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Schadensersatz: Die Rechnung kommt am Freitag

Die Eröffnung ist verschoben, nun ringen Mieter mit dem Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft ums Geld. Die Anwälte haben viel zu tun. Azubis am BER müssen um ihre Jobs bangen

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Schönefeld - Auch mit der Entschädigung der Mieter im neuen Flughafenhafen BER in Schönefeld muss sich der Aufsichtsrat am Freitag befassen. Weil sich die Eröffnung nun weiter verzögert, können wohl einige Ladenbesitzer vertragsgemäß Regress fordern. Denn jetzt tritt nach PNN-Informationen aus der Flughafengesellschaft für einen Teil der Mieter das ein, was immer verhindert werden sollte. Mit dem neuen Oktober-Termin greift für sie die in den Mietverträgen verankerte 18-Monats-Klausel. Demnach werden Händler, Mieter und Vertragspartner erst entschädigt, wenn sich die Eröffnung um eineinhalb Jahre verschiebt. Gerechnet ab dem abgesagten Juni-Termin sind es mit der nun geplanten Inbetriebnahme Ende Oktober 2013 nur 16 Monate. Zählt man vom ursprünglichen Termin im Oktober 2011 wären es zwei Jahre. Bei einem Teil der Mieter wird diese Frist mit dem neuen Termin nun überschritten.

Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer des regionalen Unternehmerverbandes (UVB), forderte deshalb am Dienstag für betroffene Firmen, die im Vertrauen auf einen früheren Termin in Läden und Personal investiert hätten, unbürokratische Hilfe. Die Investitionen dürften sich nicht zulasten der Firmen auswirken.

Pleiten soll es bislang nicht geben. Doch die Firmen und Händler, die am neuen Hauptstadtflughafen in Schönefeld ein Geschäft eröffnen wollten, müssen mit erheblichen Einbußen kämpfen. Dennoch rechnet Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, nicht damit, dass die Händler und Restaurantbetreiber aufgeben. „Mir ist nicht bekannt, dass ein Unternehmen in eine existenzbedrohende Situation gekommen ist“, sagte er den PNN. Die erneute Verschiebung mache nun auch keinen Unterschied mehr. „Wer schon Schwierigkeiten hat, stellt sich auch auf den neuen Termin ein.“

Auch beim zuständigen Wirtschaftsministerium in Brandenburg ist noch keine Pleite bekannt. Dort haben nur sechs Unternehmen um Hilfe gebeten. Die Industrie- und Handelskammer berät betroffene Firmen. Der Handelsverband vermittelt für den BER eingestellte Mitarbeiter, die nun nicht gebraucht werden an andere Unternehmen. „Wellen könnte die Verschiebung noch für Auszubildende schlagen, mit denen schon Verträge gemacht wurden“, sagte Busch-Petersen.

Bruno Pellegrini, Inhaber des italienischen Restaurants „Ana e Bruno“ in Berlin-Charlottenburg, hat erst gar nicht auf die Eröffnung im März 2013 gesetzt. „Und jetzt im Herbst 2013, ich glaube noch nicht richtig daran“, sagte Pellegrini. Für sein 300 Quadratmeter großes Edelbistro, das er im neuen Hauptstadtflughafen aufmachen will, hatte er schon kräftig investiert. „Dafür laufen täglich Kosten auf für Kredite und die Zinsen.“ Und Pellegrini wollte 20 neue Mitarbeiter einstellen, neun Verträge waren schon unterschrieben. Einige der Mitarbeiter habe er bei anderen Restaurants unterbringen können, andere haben Pellegrini verklagt. Die Freude über das neue Bistro am Hauptstadtflughafen ist bei dem Gastronom jedenfalls getrübt. „Jetzt fängt das Spiel wieder von vorn an“, sagte Pellegrini. „Die ganzen Monate und Wochen Arbeit waren umsonst.“ Zumindest könne er jetzt – mit dem neuen Termin für die Eröffnung des BER – die Verhandlungen mit der Flughafengesellschaft über eine Entschädigung aufnehmen, etwa über einen Mietnachlass.

