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Brandenburg: Digitaler Schutzengel

Brandenburgs Verkehrsministerium warnt im Internet vor 180 Gefahrenstellen für Fahranfänger. Zu den meisten Unfallschwerpunkten gibt es jetzt auch kurze Videofilme

Von Matthias Matern

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Potsdam - Kuppeln, schalten, den Scheibenwischer anschalten und dabei auch noch den Verkehr im Auge behalten – vor allen in kniffligen Situationen sind Fahranfänger oft überfordert. Zwar ist die Zahl der Verkehrsunfälle junger Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren in Brandenburg in den vergangenen zwei Jahren etwas zurückgegangen, doch nach wie vor ist die Altergruppe gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung mit 11,3 Prozent übermäßig oft an Verkehrsunfällen beteiligt. Allein im vergangenen Jahr kamen der Verkehrsunfallbilanz der Polizei zufolge im Straßenverkehr 29 Jugendliche ums Leben, im Jahr zuvor waren es sogar 46. Wo die Gefahr besonders groß ist, können Fahranfänger im Internet nachschauen. Insgesamt 180 Gefahrenstellen hat das Institut für Prävention und Verkehrssicherheit (IPV) aus Vehlefanz (Oberhavel) analysiert und auf der Internetseite „Regio-Protect-21“ veröffentlicht. Zu 140 Strecken gibt es auf der Seite jetzt zudem kurze Videofilme, die die Führerscheinausbildung verbessern sollen.

Mitgewirkt an dem Modellvorhaben des brandenburgischen Verkehrsministeriums, des TÜV und der Dekra haben unter anderem Experten der Fahrlehrerverbände Berlins, Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsen-Anhalts sowie des Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Michael Palloks, Projektkoordinator beim IPV, unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Risiken als Ursache für Unfälle junger Fahrer: „Das Jugendlichkeitsrisiko, also Selbstüberschätzung, Druck aus der Gruppe oder Fahren unter Drogen, und das weit bedeutendere Anfängerrisiko.“ Vor allem innerorts seien junge Fahranfänger oft mit der Bedienung der Fahrzeuge und dem gleichzeitigen Überblicken der Verkehrssituation überfordert, sagt Palloks. „Dadurch geht viel Aufmerksamkeit verloren. In Städten überwiegen deshalb Kreuzungs- und Abbiegeunfälle, oft wird die Vorfahrt missachtet.“ Viel schwerwiegender seien aber die Unfälle außerhalb geschlossener Ortschaften, etwa wenn Fahranfänger wegen unangemessener Geschwindigkeit die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren und von der Fahrbahn abkommen, berichtet der Verkehrsexperte. „Häufig ist die Blickführung das Problem. Fahranfänger gucken meist starr geradeaus auf die Fahrbahn, haben den Fahrbahnrand gar nicht im Blick, sehen deshalb zum Beispiel zu spät, ob dort ein Tier steht“, berichtet der Projektkoordinator.

Für die Ermittlung der Gefahrenstellen haben sich die IPV-Experten der Unfallstatistik der Polizei bedient. Eine erste Liste mit Gefahrenschwerpunkten hatte das Institut schon 2009 ins Netz gestellt. Im vergangenen Jahr wurden dann die aktuellen 180 Strecken veröffentlicht. „Wir haben uns das Unfallgeschehen zwischen 2009 und 2011 angeschaut und die Straßenabschnitte ausgewählt, bei denen es mindestens zwei Unfälle gleicher Art mit Beteiligung junger Fahrer gab“, schildert Palloks das Vorgehen. Für den Landkreis Potsdam-Mittelmark hat das IPV zum Beispiel 25 solcher Stellen identifiziert. In Potsdam sind es zwei: die Kreuzung Zeppelinstraße/Kastanienallee und die Heinrich-Mann-Allee in Höhe der Friedrich-Wolf -Straße.

Neu ist, dass man zu einigen Unfallschwerpunkten im Internet auch mitfahren kann. „Wir haben eine Software entwickelt, mit der man Kameraaufnahmen des brandenburgischen Landesbetriebs für Straßenwesen mit einer interaktiven Google-Karte verbinden kann, sodass man gleichzeitig sehen kann, wie man sich der Gefahrenstelle nähert“, erläutert IPV-Projektkoordinator Michael Palloks. Genutzt werden soll das Angebot vor allem von Fahrschulen. Statt mit bundesweit einheitlichen Beispielen, die nicht örtlichen Begebenheiten entsprechen, könnten Fahrlehrer im Theorieunterricht ihre Schüler mit Situationen aus der unmittelbaren Umgebung konfrontieren, diese später dann in der Praxis auch noch abfahren, sagt Palloks.

Lob für das Projekt gibt es auch vom ADAC Berlin-Brandenburg. „Das ist auf jeden Fall begrüßenswert“, sagte ADAC-Sprecherin Izabela Grzywacz. Zwar sei es gut, wenn Fahranfänger die Gefahrenstellen in ihrer Umgebung besser kennen würden, doch müssten die Jugendlichen dann auch häufiger fahren. „Mangelnde Fahrpraxis ist der Hauptgrund für viele Unfälle, auch in Brandenburg. Das zeigen die Analysen deutlich“, so Grzywacz. Der ADAC sei deshalb nicht nur ein Befürworter des begleiteten Fahrens ab 17, das seit 2006 auch in Brandenburg möglich ist, sondern plädiere zudem für die Einführung von Fahrsicherheitskursen bei der Führerscheinausbildung. „Fahranfänger brauchen einfach viel mehr Training“, glaubt die ADAC-Sprecherin.

www.regio-protect-21.de

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