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Brandenburg: Die Scharping-Struck-Falle

Warum bleibt es 15 Jahre folgenlos, wenn die Bundes-SPD gegen die Bombodrom-Pläne der Bundeswehr ist? SPD-General Heil hat in Rheinsberg einen Erklärungsversuch unternommen – irgendwie.

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Rheinsberg - Horst Bartz wollte dem SPD-Generalsekretär mal so richtig die Meinung sagen, zum Bombodrom und dem ganzen Hin und her. Das Misstrauen in Rheinsberg und den anderen Orten rund um die Kyritz-Ruppiner Heide ist groß – zu viel haben sozialdemokratische Bundespolitiker in den vergangenen 16 Jahren versprochen. Gehalten, meint Bartz, hätten sie nichts.

Bartz wurde aber seine Meinung nicht beim Adressaten los: Als er am Donnerstagabend auf seinem grünen Drahtesel die Straße zum Grienericksee hinunter geradelt kommt, ist Huberts Heil schon – überpünktlich – im Rheinsberger Rathaus verschwunden. Auch die bunten Friedensaktivisten vom Aktionsbündnis „Rosa Heide“, die seit Freitag einen Teil der Kyritz-Ruppiner-Heide für ein Wochenende besetzt haben, haben ihre Plakate bereits eingerollt. Nun sitzt Heil dort oben im Ratssaal und spricht mit den Vertretern dreier Initiativen, Lokalpolitikern und brandenburgischen Genossen über einen Brief, den Heil geschrieben und der für reichlich Schlagzeilen gesorgt hatte.

Tenor des Schreibens: Mit der SPD in einer Alleinregierung auf Bundesebene wäre das Bombodrom längst Geschichte, aber die Genossen müssten ja Rücksicht auf die Union als Koalitionspartner nehmen – trotz des Hamburger Parteitagsbeschlusses vom Herbst 2007, in dem die SPD eine zivile Nutzung fordert.

Doch mit seinem Brief und der Argumentationslinie, dass es die Bombodrom-Pläne nur noch wegen der Union gäbe, manövrierte Heil sich und seine Bundes-SPD so kurz vor den Kommunalwahlen im September und den Landtags- und Bundestagswahlen ein Jahr später wieder in eine Glaubwürdigkeitsfalle – in die Scharping-Struck-Falle: Als Kanzlerkandidat hatte Rudolf Scharping im Jahr 1994 versprochen, im Falle eines Wahlsieges der SPD die Bombodrom-Planungen der Bundeswehr zu beerdigen. Nach der Regierungsübernahme vier Jahre darauf stützte Verteidigungsminister Scharping die Ansprüche seiner Generäle auf das 12000 Hektar große Areal. Ähnlich Peter Struck, heute Fraktionsvorsitzender im Bundestag: Er meinte 1992, die Bundeswehr würde jede Glaubwürdigkeit in den neuen Ländern verlieren, wenn sie den Luft-Boden-Schießplatz bei Wittstock nutzen wolle. 2003 ordnet eben dieser Peter Struck, inzwischen Verteidigungsminister, die sofortige Inbetriebnahme des Luft-Boden-Schießplatzes an. Über diesen Struck-Entscheid wird immer noch vor Gericht gestritten, weil die Anwohner des übungsareals damals nicht ausreichend angehört wurden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wird vermutlich in einem Jahr über ein Berufungsverfahren der Bundeswehr befinden.

Bis dahin – also noch vor den Wahlen 2009 – solle möglichst eine Entscheidung im Bundestag her, sagt Heil am Donnerstagabend in Rheinsberg. Aber der SPD-Generalsekretär versucht beim Gespräch mit den Initiativen die Struck-Scharping-Thematik zu umgehen und sagt, er wolle der SPD-Fraktion im Bundestag noch einmal die Beschlusslage der Bundes-SPD „näher bringen“. Er wolle außerdem „ die Argumente, die ich gehört habe“, „in die Fraktion transportieren.“ Alles was Heil am Ende zusagt ist: „Wir bleiben dran, versprechen nicht, dass es zu einer Lösung kommt, sondern dass wir Druck machen und die SPD an ihren Parteitagsbeschluss keinen Zweifel lässt."

Die Vertreter der Bürgerinitiativen reagieren vorsichtig optimistisch auf den Heil-Besuch. „Wir werden sehen, was sich in den nächsten Monaten tut“, sagt „Freie Heide“-Sprecher Benedikt Schirge. „Wir hoffen, dass sich die SPD im Bundestag nun an die Beschlüsse ihrer Partei hält." Als gutes Zeichen wertet Barbara Lange von der Schwesterinitiative „Freier Himmel“ aus Mecklenburg-Vorpommern, dass Heil den Kontakt halten will und weitere Gespräche ab Herbst zugesagt hat. Zumindest nehmen ihm alle ab, dass er sich gegen das Bombodrom stark machen will. Schließlich hat Heil in den 1990er Jahren selbst mit demonstriert gegen das Bombodrom – damals, als er noch in Potsdam arbeitete, Jahre bevor er unter dem Kurzzeit-SPD-Bundeschef Matthias Platzeck in die Parteizentrale wechselte.

Aber Barbara Lange von „Freier Himmel“ weiß auch um die Mehrheitsverhältnisse in der SPD-Bundestagsfraktion, selbst wenn Heil und Günter Baaske, Fraktionschef im brandenburgischen Landtag einzelne Abgeordnete zurechtzustutzen versuchen. So, wie an diesem Tag den verteidigungspolitischen Sprecher Rainer Arnold. Der hatte sich am Donnerstag, kurz bevor Heil nach Rheinsberg fuhr, erneut für eine militärische Nutzung des Bombodroms ausgesprochen. Die Bedingungen für extreme Tiefflüge seien dort einzigartig. „Das ist die persönliche Überzeugung eines Fachpolitikers, aber er spricht nicht für die SPD“, erklärt Heil am Abend nur knapp. Und Baaske sekundiert per Erklärung: „Das ist eine absolute Einzelmeinung." Die Bürgerinitiative „Freier Himmel“ forderte gar Arnolds Rücktritt.

Im manchmal so fernen Berlin will Arnold selbst nun erst einmal nichts mehr dazu sagen. Dabei hatte seine Äußerung durchaus etwas positives: Dass Berufungsverfahren der Bundeswehr um die militärische Nutzung sei der entscheidende Wendepunkt. Sollte auch das scheitern, müsse man sich fragen: „Kann man über 20, 25 Jahre hinweg ein Verfahren so führen oder ist dann nicht irgendwann mal Klarheit auch für die Bundeswehr und für die Menschen notwendig?" Dass es auch ohne Gerichte, dafür aber mit Union und SPD gehen könnte, sagt Arnold nicht.

So hat sich auch durch den Heil-Besuch in Rheinsberg noch nichts an der Ungewissheit im Norden Brandenburgs geändert. Zumal: Eine vertiefende Beratung oder gar eine Mehrheit in der SPD-Bundestagsfraktion für eine zivile Nutzung des Bombodroms ist derzeit nicht absehbar, wie mehrere Abgeordnete gegenüber den PNN bestätigten. Und: Selbst Mitglieder des Fraktionsvorstands seien schon von ihrem Fraktionschef, Ex-Verteidigungminister Struck, gerüffelt worden, weil sie Einzel- und Gruppenanträge gegen das Bombodrom unterstützten, heißt es. Nachdem Scharping in der SPD nichts mehr zu melden hat bleibt für Heil und die SPD in Brandenburg in Sachen Bombodrom: die Struck-Falle.

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