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Brandenburg: Die Vier-Prozent-Hürde

Erst ein Bruchteil des Terminals am Hauptstadtflughafen in Schönefeld ist zur Abnahme bereit. Für Hartmut Mehdorn haben die Landtagsabgeordneten nur noch Sarkasmus übrig

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Potsdam - Flughafenchef Hartmut Mehdorn kommt mit seinem „Sprint“-Programm zur Fertigstellung des BER in Schönefeld nur im Schneckentempo voran. Noch im November 2013 war der neue Flughafen, wie die PNN berichtet hatten, nur zu drei Prozent mängelfrei. Jetzt – vier Monate später – sind es immerhin schon vier Prozent. Das räumte am gestrigen Montag der Stabstellenleiter für Zentrale Planung und Strategie der Flughafengesellschaft (FBB) Uwe Hörmann im BER-Sonderausschuss des brandenburgischen Landtags ein.

Konkret sagte Hörmann, dass auf vier Prozent der Fläche im Fluggastterminal, etwa 10 000 Quadratmeter im Untergeschoss und über dem Flughafenbahnhof, die Mängel behoben seien und diese zur Abnahme fertig seien. Dabei noch nicht einmal berücksichtigt sind allerdings die Probleme mit der Brandschutz- und Entrauchungsanlage. Bei der Zahl der 66 000 Mängel an der BER-Baustelle habe es „keinen signifikanten Rückgang“ gegeben, sagte Hörmann. Fortschritte habe es allerdings bei der Entwirrung der Kabel in den Deckenkanälen gegeben, und die Feuerwache Ost sei abgenommen und betriebsfähig, berichtete Hörmann. Auch in der Notfallplanung sowie dem Flucht- und Rettungswegesystem seien Fortschritt erzielt worden.

Der Stabstellenleiter war für den erkrankten BER-Chef Mehdorn in den Sonderausschuss gekommen. Klarheit über Kosten und Terminplan gab es aber auch von ihm nicht. Erst auf Nachfragen wurde klar, wie groß die Probleme am neuen Hauptstadtflughafen noch sind – die Lösung der Probleme mit der Entrauchungsanlage sei „noch in der Planungsphase“, sagte Hörmann.

Brandenburgs Flughafen-Staatssekretär Rainer Bretschneider (SPD) äußerte deshalb deutliche Zweifel an Mehdorns Zeitplan. Der hatte Ende Februar die „bauliche Fertigstellung“ bis Ende 2014 angekündigt.

Bretschneider sprach von einer „Terminlinie, die nicht meine ist“. Der Projektausschuss der Flughafengesellschaft habe sich am vergangenen Freitag damit befasst. Vielen stelle sich die Frage, „was unter baulicher Fertigstellung zu verstehen ist“ und „was die Flughafengesellschaft darunter versteht“, sagte Bretschneider.

Das Hauptproblem am BER sei nicht der Bau, sondern die Systemsteuerung von Brandschutz- und Entrauchungsanlage. „Es kann sein, dass das Gebäude als solches fertig ist, aber die Systemsteuerung von Siemens nicht da ist“, sagte der Staatssekretär. Dann seien nur Programmierarbeiten, aber keine Bauarbeiten im engeren Sinne mehr nötig. „Ein Gebäude, das bauordnungsbehördlich abgenommen ist, muss nicht fertig sein“, sagte Bretschneider. „Ich kann in ein abgenommenes Einfamilienhaus einziehen, wenn noch kein Küche drin ist.“

Fraglich ist auch, ob die 18-Monatsfrist, die der für die Entrauchung zuständige Siemens-Konzern und die Flughafengesellschaft für die Steuerung der Frischluftzufuhr im Brandfall vereinbart hatten, bereits läuft. Demnach wäre Siemens bis Mitte 2015 fertig.

Während nach der Sitzung des Projektausschusses am vergangenen Freitag Signale nach außen drangen, dass der 18-Monate-Countdown bereits läuft, und auch BER-Stabsstellenleiter Hörmann dies andeutete, äußerte Bretschneider Bedenken: „Das ist einer der zentralen Streitpunkte, wie genau die Abläufe sind.“ Er sei deshalb zurückhaltend mit Fristen, Abläufen und Daten.

„Ich kann nur sagen, Siemens arbeitet, ich würde dabei aber keine fristlichen Zwischenziele definieren“, sagte Bretschneider. Denn wie weit Siemens wirklich schon ist, blieb weitgehend unklar. Um „vollständig loslegen zu können, benötigt Siemens die Ausführungsplanung“, sagte Hörmann. Bislang ist die dafür nötige und angesichts der Gebäudegröße komplexe Brandschutzmatrix aber erst zu 70 Prozent fertig, wie der BER-Stabsstellenleiter schließlich einräumen musste.

Brandenburgs Landesregierung ist inzwischen äußerst vorsichtig bei Angaben der Flughafengesellschaft, im Landtag gibt es kaum noch Vertrauen, zum Teil ist nur noch Sarkasmus übrig. Klara Geywitz, die Vorsitzende des BER-Sonderausschusses, sagte bissig über die diffusen Informationen der Flughafengesellschaft: „Es gibt bestimmt schon eine Definition, wonach der Flughafen schon fertig ist.“ Christoph Schulze (Grüne-Fraktion) warf Mehdorn und dem BER-Unternehmen eine „babylonische Sprachverwirrung“ vor. Der Linke-Abgeordnete Axel Henschke bezeichnete die Informationspolitik des Flughafens als „Streustroboskop“, da werde „mal hier, mal da etwas beleuchtet“, sagte er. Am neuen Flughafen gebe es nur marginale Entwicklungen. „Wir haben von Mehdorn immer nur Erzählerchen bekommen, aber in wesentlichen Fragen keine Antworten.“ Und Gregor Beyer (FDP) argwöhnte, weil neben Mehdorn auch BER-Finanzchefin Heike Förster im Ausschuss fehlte, die Geschäftsführung aber nicht nach Potsdam zitiert werden kann, das Gremium verkomme langsam zur Muppetshow und sei reine Zeitverschwendung.

Bis April will der Ausschuss nun seinen Tätigkeitsbericht vorlegen und sich darüber einigen, wie die Vorgänge und Erfahrungen mit der BER-Führung zu bewerten sind. Mehdorn hatte den Ausschuss mehrfach, etwa mit Äußerungen zum Nachflugverbot, mit überraschenden Schreiben und Wendungen brüskiert. Beraten werden soll auch, ob der Ausschuss Empfehlungen abgibt, wie es nach der Landtagswahl im September weiterlaufen soll. Beyer sagte über das Selbstverständnis, dass der Ausschuss eigentlich haben sollte: „Wir sind der Aufsichtsrat des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft. Es ist unsere Verpflichtung, dies zu werten, im Interesse des Landes.“

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