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Rechtliche Bedenken zur Kreisreform in Brandenburg: Direkte Landratswahl der Bürger soll wegfallen
Die rot-rote Landesregierung möchte die Direktwahl der Landräte wegen der Kreisreform aussetzen. Allerdings könnte das gegen die Landesverfassung verstoßen.
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Potsdam - Die von der rot-roten Landesregierung geplante Aussetzung des Direktwahl einiger Landräte könnte verfassungsrechtliche Probleme mit sich bringen. Das wurde am Donnerstag bei einer Anhörung von Experten im Innenausschuss des Landtags deutlich. Im Jahr 2018 soll nach den Plänen auf die Neuwahl von Landräten durch die Bürger verzichtet werden, in den Landkreisen Elbe-Elster, Ostprignitz-Ruppin, Spree-Neiße, Uckermark, Oberspreewald-Lausitz und Barnim soll die Amtszeit der Landräte bis zur Kommunalwahl 2019 und dem Vollzug der Kreisreform verlängert werden. Und in den neuen Kreisen sollen dann nicht – wie in Brandenburg gesetzlich vorgeschrieben – zunächst die Bürger die Wahl haben, sondern die Kreistage die neuen Verwaltungschefs wählen.
Der Brandenburger Städte- und Gemeindebund hält die Kreisreform und damit die Wahlregelung grundsätzlich für verfassungswidrig. Der Landkreistag hält die Sonderregelung zur Landratswahl als besondere Maßnahme für erforderlich. Der Staatsrechtler Thorsten Ingo Schmidt von der Universität Potsdam hingegen sieht verfassungsrechtliche Probleme. Denn in Brandenburg sind Landräte automatisch Mitglied der jeweiligen Kreistage. Wenn Landräte aber für die Kreisreform in den betroffenen Kreisen vom Kreistag gewählt werden, könnte das mit dem Grundgesetz kollidieren. Das schreibt in Artikel 28 vor, dass die Wahlen unmittelbar sein müssen. Durch die Pläne von Rot-Rot wäre aber keine unmittelbare Wahl gewährleistet. Der Potsdamer Verwaltungsrechtler Klaus Herrmann sprach von rechtfertigungsbedürftigen Eingriffen, diese müssten dann im Gesetz ausdrücklich auf die Fusionskreise beschränkt bleiben.
Direktwahl erst 2010 eingeführt
Die Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher nannte die Pläne von Rot-Rot, von der Kommunalverfassung abzuweichen und auf Direktwahlen zu verzichten, inakzeptabel. Tragender Gedanke hinter der 2010 eingeführten Direktwahl der Landräte sei die Stärkung der Bürgerbeteiligung gewesen. „Die märkische SPD, die immer mit der Direktwahl der Landräte gehadert hat, wittert nun offenbar die Chance, über eine Ausnahmeregelung das Rad der Zeit dauerhaft zurückzudrehen“, sagte Nonnemacher. Bei der hoch umstrittenen Kreisreform „als Erstes die Bürgerbeteiligung zu schleifen und auf das identitätsfördernde Instrument der Direktwahl zu verzichten, halte ich für fatal“.
Der CDU-Kommunalexperte Sven Petke warnte, dass die Mehrzahl der Brandenburger ihr demokratisches Wahlrecht bei den Landräten sehr lange Zeit nicht mehr wahrnehmen könnten. Linken-Innenexperte Hans-Jürgen Scharfenberg, dessen Partei ein Verfechter der Direktwahl ist, sagte, über die Sonderregelung für die Landratswahl werde im Landtag noch zu reden sein.
Mit der Kreisreform will die Landesregierung die Verwaltungsstrukturen im Land zukunftsfest machen. Von den vier kreisfreien Städten soll nur Potsdam diesen Status behalten. Die erfolgreiche, vom Landtag abgelehnte Volksinitiative hat bereits ein Volksbegehren auf den Weg gebracht.
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