Andere Unternehmer tun dies bereits. „Die Verhandlungen mit der Flughafengesellschaft laufen noch“, sagt Anwalt Andras Damm von der Wirtschaftskanzlei Zimgibl Langwieser. Diese hat eigens eine „Task Force“ gegründet, die sich um betroffene Unternehmen kümmert. „Wir sind bisher noch nicht zu einem Abschluss gekommen, weil der neue Termin noch nicht feststand.“ Über die Details ist Stillschweigen vereinbart worden, offenbar aber Bewegung in die Verhandlungen geraten. „Wir haben nicht den Eindruck, dass die Flughafengesellschaft blockiert“, sagt Damm. „Sie ist durchaus bemüht, eine entsprechende Regelung zu finden.“

Dass die 18-Monats-Klausel überhaupt greift, glauben die Anwälte der betroffenen Firmen nicht. „Diese Ausschlussklausel für Schadenersatz ist rechtlich nicht haltbar“, sagt Damm. Ähnlich sieht das der Berliner Anwalt Benedikt Bräutigam, der ebenso betroffene Firmen vertritt. „Mich interessieren die 18 Monate überhaupt nicht“, sagte Bräutigam. „Auf diese Klausel kann man sich nur berufen, wenn man den Partner ins offene Messer laufen lässt.“ Bis Anfang Mai hätte die Flughafengesellschaft den Eindruck erweckt, dass der Flughafen am 3. Juni eröffnet wird. „Und das war schlichtweg gelogen.“ Die Flughafengesellschaft hätte die Firmen rechtzeitig über mögliche Verzögerungen informieren müssen. Auch die Anwälte haben noch nichts von drohenden Insolvenzen gehört. „Sollte es dazu kommen, würde es aber rechtlich zu einer Explosion der Kosten kommen“, so Bräutigam.

Fest steht für die Anwälte: Der Flughafen muss Schadensersatz zahlen. Die Unternehmen hätten investiert, erwirtschaften aber keinen Umsatz am BER , die Vorlaufkosten drücken weiter. Nun müssen sie einen Neuanlauf starten, manche müssen neue Verträge mit Lieferanten aushandeln und Personal rekrutieren.

Die Spandauer Firma Haru-Reisen, die seit 3. Juni die Schnellbuslinie vom Steglitzer Kreisel zum Flughafen betreiben wollte, hatte extra für 700 000 Euro drei Busse angeschafft und sieben neue Mitarbeiter eingestellt. „Bis Oktober 2013 werden wir 350 000 Euro zusätzlich bezahlt haben, ohne dass wir dafür Einnahmen hatten“, sagt Haru-Geschäftsführer Karsten Schulze. „Aber ich freue mich, dass es nun überhaupt einen Termin gibt.“ Nach anfänglich positiven Signalen der Flughafengesellschaft „haben wir jetzt die Nachricht bekommen, dass eine Kompensation nicht möglich ist“. Sorge bereite ihm, wie die Firma über den umsatzarmen Winter kommen soll. Schulze will sich jetzt mit anderen betroffenen Firmen zusammentun und das weitere Vorgehen gegen die Flughafengesellschaft verabreden. „Man hat uns am Nasenring durch die Manege gezogen. Das war grob fahrlässig. Bei einer rechtzeitigen Information über die Probleme, wäre der Schaden in diesem Ausmaß vermeidbar gewesen“, sagt Schulze. „Der Flughafen muss in Haftung gehen. Das ist normales unternehmerisches Selbstverständnis, das man für den Schaden einsteht und sich nicht wegduckt.“

Die Wirtschaft erwartet nun, dass Nägel mit Köpfen gemacht werden. Es müsse jetzt felsenfest klar sein, dass der neue Termin gilt, sagte Christian Amsinck vom Unternehmerverband. Ähnlich äußert sich der Sprecher der Industrie- und Handelskammer, Jörg Nolte: „Der nächste Schuss muss sitzen.“

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