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DDR-Reste. Krenz (l) signierte sein Buch für alte Genossen.

© dpa

Brandenburg: Ein Bürgermeister gegen Krenz

Ex-DDR-Staatschef rechtfertigt die Diktatur. Für den Kritiker gab es Pfiffe

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Petershagen-Eggersdorf - Olaf Borchardt (55) ist am Montag noch immer in Rage. Er hatte sich extra einen kleinen Zettel für seine kurze Rede vorbereitet, damit er nicht durcheinander gerät. „Mir war klar, dass ich nicht lange erzählen kann, weil irgendwann die Buhrufe so laut werden.“ So kam es auch, als der parteilose Bürgermeister von Petershagen-Eggersdorf (Märkisch-Oderland) am Sonnabend vor die früheren DDR-Grenzoffiziere trat. Es war ein bizarres Treffen der Gestrigen: In die Giebelseehalle geladen hatte die Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung (GRH), ein Veteranenverein von einst hochrangigen Stasi- und NVA-Offizieren, der schon mit Beleidigungen gegen SED-Opfer oder der Forderung nach Schließung der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen aufgefallen war. Stargast: Egon Krenz (72), Nachfolger Erich Honeckers als DDR-Staats- und SED-Chef.

Olaf Borchardt wollte sich mit dem Veteranentreffen nicht abfinden. „Ich bin schon früh um fünf wach geworden und habe mir gedacht, ich kann doch nicht einfach draußen Laub harken, und die machen solche Faxen. Da musst du doch kundtun, dass dich das ankotzt.“ Der Bürgermeister der 14 000 Einwohner zählenden Doppelgemeinde am östlichen Berliner Stadtrand fand deutliche Worte: „Ich heiße Sie in unserem Ort ausdrücklich nicht herzlich willkommen.“ Den Genossen sagte er ins Gesicht, er bedauere es zutiefst, dass die Veranstaltung mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht zu verhindern gewesen sei. Dass er die Verantwortung dafür übernimmt, dass ein Verein nun in der Sporthalle sitzt, „dessen Mitglieder nach wie vor nicht einsehen, dass der Staat DDR eine Unrechtsdiktatur war, was Veranstalter und Teilnehmer in solchen Veranstaltungen wie dieser heute auch noch agitatorisch zur Schau stellen“. Und dann entschuldigte sich Borchardt noch einmal vor den Grenzoffizieren bei den Bürgern seiner Gemeinde, weil er diese Veranstaltung hier nicht verhindert hat.Unter Pfiffen verließ er den Saal.

Drinnen gab es Marschmusik, Erbsensuppe und Applaus für Egon Krenz. Der rechnete mit den „Herrschenden in der Bundesrepublik“ ab, mit dem Verräter Michail Gorbatschow, einem zerstreuten Günter Schabowski und rühmte – 20 Jahre nach dem Mauerfall – die Grenzoffiziere. „Hier sitzen jene, die dafür gesorgt haben, dass aus einer Fehlinformation keine Katastrophe wurde.“ Die Grenztruppen hätten dafür gesorgt, „dass Sekt fließen konnte und kein Blut“. Eine „weltpolitische Leistung“ nannte Krenz das, er habe alles dafür getan. Auch von „Hetze“ sprach er und unwürdiger Abrechnung, weil die DDR als zweite deutsche Diktatur bezeichnet wird. Krenz gab den Rächer, signierte fleißig sein Buch „Gefängnis-Notizen“. Fast vier Jahre saß er in Haft – wegen seiner Mitverantwortung für die tödlichen Schüsse an der Grenze.

Bürgermeister Olaf Borchardt schüttelt darüber nur den Kopf. „Ich war von 1980 bis 1990 selbst überzeugter Sozialist und SED-Mitglied, von 1979 bis 82 Staatsanwalt.“ Nach der Wende habe er sich bewusst zehn Jahre lang politisch zurückgehalten und nur als Rechtsanwalt gearbeitet, seit 2002 ist er Bürgermeister. „Ich habe aus der Vergangenheit gelernt, im Gegensatz zu den Teilnehmern dieses Treffens. Ich bin heute noch dabei, bestimmte Sachen für mich aufzuarbeiten, wie das Geschichtsbild der DDR.“

Krenz und Genossen aber pflegen ihr Bild weiter. Am Montag sagte der Direktor der Stiftung Berliner Mauer, Axel Klausmeier: „Diese verfälschte Darstellung der Geschichte des Mauerfalls ist unerträglich. Sie verhöhnt in erster Linie die Opfer des DDR-Regimes und verschweigt den Mut der Bürgerrechtler.“ Die DDR sei unmenschliches und brutales System gewesen. Auch Olaf Borchardt weiß das inzwischen, er hat es sich nach 1989 erarbeitet. Alexander Fröhlich

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