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Brandenburg: DNA unter der Motorhaube

Einzigartige Farbkleckse sollen Diebe in der Grenzregion zu Polen abschrecken

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Potsdam - Mit dem verstärkten Einsatz von künstlichen DNA-Markern sollen Diebe in Brandenburgs Grenzgebiet zu Polen vom Autoklau abgeschreckt werden. Eine Technik, die sich die Polizei aus dem Nachbarland selbst abgeschaut hat. In Polen werden mit der Hightech-Farbe sakrale Gegenstände, wie Kerzenständer oder Figuren, markiert. Den Deutschen sind ihre Autos heilig. Winzige, in der nur unter Schwarzlicht sichtbaren Farbe, eingeschlossene „Microdots“ mit eingeprägter Nummer sollen die Ermittler direkt zum wahren Besitzer der gestohlenen Wagen führen. Vorausgesetzt, die Autos oder deren Einzelteile fallen der Polizei bei Kontrollen in die Hände.

„Die Anwendung ist simpel und einfach“, sagt Eckhard Strobel. Der Polizeihauptkommissar steht vor einer geöffneten Motorhaube eines weißen Ford-Transporters der Polizei. Die hatte gestern nach Potsdam geladen, um die Technik sowie die für Anfang 2012 geplante Einsatzoffensive vorzustellen. Knapp drei Monate lang sollen 372 Bereitschaftpolizisten zusätzlich im Grenzgebiet nach Autodieben fahnden. Vorsichtig taucht Strobel ein Wattestäbchen in das Röhrchen mit der DNA-Farbe. „Jetzt schmieren wir das überall drauf“, sagt er und beginnt Kleckse im Motorraum zu verteilen. Auf der Lichtmaschine, Schläuchen, dem Lüfter und der Rückseite der Scheinwerfer. „Umso flächendeckender wir das anwenden, desto schwieriger wird es für Täter, die Farbe wieder zu entfernen.“

Der Startschuss zu dem Projekt war im Frühjahr gefallen. In Frankfurt (Oder) wurden 500 DNA-Startersets an die von Autodieben gebeutelten Einwohner verteilt. Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) stellt nun Fördergelder in Höhe von 50 000 Euro bereit, um das Projekt auszuweiten. Schon im Januar sollen auch an Autoliebhaber in Schwedt/Oder und Eisenhüttenstadt kostenlose Marker-Sets verteilt werden. Städte im Grenzgebiet, wie Guben, Forst oder Cottbus, sollen folgen. Allen anderen bleibt vorerst, die Hightech-Farbe über Internet selbst zu bestellen. Etwa 90 Euro kostet ein Set samt Aufklebern, die Diebe abschrecken sollen.

Rund 4000 versuchte und geglückte Autodiebstähle hat die Polizei im vergangenen Jahr im Land gezählt. Auch in diesem Jahr blieb die Zahl der Fälle konstant hoch. Noch 2007 zählte man 2469 Fälle. Auf der Hitliste stehen die Marken VW, Audi, BMW und Mercedes ganz oben. Um den Dieben Herr zu werden, wurde vor einem Jahr die Sonderermittlergruppe „Grenze“ gegründet. Kriminalrat Jens Starigk hat die Führung der Gruppe jetzt übernommen, gleichzeitig wurde die Mannschaftsstärke von 80 auf 90 Polizisten erhöht. Die Täter gingen strikt arbeitsteilig vor, erklärt Starigk. Man habe es mit Banden zu tun. Sie sammelten Autobestellungen, Späher machten die Wagen ausfindig, zum Beispiel über Internetportale wie mobile.de. Ist der Wagen gefunden, wird er aufgebrochen, ein Kurier übernimmt das Steuer. Während das Auto Richtung Polen rollt, erkundet ein sogenannter Pilot die Strecke, warnt vor Kontrollen. Auf frischer Tat werden meist nur die Kuriere erwischt – mittellose Handlanger aus Osteuropa, die für 150 Euro engagiert wurden. Die Hintermänner bleiben im Dunkeln, sagt Starigk. 516 Tatverdächtige konnte seine Soko bislang stoppen, 321 Fahrer kamen aus Polen, 82 aus Litauen und 73 aus Deutschland. Gestohlen wurden die Wagen meist im Berliner Umland oder in Orten nahe der Autobahnen 11, 12 und 13.

Hinter Gittern landet nur jeder vierte Gefasste, sagt Brandenburgs Polizeipräsident Arne Feuring. Für Autodiebstahl würden in der Regel keine Haftbefehle ausgesprochen. Die Autodiebe überhaupt zu überführen sei schwer genug, sagt Feuring. Zwar würde die Polizei immer wieder Transporter voller Autoteile oder offensichtlicher Diebesbeute stoppen, doch im Zweifel gelte die Unschuldsvermutung. „Es wird uns in aller Regel nicht gelingen, nachzuweisen, woher das Teil kam.“ Die neue DNA-Farbe könnte dem entgegenwirken. Eine Internetdatenbank führt zurück zum Besitzer. Die Polizei empfiehlt, neben dem eigenen Wagen auch Wertgegenstände zu markieren. Für bis zu 70 Farbkleckse reiche ein Set.

Die von Polizeihauptkommissar Strobel im Motorraum aufgetragene DNA-Farbe ist inzwischen getrocknet. Mit bloßem Auge ist sie nicht zu erkennen. Erst unter der Schwarzlichtlampe wird die Farbe wieder sichtbar. Sie leuchtet Violett. „In so einen Transporter passen drei Autos rein“, sagt Strobel und zeigt auf den Laderaum. In Einzelteilen, meint er. „Wenn wir so einen Transporter stoppen, brauchen wir nur noch mit der UV-Lampe suchen.“ Die unsichtbare Farbe halte über Jahre. Nur bei großer Hitze, zu starker Sonneneinstrahlung oder mit Schleifpapier könnte sie verschwinden. Alle Einzelteile zu reinigen, dürfte vielen Dieben allerdings zu anstrengend sein, sagt Strobel.

Von den bereits in Frankfurt (Oder) markierten Wagen sei bislang keiner gestohlen worden. Die ersten 100 UV-Lampen für die Polizei sind schon bestellt.

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