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Schweinemast in Haßleben: Die Widerborstigen

In der Uckermak wird gegen und für eine gigantische Schweinemastanlage gekämpft. Sie könnte etwas Arbeit bringen, würde aber Natur und Mensch belasten. Es geht ums Prinzip.

Von Matthias Matern

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Haßleben - Sternfahrten, Unterschriftenlisten, Widerstandsfeste – Bislang hat Harrie von Gennip alles abperlen lassen. Zwar hat er gerade erst seine Pläne abgespeckt, doch beim Ziel gibt es kein Vertun: Seit knapp zehn Jahren will der niederländische Investor in Haßleben (Uckermark) die in der DDR dort ansässige Schweinemast wieder aufleben lassen. Genau so lange laufen die Bürgerinitiative Kontraindustrieschwein, viele Grünen-Politiker und Umweltschützer Sturm gegen die Pläne. Befürchtet werden eine enorme Geruchsbelästigung und gravierende Folgen für die Umwelt durch die anfallende Gülle. Doch van Gennip bleibt hartnäckig: „Wir wollen und werden Haßleben wieder zum Leben erwecken“, versichert sein deutscher Berater, Helmut Rehhahn.

Bis zu 146 000 Tiere wurden bis 1991in Haßleben gehalten. Van Gennip, der auch zwei Großanlagen in Sachsen-Anhalt betreibt, will zwar weit weniger Schweine im Ort unterbringen, doch aus Sicht seiner Gegner noch immer eine ungeheurliche Menge. Ursprünglich hatte van Gennip mit insgesamt 67 000 Tieren geplant. Erst vergangene Woche wurde bekannt, dass er bei der zuständigen Genehmigungsbehörde, dem Landesumweltamt, einen Änderungsantrag eingereicht hat. Laut Rehhahn sollen nun 3300 Mastschweine, etwa 5200 Sauen und zusätzlich Ferkel in den modernisierten DDR-Ställen untergebracht werden. Die Gesamtzahl der Tiere schätzt der Agrarberater etwas widerwillig auf etwa 30 000. Die Folge der Streichaktion: Das Genehmigungsverfahren verzögert sich erneut, weil die veränderten Unterlagen erneut geprüft werden müssten, heißt es aus dem Landesumweltamt. Dabei hatte die Behörde nach acht Jahren Bearbeitungszeit und unzähligen Gutachten sowie Prüfungen eigentlich in diesem Frühjahr eine Entscheidung fällen wollen.

Die Verkleinerung sei ein „erster Schritt in die richtige Richtung“, meint die Agrarexpertin der Grünen im brandenburgischen Landtag, Sabine Niels. Dennoch sei die Anlage immer noch zu groß. Gerade erst haben die Grünen einen Antrag im Landtag eingebracht, der von der Landesregierung Maßnahmen gegen die Massentierhaltung fordert. Zur Debatte im Plenum haben sie am gestrigen Mittwoch zusammen mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz BUND vor dem Landtagsgebäude und dem Brandenburger Tor in Potsdam demonstriert. Mit einem aufblasbaren Riesenschwein wurde auch erneut gegen van Gennips Pläne in Haßleben protestiert.

Längst sind die Fronten verhärtet, ist Haßleben zum Symbol geworden: Für den Kampf gegen eine skrupelose Massentierhaltung einerseits, aber auch für versnobte Besserwessis aus Berlin, die der Landbevölkerung jeglichen Fortschritt verbauen, damit ihre Landidylle nicht gestört wird und dabei 54 neue Arbeitsplätze verhindern. Frank Skomrock, Sprecher der Haßlebener Interessengruppe „Pro Schwein“, spricht von „zugereisten und von außen organisierten Protestpersonen“. Das sieht auch Jens-Uwe Schade, Sprecher im Landesagrarminmisterium so: „Es gibt zunehmend Konflikte zwischen Einheimischen und Zwanderern, die Landwirtschaft als Störfaktor empfinden“, so Schade. „Wer aus der Stadt herauszieht, und denkt, dass wir in Brandenburg Museumslandwirtschaft betreiben, liegt falsch.“

Sybilla Keitel, Künstlerin aus Westberlin, erfüllt auf den ersten Blick viele dieser Klischees, will aber gar keine falschen Vorstellungen aufkommen lasssen. „Ich bin eine total engagierte Naturschützerin und kein zugereister Rotweintrinker, habe zweimal einen Klimapreis gewonnen und wohne seit 22 Jahren in Jakobshagen“, sagt Keitel, die die Bürgerinitiative Kontraindustrieschwein mit derzeit rund 30 Mitgliedern 2004 gegründet hat. „Es machen viele alteingesessene Haßlebener mit. Wir sind mehr Ossis als Wessis.“

Vor allem befürchtet Keitel, dass schützenswerte Biotope weiter Schaden nehmen könnten. Schließlich sei Haßleben schon durch die intensive DDR-Schweinemast schwer vorbelastet. Ein vom Landesumweltamt in Auftrag gegebenes Gutachten aus dem Jahr 2010 und eine Stellungnahme des Kreises Uckermark kommen zumindest zur Einschätzung, dass das nah gelegene Moor Kuhzer Grenzbruch durch den Gülleintrag auf umliegende Äcker beeinträchtigt und der Moorfrosch und der Laufkäfer gefährdet würden. „Auf die Flächen darf einfach kein Stickstoff mehr eingebracht werden“, fordert Keitel.

Das will van Gennip um keinen Preis zulassen: „Hier geht es nicht mehr um Effektivität, sondern darum, zu beweisen, dass Tierproduktion am Standort möglich ist“, stellt Rehhahn klar. Schließlich seien bereits 25 Millionen Euro in eine Solaranlage auf den Ställen investiert worden. Bis Ende des Sommers werde van Gennip die Genehmigung haben, meint der Berater. Allerdings hat der Niederländer nicht nur die Zahl der Schweine reduziert, sondern zum Leidwesen der Befürworter auch die Zahl der Jobs. Statt 54 sollen jetzt nur noch 34 Stellen geschaffen werden.

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