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Brandenburg: Ein Koffer voller Lieder

In Jüterbog war die Skepsis gegenüber Flüchtlingen groß. Ein Kantor brachte die Menschen zusammen

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Berlin/Jüterbog - Unwissen und Unbehagen löste es bei Bürgern des brandenburgischen Jüterbog aus, als Flüchtlinge in der südlich von Berlin gelegenen Kleinstadt untergebracht wurden. Im vergangenen November eskalierte die Situation, als nach einem Aufmarsch der NPD ein Flüchtlingstreff in Brand gesetzt wurde. Dagegen wollte der evangelische Kreiskantor Peter-Michael Seifried ein Zeichen setzen.

Seifried organisierte ein Konzert mit christlicher, muslimischer und jüdischer Musik in Jüterbogs Hauptkirche Sankt Nicolai. Bei den Vorbereitungen und der Aufführung begleitete die Filmemacherin Nadja Tenge ihn und seine Mitstreiter. Ihre halbstündige Reportage „Mit einem Koffer voller Lieder. Wenn Gesänge Brücken schlagen“ strahlt das rbb-Fernsehen an diesem Samstag um 18 Uhr aus.

Zum Auftakt des Beitrags stimmt ein Kinderchor in dem vollbesetzten Gotteshaus ein spanisches Wiegenlied an. Ein bunt gemischtes Publikum, Alteingesessene und Neuankömmlinge, lauschen dem Gesang. Es ist der Höhepunkt von Seifrieds Projekt, dem vier Monate lange Vorbereitungen und Proben vorausgingen.

Begonnen hat es im vergangenen Dezember mit einem Besuch des Kreiskantors in der Berlin-Kreuzberger Omar Ibn Al Khattab Moschee.

Dort erlebt Seifried nach eigenen Worten Offenheit und Freundlichkeit - und viel Musik. Bei einer weiteren Visite trifft sich der Kantor mit der Gesangsgruppe, junge Männer an Trommeln, die gemeinsam in arabischer und türkischer Sprache sangen. Die islamische Musik ist sehr rhythmisch, wie Seifried betont, „man schwingt so ein“. Seine Einladung, bei einem interreligiösen Musikfest mitzumachen, nimmt das Ensemble gerne an.

Doch nicht nur islamische, auch jüdische Musik soll in der Sankt-Nicolai-Kirche erklingen. Bei einem Besuch des Abraham-Geiger-Kollegs in Berlin kann er die jüdische Kantorin Aviv Weinberg gewinnen, das Kirchenkonzert durch einige Psalmen zu bereichern. Auch bei gebürtigen Israelin findet er offene Ohren: Sie möchte die Menschen von jüdischer Sakralmusik begeistern.

Seifrieds Gang in eine Jüterboger Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge wird zur turbulentesten Begegnung: Kinder, Frauen und Männer dort sprechen weder Deutsch noch Englisch, der Kantor und sein Kollege Johannes Ratgeber sind des Farsi, einer im Mittleren Osten weit verbreiteten Sprache, nicht mächtig. Mit Händen, Füßen, Kalendern und Symbolen erklären sie ihren Plan. Am wichtigsten werden jedoch die mitgebrachten Instrumente. Trommeln und Singen verbindet schließlich – ganz so, wie es sich der Kantor vorgestellt hat. „Neben dem Trommeln war das Lächeln das Entscheidende“, resümiert Seifried.

Dann packen auch die Musiker des heimischen Kirchenchors ihren Koffer voller Lieder – wenn auch mit anfänglicher Skepsis. Am Ende jedoch überzeugt auch sie das ungewöhnliche musikalische Konzept. „Es macht schon neugierig zu erleben, wie andere glauben“, sagt ein Jüterboger Sänger über die Beiträge aus den anderen Religionsgemeinschaften.

Am Ende ihres Konzertes stehen alle Musiker gemeinsam vor dem Publikum. Der Applaus beweist: Seifrieds Versuch, verschiedene Kulturen durch Musik einander näherzubringen, ist offenbar gelungen. Romina Carolin Stork

„Mit einem Koffer voller Lieder. Wenn Gesänge Brücken schlagen“, Samstag, 26. Juni, 18 Uhr, rbb-Fernsehen. Der Beitrag kann zudem ein Jahr in der rbb-Mediathek abgerufen werden

Romina Carolin Stork

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