Brandenburg: „Die Luftwaffe ist unbelehrbar“
„Wäre die Bundeswehr in Fragen der Landesverteidigung so dilettantisch, wäre mir bange“ Rechtsanwalt Reiner Geulen, Anwalt der Anrainergemeinden des Wittstocker Bombodroms, über die Serie von Niederlagen der Bundeswehr und die Aussichten auf ein Eingreifen der Politik
Stand:
Herr Geulen, was erwarten Sie von der Verhandlung über die Zukunft des Bombodroms am Donnerstag vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin?
Wir prozessieren jetzt seit insgesamt 15 Jahren, haben 24 gerichtliche Entscheidungen gegen das Bombodrom erwirkt, alle waren erfolgreich. Im Ergebnis wird das Bombodrom weiter nicht genutzt – und das seit 1993, seit die Russen abgezogen sind. Wir sind zuversichtlich, dass wir auch in diesem Verfahren gewinnen.
Was folgt nach einem erneuten Sieg?
Letztlich muss die Sache politisch entschieden werden. Die Politik wäre gut beraten, bei der nächsten juristischen Niederlage das Projekt aufzugeben – so, wie sie das schon in den 1990er Jahren immer wieder versprochen hat. Falls die Politik sich dazu nicht durchringen kann: Wir können weiter prozessieren, wir sind gern bereit, dies noch 15 Jahre zu tun und weitere 24 Urteile zu erwirken.
Wäre es denn juristisch nachvollziehbar, wenn die Bundeswehr weiter klagt?
Ich verstehe das seit langem nicht mehr. Juristisch gesehen kann man natürlich immer in die nächste Instanz gehen. Aber für die Bundeswehr ist das kein Ruhmesblatt, alle ein bis zwei Jahre einen Prozess zu verlieren. Die Bundeswehr würde gern immer weitermachen, für sie ist ja das Bombodrom ein Filetstück. Wenn die Bundeswehr sich in Fragen der Landesverteidigung so dilettantisch verhält wie hier, wäre mir wirklich bange.
Also ist es verständlich, dass das Areal für das Militär eine zentrale Bedeutung hat?
Ich glaube, das Interesse der Bundeswehr hat sich verselbstständigt. Eines ist unstreitig, das kommt am Donnerstag vor Gericht zur Sprache: Die Tiefflüge in Deutschland sind seit 1990 um mehr als 90 Prozent zurückgegangen, die Bombenabwürfe auf den Plätzen im bayerischen Siegenburg und im niedersächsischen Nordhorn um mehr als 90 Prozent, ebenso Auslandseinsätze, also Tiefflüge mit Bombenabwürfen um mehr als 90 Prozent. Daher hat die Bundeswehr die Übungsmöglichkeiten im Norden Kanadas gekündigt. Das hat den Bundesrechnungshof zur Aussage gebracht, dass das Bombodrom völlig unnötig ist. Da wird Geld ausgegeben für etwas, das aus Sicht der Landesverteidigung nicht mehr erforderlich ist. Sehen Sie, schon seit den 1990er Jahren wird immer weniger mit sogenannten dummen, also ungelenkten Bomben aus Tieffliegern geübt. Der Bundesrechnungshof sagt, dass das Konzept in der Nato bald überhaupt nicht mehr praktiziert werden wird. Aus 3000 Metern Höhe wird dann mit gelenkten Bomben geschossen, so dass Tiefflugübungen, für die das Bombodrom dienen soll obsolet, ein Auslaufmodell sind.
Wie bewerten Sie das neue Nutzungskonzept für Luft-Boden-Schießplätze?
Neu ist, dass die Bundeswehr am Bombodrom nicht nur festhält, sie will dessen Nutzung ausweiten. Und insgesamt sollen der Norden Brandenburgs und ganz Mecklenburg-Vorpommern zunehmend für Tiefflugübungen genutzt werden, auch für Übungen in großer Höhe oder für Stationierungen der Luftwaffe. Das finden wir insgesamt problematisch.
Im Ernst: Sehen Sie bei einem Sieg eine reale Chance, dass die Politik die Bundeswehr stoppt? Immerhin findet sich im Bundestag keine Mehrheit dafür, eine Entscheidung vor der Wahl gilt als ausgeschlossen.
Das kann sein. Trotzdem ist die Entscheidung einzufordern. Als wir 1993 angefangen haben, standen wir ganz allein da. Inzwischen ist die Unterstützung unglaublich breit. Vor allem die Ministerpräsidenten, das ist nicht unbedeutend, und die Parlamente von Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin haben sich eindeutig gegen das Bombodrom ausgesprochen. Wenn wir jetzt obsiegen, sehen wir weiter. Ich wundere mich nur, dass das Bundesverteidigungsministerium eins ums andere Mal eine schallende Ohrfeige bekommt und trotzdem weitermacht. Sie haben keine Erfolgsaussichten. Die Frage ist, ob wir Prozesse führen oder ob die Politik den Knoten zerschlägt.
Es gab sogar mal einen SPD-Kanzlerkandidaten, der auf Ihrer Seite war und später Verteidigungsminister wurde. Genutzt hatte selbst das nichts
Ich weiß nicht, ob ich zu Rudof Scharping noch was sagen soll. Das war 1994, dann wurde er 1998 Bundesverteidigungsminister. Das war keine sehr glückliche Sache. Ich weiß nur, die Unterstützung ist breiter geworden. Und in 15 Jahren wurde immer deutlicher, diese Anlage ist in keiner Weise erforderlich. Auch im Bundestag bei CDU und SPD hört man das. Ich kritisiere, dass die Politik sich den Argumenten des Bundesrechnungshofes verschließt und sich der Luftwaffe beugt. Das Militär gibt so etwas nie gerne her, keine Frage.
Haben wir es mit verbockten, ewig gestrigen Militärs zu tun?
Das Militär hat seine eigene Logik, die Bundeswehr hat nie richtig verstanden, was sie machen muss, nämlich abwägen, ob das Bombodrom gesundheitsschädigend und zumutbar ist. Das Militär hat auch nicht verstanden, dass es sich hier um ordentliche zivile Verfahren und Regeln handelt, die einzuhalten sind. Das Militär, die Luftwaffe ist unbelehrbar, die würden noch 20 Jahre prozessieren.
Dann wird Sie der Fall Bombodrom bis in den Ruhestand verfolgen oder ist er vorher abgeschlossen?
Also ich werde es ganz bestimmt abschließen, auch wenn es noch 30 Jahre dauern sollte, egal ob ich nun mit 80, 90 oder hundert Jahren in den Ruhestand gehe. Aber wir müssen die Entscheidung am Donnerstag abwarten, denn das ist nicht irgendein Gericht, sondern das Oberverwaltungsgericht unter Vorsitz seines Präsidenten.
Die Fragen stellten Peter Tiede
und Alexander Fröhlich
Dr. Reiner Geulen, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, einer der wichtigsten Umweltanwälte Deutschlands, klagte erfolgreich gegen Atomkraftwerke, vertrat die Opfer des ICE-Unglücks von Eschede.
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