
© Schmidt/ddp
Von Anna Sauerbrey: Dragqueens, Nonnen, Kardinäle
Schrille Parade zum Christopher Street Day: „Stück für Stück ins Homo-Glück – Alle Rechte für alle“ 550 000 Menschen zogen durch die City oder verfolgten die bunte Politparty vom Straßenrand
Stand:
Berlin - Es war eine schrille und glitzernde Party, bei der am Samstag nach Angaben der Veranstalter 550000 Lesben, Schwule, Transsexuelle und Schaulustige den Christopher Street Day feierten. Begleitet war die große Party, mit der jedes Jahr an die Proteste gegen die Polizeigewalt gegen Homosexuelle in New York 1969 erinnert wird, von politischen Forderungen und Ankündigungen.
Sogar ein Kardinal war dabei. Mitten in dem schrillen Gewimmel aus Federboas, Pailletten, Lack und Piercings schritt Ihre Eminenz im Chorkleid über den Kurfürstendamm, begleitet von einer Nonne. Nur das Schuhwerk, das unter deren Habit hervorlugte, war verräterisch: Die falsche Ordensfrau trug zur schwarzen Kutte Wirbelsäulenschädiger mit schier endlosen Absätzen.
Bis sich auch echte Würdenträger der katholischen Kirche offen ins bunte Geflirr mischen, ist aber wohl noch eine innerkirchliche Revolution nötig.
Zwar wirkte der CSD, an dem Wagen aller großen Parteien teilnahmen, auf den ersten Blick fast wie ein gesellschaftliches Repräsentativ-Event. Doch der Schein trügt. Die Situation sei besser geworden, sagte Bernd, „Gleichstellung kann ich aber noch nicht erkennen.“ Der 47-Jährige war in einer Gruppe mit seinem Freund Michael unterwegs, der war eine imposante Rothaarige im Seidenkleid, die deutliche Lippenstiftspuren am Rand eines sektgefüllten Plastikbechers hinterlässt. Bernds Kollegen wissen von der Schönen. Doch das „Rumgezicke“ der Politik sind die beiden leid. Was sie sich denn erwarten? „Wir wollen Herrn Schäuble verführen“, antwortete eine Schnurrbärtige im Abendkleid aus der Gruppe augenzwinkernd.
Konkret sind die Themen Homoehe und Adoption aus der Sicht vieler CSD-Teilnehmer nicht befriedigend geregelt.
Die wie immer grelle Pride-Parade stand unter dem Motto „Stück für Stück ins Homoglück – Alle Rechte für alle“. Die Veranstalter forderten, den Schutz und die Anerkennung der sexuellen Identität in den Paragraphen drei des Grundgesetzes aufzunehmen. Die Fraktionen von SPD, Linke und Grünen im Abgeordnetenhaus hatten sich am Donnerstag für die Grundgesetzänderung ausgesprochen. Dafür erhielt der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) während der Abschlusskundgebung an der Siegessäule viel Applaus. Gleichzeitig dämpfte er die Hoffnungen auf einen Erfolg der Initiative, die eine Zweidrittelmehrheit erfordert. „Aber wir werden weiter kämpfen“, sagte Wowereit. Er forderte außerdem eine Entschädigung und eine Rentenregelung für diejenigen, die unter dem 1994 abgeschafften Paragraphen 175 des Strafgesetzbuches verurteilt wurden. Der Paragraph hatte den Geschlechtsverkehr zwischen Männern unter Strafe gestellt. Wowereit kündigte des Weiteren eine Kampagne gegen Homophobie an. „Wir lassen es uns nicht gefallen, dass Küssen in der Öffentlichkeit als abartig bezeichnet wird“, sagte Wowereit in Anspielung auf einen Vorfall in Schöneberg. Auch auf Plakaten hatten mehrere Gruppen daran erinnert, das der Inhaber der Eisdiele Dolce Freddo Anfang Mai zwei küssende Frauen beschimpft hatte.
Auch weitere Politiker zeigten auf dem CSD Gesicht: Die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, und CDU-Bundestagsabgeordnete Monika Grütters eröffneten mit Wowereit die Parade, der FDP-Vorsitzende im Abgeordnetenhaus, Christoph Meyer, zog ebenso mit wie Linken-Chef Klaus Lederer. Am Abend wurden Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und der Rechtsanwalt und Aktivist für Homosexuellenrechte, Helmut Graupner, mit dem Zivilcouragepreis geehrt.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: