maresch erklärte via Facebook auf der Seite der Landespartei, es sei sehr schwer, innerparteilich eine andere Meinung zu vertreten, Kritiker würden isoliert werden. Mit der Kritik an Neskovics Vorgehen werde die Auseinandersetzung in der Sache umgangen. „Mit den Standpunkten der anderen wird sich nicht auseinandergesetzt, sondern gegebenenfalls wird ein Tribunal veranstaltet und man wird fertiggemacht. So geschehen mit mir im September 2010 zum Thema Polizeireform“, schrieb Maresch.

Der frühere Landtagsabgeordnete Andreas Trunschke, der die Linke wegen mangelnder Offenheit der Partei verließ, sagte, er teile Neskovics Kritik und Vorgehen. Nach seiner Erfahrung reagiere die Partei nur, „wenn man über die Medien kommuniziert“. Er hoffe, „dass eine mögliche Kritik der Art und Weise der Veröffentlichung der Kritik nicht dazu benutzt wird, um über die Kritik selbst nicht zu reden“.

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