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Der Turm des Landtagsgebäudes auf dem Potsdamer Brauhausberg mit den Umrissen des längst verblichenen SED-Symbols aus DDR-Zeiten.

© A. Klaer

Brandenburg: Die Opposition im Potsdamer Landtag will künftiger offener mit eigener Geschichte umgehen. Das Enquete-Gutachten soll Konsequenzen haben: CDU und FDP wollen Rolle vor 1989 aufarbeiten

Potsdam - Nachdem ein Enquete-Gutachten erstmals auch den seit Rot-Rot auf Aufarbeitung drängenden Oppositionsparteien Versäumnisse im Umgang mit der SED-Diktatur seit 1990 attestiert, denken CDU, FDP und Grüne nun über Konsequenzen nach. So will Brandenburgs Union ihre Vergangenheit als SED-Blockpartei vor 1989 untersuchen lassen, was laut Gutachten in den letzten zwanzig Jahren - wie auch bei der FDP - völlig unterblieben war.

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Potsdam - Nachdem ein Enquete-Gutachten erstmals auch den seit Rot-Rot auf Aufarbeitung drängenden Oppositionsparteien Versäumnisse im Umgang mit der SED-Diktatur seit 1990 attestiert, denken CDU, FDP und Grüne nun über Konsequenzen nach. So will Brandenburgs Union ihre Vergangenheit als SED-Blockpartei vor 1989 untersuchen lassen, was laut Gutachten in den letzten zwanzig Jahren - wie auch bei der FDP - völlig unterblieben war. „Wir überlegen schon länger, wie wir 44 Jahre CDU vor 1989 im Land aufarbeiten können“, sagte dazu Generalsekretär Dieter Dombrowski am Montag den PNN. Er betonte dabei: „Wir distanzieren uns nicht von unseren alten Mitgliedern, die zu DDR-Zeiten ehrliche und gute Arbeit geleistet haben.“

Dombrowski reagierte gelassen auf das Gutachten, das der CDU einerseits seinen Abschluss der Erneuerung bescheinigt, weil in Parteiführung und Landtagsfraktion keine früheren Blockparteimitglieder mehr sind, andererseits aber beim Umgang mit der Vorwendegeschichte der Partei Nichtstun, Desinteresse oder Instrumentalisierung in innerparteilichen Machtkämpfen attestiert. „Wir haben kein Problem mit dem Gutachten. Ich werde es nicht kritisieren“, sagte Dombrowski. Den Vorwurf allerdings, Brandenburgs Union lege im Umgang mit Stasi-Vorwürfen gegen Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe und dem früheren Brandenburger CDU-Vorsitzenden Lothar de Maizière trotz ähnlich gelagerter Fälle ein unterschiedliches Maß an, wies der CDU-General aber zurück. „Der Unterschied ist, dass de Maizière damals zurücktrat, Herr Stolpe aber nicht.“ Bevor das Parteien-Gutachten publik wurde, hatte Dombrowski in einem Gast-Beitrag für die PNN für die Union erstmals leise Selbstkritik geäußert: Die Partei sei als Regierungspartner in der Großen Koalition beim Druck auf Aufarbeitung von Diktatur und Stasi in Brandenburg „vielleicht zu leise“ gewesen. Dass er in diesem Zusammenhang zugleich der früheren Vorsitzenden und ehemaligen Wissenschaftsministerin Johanna Wanka zugeschrieben hatte, diese habe „erstmals“ bei der Gedenkstättenarbeit „auch Opfer der SED und der Sowjets“ bedacht, sorgt nun nachträglich für Ärger. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, zu der die Gedenkstätten für die ehemaligen NS-Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück gehören, wies diese Aussage in einer offiziellen Erklärung als falsch zurück: So sei das von Wanka lediglich kurz nach Amtsantritt 2001 eingeweihte Museum in Sachsenhausen, das an die Geschichte des sowjetischen Speziallagers am gleichen Ort erinnert, Jahre vorher angeschoben worden. Zudem habe sich die Stiftung seit 2002 vergeblich bemüht, in Brandenburg an der Havel eine Gedenkstätte einzurichten, „die auch an die politisch Verfolgten im ehemaligen Zuchthaus Brandenburg-Görden in der Zeit der DDR-Diktatur erinnert.“ Der von Wanka geführte Stiftungsrat habe das aus Finanzierungsgründen abgelehnt.

Die Grünen wiederum, denen das Gutachten für die Zeit von 1994 bis 2009 – sie waren nicht im Landtag – eine zu große vergangenheitspolitische Zurückhaltung bescheinigt, wollen es gründlich auswerten. „Wir freuen uns, dass damit eine große Diskussion angestoßen wird. Es wird eine parteiinterne Debatte geben, und Thema im Landesvorstand“ sein, sagte Landeschefin Annalena Baerbock. Gleichwohl sei die Situation sehr unterschiedlich, dürften „nicht alle Parteien über einen Kamm“ geschoren werden. Zur Grünen-Vorgeschichte gehöre, dass es in Bezug auf Aufarbeitung eher „ein früheres Erwachen mit einer harten Konsequenz“ gab, nämlich dem Nichteinzug in den Landtag 1994 nach dem Rücktritt von Marianne Birthler als Bildungsministerin und der Kritik von Günter Nooke in der Stasi-Debatte um Stolpe.

Bei den Liberalen wird das Gutachten nächste Woche Thema im Präsidium, also der engeren Parteiführung, sagte Parteichef Gregor Beyer. „Wir sind interessiert, uns mit der eigenen Geschichte zu befassen“. Dennoch müsse man bei der Bewertung der Nachwendezeit auch die damaligen Umstände und Rahmenbedingungen berücksichtigen. „Man muss versuchen, fair zu bleiben.“ So teile er die pauschale Kritik im Gutachten am damaligen FDP-Landeschef und Wissenschaftsminister Hinrich Enderlein ausdrücklich nicht. Den von Beyer (Partei) und Andreas Büttner (Fraktion) geführten Liberalen wird im Gutachten bescheinigt, als erste Landtagspartei eine westdeutsche Doppelspitze zu haben. „Wenn ich lese, ich sei Westdeutscher, zucke ich zusammen“, sagte dazu Beyer, der seit 17 Jahren in Eberswalde lebt: „Ich habe meine Frau hier gefunden, die Kinder wurden hier geboren. Mir fällt es schwer, mich als westdeutschen Politiker zu betrachten.“

Gelassen reagiert nach diesem Gutachten auch Rot-Rot. Die SPD sieht keinen Anlass für akuten Handlungsbedarf. Die Expertise hatte der SPD vorgehalten, wegen der Stasi-Debatte um Stolpe nach 1994 die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit eingestellt zu haben. Generalsekretär Klaus Ness verwies auf Erklärungen von Parteichef Platzeck im Jahr 2010, dass dies ein Fehler war, auch der Verzicht auf einen Stasi-Beauftragten und eine Überprüfung des Landtages. Die Kritik an Stolpe teile die überwiegende Mehrheit der Partei nicht: „Wir sind stolz, dass er unser Ehrenvorsitzender ist.“ Und für Linke-Landeschef Thomas Nord war die Lektüre des Gutachtens, das den Linken trotz früher Stasi-IMs in der Fraktion einen offenen Umgang mit der eigenen Vergangenheit vor 1989 bescheinigt, eine Genugtuung. „Wir haben uns intensiv auseinandergesetzt, andere nicht.“ Man sollte, so Nord, nicht versuchen, „Geschichte parteipolitisch zu instrumentalisieren“.

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